Welcome back, Jon!
Mittwoch, 28. Juli 2010
Montag, 26. Juli 2010
Halburlaub
Ab heute habe ich Halburlaub, das heißt Urlaub vom Job als Angestellter eines Industriebetriebes, aber noch keinen Urlaub, was die freiberuflichen Arbeiten betrifft. Da steht heute die Fertigstellung der Übersetzung einer technischen Dokumentation an, mit solch putzigen Begriffen wie »Kunststoffverbindungsblöcke« oder »deklarierte lineare Impedanz« und »Körperschallanregung auf die Rohdecke«.
Dann wartet noch ein Online-Shop darauf, dass sämtliche Produkte mit mehreren zusätzlichen HTML-Zeilen versehen werden und wahrscheinlich werde ich bei einem Handbuch in italienischer Sprache die Korrekturen des Lektorates in das Dokument übertragen.
Ab nächste Woche ist dann voraussichtlich Vollurlaub, wenn alles getan und geschafft ist. Das würde bedeuten: Zwei Wochen ohne Arbeit. Geht das überhaupt? Mal sehen…
Sonntag, 25. Juli 2010
Gedanken zum Sonntag: Die Anti-Christen sind da!
Der Antichrist, von dem hier nicht die Rede sein soll, wurde verschiedentlich - jedes mal fälschlich - gesichtet. Hitler, der (jeweilige) Papst, Gorbatschow, Obama... - na ja. Dem einen sin Uhl ist dem andern sin Nachtigall, auch was die Sympathie für Politiker betrifft. Da sind Christen nicht anders als Moslems, Hindus, Juden, Buddhisten und andere –isten.
Die Verwirrung über biblische Begriffe und Personen vor allem unter Christen ist jedoch fast schon wieder so an der Tagesordnung wie vor der Reformation, da die Bibel kaum noch gelesen wird. Die meisten Christen halten den Antichristen für eine bedrohliche Endzeitfigur, verwechseln ihn mit dem »Tier aus dem Abgrund«.
...so sind auch jetzt viele Antichristen aufgetreten; daher wissen wir, daß es die letzte Stunde ist. (1. Johannes 2, 18)
Der ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, daß Jesus der Christus ist? Der ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. (1, Johannes 2, 22)
Denn viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen, die nicht Jesus Christus, im Fleisch gekommen, bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist. (2. Johannes 7)
Doch halt! Von diesen Antichristen soll hier gar nicht die Rede sein. Es gibt jede Menge Anti-Christen einer anderen Sorte. Heute. Hier. Nämlich Christen, die anti XYZ sind.
Die sind anti Reinhard Bonnke, anti Papst, anti Ökumene, anti Geistesgaben, anti Jesus Freaks, anti Katholische Kirche, anti Volxbibel, anti Lutherbibel, anti Alkohol, anti dies und anti das. Sie posaunen ihre Meinungen hinaus und streiten verbissen, was das Zeug hält. So etwas ist nicht neu, schon Paulus kannte derartige Zeitgenossen. Den Korinthern schrieb er:
Ihr seid noch fleischlich. Denn wo Eifersucht und Streit unter euch ist, seid ihr da nicht fleischlich und wandelt nach Menschenweise? (1. Korinther 3, 3)Der Chaotenhaufen in Korinth, der sich Gemeinde nannte, hat den Hinweis wohl nicht ernst genug genommen, denn in einem späteren Brief an diese liebenswerten Gläubigen wurde Paulus deutlicher:
Ich fürchte, daß ich euch bei meinem Kommen vielleicht nicht als solche finde, wie ich will, und daß ich von euch als solcher befunden werde, wie ihr nicht wollt: daß vielleicht Streit, Eifersucht, Zorn, Selbstsüchteleien, Verleumdungen, Ohrenbläsereien, Aufgeblasenheit, Unordnungen da sind; daß, wenn ich wiederkomme, mein Gott mich vor euch demütigt und ich über viele trauern muß, die vorher gesündigt und nicht Buße getan haben über die Unreinheit und Unzucht und Ausschweifung, die sie getrieben haben. (2. Korinther 12, 20-21)
Es ist nicht jeder Gläubige zum Apostel berufen, obwohl sich viele so aufführen. Da wird das Urteil über andere gefällt und per Internet hinausposaunt, oft genug anonym, hinter irgend welchen Usernamen verborgen. Neulich habe ich mal wieder in das Forum bei Pray.de geschaut, und fand das, was dort geduldet und gepostet wird, genauso zum Kotzen wie vor etlichen Jahren, als ich eben deshalb meine Mitarbeit bei Pray.de einstellte.
Man muss ja dem Verurteilten nicht in die Augen sehen, wenn man die Jauchekübel über ihn ausleert - um so leichter fällt es, jemanden oder eine Bewegung niederzumachen. Man schreibt Hasstiraden in christlichen Foren, lästert auf Blogs, trötet seine Vorstellungen via Facebook in die Welt hinaus und sonnt sich in der eigenen uneingeschränkt richtigen Erkenntnis, die niemand hinterfragen kann.
Wer ist berufen, über »richtig« und »falsch« in der Gemeinde zu urteilen? So weit wir uns hier auf den Bereich der christlichen Gemeinde beziehen, der jeweilige Hirte oder ein Apostel. Aber sicher nicht Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher, die weit verbreiteten Anti-Christen unserer Zeit. Selbst Paulus war diesbezüglich zurückhaltend:
Einige zwar predigen Christus auch aus Neid und Streit, einige aber auch aus gutem Willen. Die einen aus Liebe, weil sie wissen, daß ich zur Verteidigung des Evangeliums eingesetzt bin; die anderen aus Eigennutz verkündigen Christus nicht lauter, weil sie mir in meinen Fesseln Bedrängnis zu erwecken gedenken. Was macht es denn? Wird doch auf jede Weise, sei es aus Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich. (Philipper 1, 15-18)
Paulus betrachtete sich als zur Verteidigung des Evangeliums eingesetzt, er fand klare Worte, wenn in einer Gemeinde die Dinge aus dem Ruder liefen, jedoch auf eine ganz andere Weise als es vielerorts heute zu finden ist.
Er nannte Eifersucht und Neid in einem Atemzug mit Streit und Verleumdungen unter frommen Menschen (wir vergessen bei solchen Ermahnungen und Korrekturen gerne, dass seine Briefe ausnahmslos an Christen gerichtet sind).
Ich kann mir vorstellen, dass er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Kritik und Verleumdung kommt, so weit das angesichts des Versteckspiels mit Usernamen und Pseudonymen in der Anonymität des Internet überhaupt erkennbar ist, vorwiegend von Menschen, in deren Leben geistliche Frucht nicht zu finden ist. Vielleicht sind sie neidisch, dass sie noch nie einen Menschen zu Christus geführt, noch nie eine Gebetserhörung erlebt, noch nie ein prophetisches Wort gesagt oder empfangen haben? Vielleicht haben sie noch nie einen Trauernden getröstet, einen Sterbenden mit Liebe begleitet? Vielleicht sind sie eifersüchtig, weil Gott andere gebraucht, während sie vor sich hin wursteln und zu keinem Ziel gelangen?
So wird die Wirkung zur Ursache und die Ursache wirkt sich aus. Gebete werden nicht erhört, weil jemand selbst im Wege steht:
Ich aber sage euch, daß jeder, der seinem Bruder zürnt, dem Gericht verfallen sein wird; wer aber zu seinem Bruder sagt: Dummkopf! dem Hohen Rat verfallen sein wird; wer aber sagt: Du Narr! der Hölle des Feuers verfallen sein wird. Wenn du nun deine Gabe darbringst zu dem Altar und dich dort erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar und geh vorher hin, versöhne dich mit deinem Bruder; und dann komm und bring deine Gabe dar! (Matthäus 5, 22-24)Noch viel deutlicher geht es ja wohl wirklich nicht. Wer seinem Bruder zürnt, ihn verlästert, selbst derjenige, der weiß, dass sein Bruder etwas gegen ihn hat, ist verpflichtet, die Sache aus der Welt zu schaffen, bevor er sich dem Altar Gottes nähert. Andernfalls sind Konsequenzen unvermeidbar. Muss sich also jemand wundern oder beschweren, wenn er vergeblich betet, dauerhaft in Nöten steckt, dass sein Gebet ohne Antwort bleibt, so lange er andere verurteilt, richtet und verleumdet?
P.S.: Ich meine übrigens nicht, dass wir nicht unterschiedliche Meinungen und Auffassungen haben können und dürfen. Ich meine die Art und Weise, wie wir damit umgehen.
Freitag, 23. Juli 2010
Ein Tipp zum aktuellen Geschehen in Stuttgart
Der Lutherische Weltbund hat sich bei seiner Vollversammlung in Stuttgart für die brutale Verfolgung der Mennoniten öffentlich entschuldigt. Mitglieder der Freikirche waren im 16. und 17. Jahrhundert auch mit der Billigung des Reformators Martin Luther unterdrückt und getötet worden.
In der Erklärung bitten die Lutheraner »Gott und unsere mennonitischen Schwestern und Brüder um Vergebung für das Leiden, das unsere Vorfahren im 16. Jahrhundert den Täufern zugefügt haben«.
Zudem äußerten die Lutheraner ihr Bedauern darüber, dass die Verfolgungen in den nachfolgenden Jahrhunderten vergessen und ignoriert wurden. Sie entschuldigten sich zudem dafür, das lutherische Autoren bis heute unzutreffende, irreführende und verletzende Darstellungen über die Täufer und Mennoniten verbreitet hätten.
Aus diesem Anlass wiederhole ich hier meinen Hinweis auf ein Buch, das die Geschichte, für die jetzt endlich in Stuttgart um Vergebung gebeten wurde, auf packende Weise lebendig werden lässt:
Nach 43 Wochen Haft im Rathaus von Oetenbach gelang ihm die Flucht. Die reformierte Obrigkeit schäumte vor Wut. Speziell eingesetzte Täuferjäger führten Razzien in verdächtigen Häusern durch und machten den Gläubigen das Leben schwer. Schließlich fanden die Täuferjäger heraus, wo die Meylis lebten und stürmten mit dreißig Mann das Haus. Schwer bewaffnet brachen sie durch die Türen. Als sie feststellten, dass Meyli ihnen wieder entkommen war, verwüsteten sie die Räume. Dann nahmen sie seine beiden Söhne, Hans und Martin, gefangen. Martin war schon verheiratet und so ergriffen die Täuferjäger auch seine Frau Anna und legten sie in Fesseln. Ihr vierzehn Wochen altes Kind nahmen sie ihr weg und gaben es an »rechtgläubige« reformierte Christen.
Die Gefangenen wurden nach Zürich gebracht, dort verurteilt und inhaftiert. Den Männern nahm man die Kleider weg und kettete sie zwanzig Wochen am Steinboden fest. Man folterte sie mit Raupen und Spinnen. Sie bekamen gerade so viel zu essen und zu trinken, dass sie am Leben blieben. Doch die Gefangenen widerriefen ihren Glauben nicht.
Ich habe dieses Buch aus dem Englischen übersetzt und dabei manches Mal Tränen in den Augen gehabt. Ich musste mehrfach den Schreibtisch verlassen, zu erschüttert, um weiter zu arbeiten. Aus der Schulzeit wusste ich noch ganz vage etwas von der Geschichte von 1500 bis 1600, aber dass in unserem Land Menschen gefoltert und getötet wurden, aus solchen Gründen, von rechtgläubigen Protestanten und Katholiken, die plötzlich einen gemeinsamen Feind hatten, war mir verborgen geblieben. Und was die Täufer wirklich wollten, wer sie wirklich waren, das hatte mir sowieso niemand beigebracht.
Das Buch hat ein katholisches und ein evangelisches Vorwort. Der katholische Theologe schreibt unter anderem:
Die katholische Kirche des 16. Jahrhunderts hat diese Täuferbewegung blutig verfolgt, im Zusammenspiel mit den Obrigkeiten fast vernichtet und schwere Blutschuld auf sich geladen. Die katholische Kirche des beginnenden 21. Jahrhunderts hat endlich die Begegnung gesucht, mit den Nachfahren dieser Täuferbewegung. Sie beginnt langsam zu entdecken, welche Erinnerungen noch zu heilen sind, welche Schuld abzutragen und welcher ökumenische Schatz noch zu heben ist.
Der evangelische Theologe erklärt in seinem Beitrag:
Als Christ in landeskirchlicher Tradition kann man diese Geschichte nur mit Entsetzen und voller Scham lesen. Besonders fassungslos hat mich gemacht, in diesem Erzählen zugleich die Stimme derer, die damals so grausam mundtot gemacht wurden, vielfältig und leicht verständlich vernehmen zu können: Warum hat man sie damals nicht gehört? Gewiss, ihre Stimme stiftet auch Unruhe, aber es ist eine heilsame Unruhe (Psalm 139, 21f).
Dies ist kein Buch für Menschen, die seichte Lektüre lieben. Es ist kein Buch für jemanden, der angenehm unterhalten werden will. Es ist auch kein Buch für Christen, die nicht gewillt sind, ihrem eigenen Leben und Denken einen Spiegel vorzuhalten.
Wer aber bereit ist, sich verstören und in der Gemütlichkeit der frommen Nischen stören zu lassen, dem sei das Buch nachdrücklich empfohlen. Es hat das Potenzial, zu zündeln, in den Gedanken des Lesers. Der dabei womöglich entstehende Brand wäre womöglich bedrohlich für den behaglichen Status Quo der Christenheit in mancher Nische.
Mein Fazit: Aufwühlend, aufklärend, radikal und raumgreifend im Kopf. Ein lesenswertes und gefährliches Buch.
Zu finden beispielsweise hier bei Amazon: Feuertaufe für die Freiheit. Das radikale Leben der Täufer - eine Provokation
Donnerstag, 22. Juli 2010
Spam der Woche: Qual der Wahl
Soll ich »mehr als 3.000 Euro« oder lieber »6000 Euro monatlich« verdienen wollen? Herr McNamurphy sagt ja nicht, ob Adrian das Geld pro Woche, pro Monat oder gar täglich verdient hat. Es könnte also das lukrativere Angebot sein.
Ansonsten wandelt BAUR.de jetzt offensichtlich Tchibos Spuren und befleißigt sie des schlechtestmöglichen Umganges mit Anglizismen, Herr Wyler hat eine miserable Spamverbreitungssoftware und redet mich mit »Gnter« an – aber das iPad für Senioren wäre doch mal was?
Dienstag, 20. Juli 2010
Rücktrittitis
In Deutschland grassiert die Rücktrittitis. Nicht nur in der CDU, auch in anderen Kreisen. Der eine hat keine Lust mehr, der andere keinen Grund. Aber es wird zurückgetreten, mit oder ohne Anlass – vom Amt. Nicht etwa im Streit mit dem Fuß.
Manche Aufgabe eines öffentlichen Amtes ist ehrenwert, manche zwangsläufig, manche gar erzwungen. Da gibt es dann handfeste Gründe wie schwere Krankheit, oder auch Schuld, Verfehlungen, Reue womöglich sogar … – aber bei manchen Menschen, vornehmlich Politikern, reicht offenbar immer öfter die mangelnde Lust am Job. Das Geld in der Tasche wird ja deshalb nicht weniger, in den meisten Fällen.
Nun ist natürlich fraglich, ob eine Änderung der Pensionen und Bezüge (Rücktritt = Einkommen futsch) eine gute Idee wäre. Dann würde mancher und manche lustlos und tatenlos im Amt bleiben, weil der Reichtum ja so angenehm ist. Tatenlose Politiker hingegen gibt es ja schon so genug. Und ideenlose.
Irgendwie fällt keinem so recht ein, wie die Staatsverschuldung eingedämmt werden kann –abgesehen von Kürzungen im sozialen Bereich, bei der Bildung, bei der Entwicklungshilfe …
Herr Köhler, der ohne ersichtlichen Grund nicht mehr mochte, behält lebenslang seine (nicht gerade unerheblichen) Bezüge als Bundespräsident. Braucht er die eigentlich noch als Schmerzensgeld? Immerhin meckert jetzt keiner aus dem politischen Gegenlager mehr an seinen Verlautbarungen herum. Er verlautbart ja nichts mehr.
Wenn ein normaler Mensch (also ein Arbeitnehmer) keine Lust mehr auf den Job hat, dann wird ihm sein Chef vermutlich auch das bisherige Entgelt weiter gewähren, bis zum seligen Ende. Oder wie war das mit der Gleichheit gemeint?
Montag, 19. Juli 2010
Sonntag, 18. Juli 2010
Christus in uns – gut versteckt?
Als ich vor einigen Jahren am Ende des Buches »Der Schwarm« von Frank Schätzing angekommen war, hatte ich 993 Seiten spannende Lektüre genossen. Auf den letzten sechs Seiten folgt der Erzählung ein Epilog, in dem der Autor überwiegend die Unverträglichkeit seiner Erzählung mit dem Christentum reflektiert. Es wird recht deutlich, warum Frank Schätzings Romangestalten keinem Glauben anhängen, der irgendwelche Relevanz für ihr Leben hätte, denn er lässt Samantha Crowe, eine der wenigen Überlebenden des gerade noch verhinderten Untergangs der menschlichen Rasse feststellen, dass sich Christentum, Islam und Judentum gleichermaßen als gescheitertes Menschenwerk entpuppen. Samantha Crowe macht sich symptomatische Gedanken:
Gott hat mit der Menschheit nicht gerade sein Meisterstück abgeliefert. Er hat gepatzt. Er hat nicht verhindern können, dass die Menschen sündig wurden, also sah Er sich gezwungen, Seinen Sohn zu opfern, um die Schuld zu tilgen. Eine Art Kredit in Blut. Welcher Vater tut so etwas leichten Herzens? Gott selber musste zu dem Schluss gelangt sein, dass Ihm die Menschheit misslungen war.
Nun stammt dies aus einem Roman, der als solcher zu verstehen ist. Und doch spiegelt sich im Epilog des Buches das Bild der Gemeinde Jesu Christi, wie es die Welt heute wahrnimmt.
Das Nachrichtenmagazin FOCUS widmete die Titelgeschichte der Weihnachtsausgabe 2006 dem Thema »Was nützt Religion?« Dabei stellen die Journalisten in einem Vergleich »Das Angebot der Weltreligionen« fest, dass nach dem Tod die Protestanten »auf die Auferstehung der Toten hoffen, von Hölle ist kaum noch die Rede.« Über die Katholiken heißt es:
Optionen: selige Gemeinschaft mit Gott im Himmel, ein vorangehender Aufenthalt im Fegefeuer oder die ewigen Qualen der Hölle.
Was weiß der FOCUS-Vergleich sonst noch über die Christen? Zum Beispiel:
In konservativen Gruppen wie etwa den Evangelikalen wird nicht geschlemmt. Sex ist bei den Katholiken prinzipiell erlaubt, aber Ehebruch ist eine Todsünde. Sex außerhalb der Ehe gilt als Unzucht, Selbstbefriedigung, gelebte Homosexualität, Verhütungsmittel sind verboten.
Den Protestanten bescheinigt die Studie, dass »… heute die meisten größeren Kirchen Sex als Gabe Gottes anerkennen.«
Interessant ist, dass der Weltreligionsvergleich den Glauben als eine Art Club betrachtet, dem man hier oder dort beitreten kann:
Wer einer Glaubensgemeinschaft beitreten will, sollte die Angebote auf seine persönliche Situation hin überprüfen. Heikle Punkte sind meist Speisevorschriften, der Umgang mit Sexualität und die Rolle der Frau. Wichtig ist auch, ob man die Religion als Amateur oder als Profi betreiben will. An letztere werden meist deutlich höhere Anforderungen gestellt.
Wir können uns, soweit wir uns als Christen verstehen, natürlich darüber empören, dass »die Welt« ein so schiefes und verzerrtes Gottesbild hat, so wenig beziehungsweise überhaupt nicht begreift, was das Evangelium eigentlich ist. Wir können uns kopfschüttelnd abwenden und im Kreis der Gläubigen unsere Urteile über Journalisten, Autoren, Künstler und Berichterstatter austauschen, die als Blinde die Farbe zu beschreiben sich aufmachen. Und dabei selbstverständlich scheitern.
Wir sollten uns jedoch womöglich eher darüber empören, dass wir »der Welt« solch ein Bild darbieten. Wer ist denn die Gemeinde, wenn nicht jeder von uns Gläubigen? Wen sehen denn die Menschen, wenn nicht uns im Alltag?
Sie sehen uns nicht im Rahmen des Gottesdienstes, den besuchen sie nämlich nicht. Sie sehen uns nicht bei der stillen Andacht im Kämmerlein, da schließen wir ja sorgfältig die Türe. Sie sehen uns nicht beim Austausch von frommen Phrasen und gelehrten Gesprächen über theologische Details, das tun wir ausschließlich unter uns. Sie lesen nicht die putzigen Bibelvers-Meldungen auf Facebook, Twitter und Co. – was vermutlich auch besser so ist.
Sie sehen uns im Alltag. In ihrem Alltag, ihrem Umfeld, genau da, wo wir mit ihnen zu tun haben. Sie sehen uns, aber sehen sie auch Christus in uns und durch uns? Oder haben wir ihn gut versteckt?
Sonst wäre es doch kaum vorstellbar, dass der Glaube so missverstanden – beziehungsweise überhaupt nicht verstanden – wird.
Samstag, 17. Juli 2010
Freitag, 16. Juli 2010
Der Garten des Teufels – Teil 4
So so, da will jemand das Ende lesen? Selbst schuld… – bittesehr.
Wer den Anfang verpasst hat: [Teil 1] --- [Teil 2] --- [Teil 3] .
Genug der Vorrede. Los geht es:
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Die Ernte
Sechs Monate waren seit dem ersten Traum von Peter vergangen. Renate betrachtete, was von der filigranen Blüte und dem zarten Stängel übriggeblieben war. Sie wagte kaum zu atmen, um dem Gewächs nicht noch mehr Schaden zuzufügen.
Endlich hatte sie heute ein Unterpfand mitbringen können aus dem Paradies, und dann hatte sie wohl im Schlaf darauf gelegen. Aber dennoch – die etwas zerdrückte Blume war noch immer von überirdischer Schönheit. Und vor allem – sie war hier. Im Diesseits. In ihrem Schlafzimmer, herübergebracht aus dem Traum. Oder träumte sie noch? Nein, entschied sie, sie war im Diesseits, im Hier und im Jetzt. Aus dem Radiowecker hörte sie aktuelle Nachrichten, neben dem Bett stand eine Plastikflasche mit Mineralwasser, und vor allem war Peter nicht hier. Also träumte sie nicht. Sie atmete tief den Duft der Blüte ein.
Renate legte das kostbare Unterpfand vorsichtig auf dem Nachttisch ab und schloss die Augen. Peter hatte ihr die Blume geschenkt. Sie wollte zurück zu Peter und konnte nicht. Es war sein Abschiedsgeschenk gewesen. Niemals wieder würde sie ihn sehen, fühlen, seine Küsse schmecken, niemals wieder seine lieb gewonnene Stimme hören. Und niemals würden ihre Leiber verschmelzen, denn das Später war ihr versperrt in diesem Leben.
Es sei denn, sie gab alles auf, was sie hatte, es sei denn, sie folgte ihm endgültig und nicht nur im Traum. Das Unterpfand, hatte er gesagt, sollte ihr Gewissheit geben, dass manchmal zwei Welten zu verschmelzen in der Lage waren, dass Peter wirklich auf sie wartete.
Das Licht der Morgensonne schien jetzt auf die Blüte. Renate musste mit ansehen, wie die Blume starb. Die Blütenblätter wurden dunkler, braun, dann schwarz, während sie ihre sanfte Geschmeidigkeit verloren, trocken und brüchig wie Jahrhunderte altes Pergament wurden. Die winzigen Blättchen am Stiel rollten sich ein und fielen vom Stängel ab, der Stil selbst verlor sein sattes Grün und wurde grau. Lebenskraft und Sonne vertrugen sich nicht. Es dauerte nur etwa zwei Minuten, dann genügte ein leichter Hauch, und nichts als Staub blieb auf dem Nachttisch zurück.
Staub, nichts als Staub würde auch von ihr zurückbleiben, aber was war schon dieses Leben als Tauschobjekt gegen eine Ewigkeit mit Peter? Sie hatte die Blume mitgebracht aus dem Paradies, sie hatte ein Unterpfand bekommen dafür, dass sie wirklich dort gewesen war. In dieser Nacht und in all den Nächten zuvor. Was in ihrem Verstand noch daran gezweifelt hatte, war nun überzeugt.
Renate stand auf. Es gab viel zu tun an diesem Tag. Sie zögerte und überlegte nicht mehr. Sie hatte sich entschieden.
Gewissenhaft führte sie die Anweisungen aus, die Peter ihr gegeben hatte, falls sie zu ihm kommen wollte. Das Buch des Pater Petrus Datura Suaveolens und das Verzeichnis mit den sechs mal sechs Gewächsen verstaute sie sorgfältig in dem Koffer, dazu sechs mal sechs Beutel mit jeweils sechs Samenkörnern. Sie hatte inzwischen dank der üppig gediehenen Pflanzen aus dem Garten des Teufels reichlich davon, aber es sollten jeweils sechs sein, keines weniger und keines mehr. Es mochten viele viele Jahre vergehen, bevor jemand diesen Koffer und seinen Inhalt sehen würde. Sie schloss ihn in einen feuer- und hitzebeständigen Metallkoffer ein, diesen wiederum in einen Kunststoffkoffer, luftdicht, wasserdicht, eine Errungenschaft der modernen Technik. Schließlich vergrub sie das Ganze zwei Meter tief unter ihrem Gewächshaus. Die Grube hatte sie bereits in den letzten Tagen ausgehoben, aber noch gezögert, bis sie an diesem Morgen ein Unterpfand in Händen gehabt hatte.
Das Erdreich war schnell aufgefüllt und mit einer Walze eingeebnet. Dann zog Renate gerade Furchen in das Rechteck, pflanzte junge Datura Suaveolens hinein, beschriftete das neue Beet ordentlich mit einem Steckschildchen und betrachtete zufrieden ihr Werk. Ein frisches Beet, mehr nicht.
Sie ging hinüber in den Anbau, verstaute sorgfältig die dort vorhandenen Gewächse in Holzkisten, lud sie in ihr Auto und fuhr los. Überall in der Stadt verteilte sie die Pflanzen aus dem Garten des Teufels. Auf Spielplätzen, in öffentlichen Parks, auf Brachflächen, in Kleingartenkolonien. Niemand wunderte sich oder sprach sie gar an. In ihrer grünen Gärtnerinnenkleidung, mit den Kisten voll Pflanzen und dem professionellen Werkzeug hielt man sie für beauftragt und befugt, ihrer Arbeit nachzugehen. Kein Mensch fragt ja auch den Mann, der die kleinen Steine in den Gehweg hämmert, ob er das denn dürfe.
Renate wusste, was sie tat. Sie wusste, dass sie mit den Pflanzen das Böse verteilte. Es ging um weit mehr als um Gifte oder Heilkräfte. Aber das war nicht ihre Sorge, und auf dieser Welt würde sie sowieso niemand mehr zur Rechenschaft ziehen können.
Am frühen Nachmittag war sie fertig. Sie fuhr noch einmal an ihrem Geschäft vorbei, es war ordentlich verschlossen, die Lichtschutzjalousien heruntergelassen. Vielleicht würde man am nächsten Tag einige Pflanzen dort herausholen und retten, vielleicht auch nicht. Sie hatte keine Erben, das Geld hatte sie in gleichen Teilen zwei Kinderhilfswerken vermacht. Ihr Steuer- und Finanzberater würde alles ordnungsgemäß abwickeln. Sie dachte an die Millionenbeträge und lächelte bei dem Gedanken, dass man ihr vermutlich ein Denkmal setzen würde.
Renate fuhr zurück zum Gewächshaus. Sie schlenderte durch die Reihen der Pflanzen, betrachtete liebevoll Abschied nehmend die Vielfalt der Gewächse. Dann schnitt sie die schönste der Ananasblüten ab, für Peter. Sie trat in den Anbau und vergewisserte sich, dass nichts aus dem Garten des Teufels hier zurückgeblieben war.
Neben dem Vorrat an Tongefäßen hatte sie eine Liege vorbereitet, Kissen und Decke bereitgelegt. Dort würde sie schlafen. Auf einem Tischchen stand das Getränk, das sie nach einem Rezept aus Pater Petrus Datura Suaveolens Buch bereitet hatte. Sie würde schnell und schmerzlos hinüberwechseln. Um 22:00 Uhr der Trunk, dann hatte sie noch etwa zehn Minuten ungetrübten Bewusstseins, in denen sie sich auf ihre Liege zur Ruhe begeben konnte. Um 22:15 spätestens würde sie bewusstlos und um 22:30 tot sein.
Für die Polizei würde es nach einem alltäglichen Selbstmord aussehen: Eine reiche, alleinstehende Floristin, des Lebens wohl überdrüssig, an ihrer Einsamkeit zugrunde gegangen, oder woran auch immer. Es war fraglich, ob das Gift analysiert werden konnte, aber das kümmerte Renate nicht. Nichts würde sie jemals mehr kümmern, ging sich doch zu ihrem Peter.
Renate sah ihn schon von weitem am Eingang seiner Villa stehen, den Kopf unter dem Hut gesenkt. Sie eilte ihm entgegen. Als sie zwei Schritte vor ihm war, hob er seine Augen. Renates Schrei des Entsetzens war im Diesseits nicht zu hören.
»Das muss ein sehr schreckliches Ende gewesen sein«, meinte der Gerichtsmediziner am nächsten Tag, als er in das verzerrte Gesicht der toten Floristin blickte. »Als hätte sie etwas Grauenhaftes gesehen oder gefühlt in ihren letzten Sekunden.«
Ein verliebter Jüngling zupfte verstohlen eine Blume aus einem Beet im Stadtpark. Niemand beobachtete ihn. Er war auf dem Weg zu seiner Freundin und fand, dass er nicht mit leeren Händen kommen sollte. Er hatte keine Ahnung, was für eine Blume das sein mochte, aber sie hatte ihn geradezu angelockt mit ihrer exotisch anmutenden Blüte. Und dieser Duft, den er einsog …
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Nachbemerkung? Och nö.