Freitag, 24. August 2012

Von Fach- und Hausärzten

Lag so auf dem Schreibtisch des Arztes herum.Heute war ich, nachdem ich es in den letzten Monaten mit lauter Fachärzten wie Onkologen, Gastroenterologen und beinahe einem weiteren Chirurgen zu tun hatte, mal wieder beim Hausarzt. Der verarztet ja bekanntlich keine Häuser, sondern auch Menschen, und ich war wegen der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung da.

Blutdruck messen, Ultraschalluntersuchung, Abtasten … was Ärzte eben so können, und dann ging es ans sogenannte Hautscreening. Auch dabei fand der Doktor nichts auf Anhieb alarmierendes, aber er erklärte mir angesichts einer einzigen zweifelhaften Stelle auf meiner Brust: »Das möchte ich gerne von einem Dermatologen überprüfen lassen, der hat die genaueren Instrumente. Es kommt nämlich vor, so absurd das auch klingt, dass die Chemotherapie einen Hautkrebs anstößt, und der Dermatologe kann mit seiner Ausrüstung auch unter die obersten Hautschichten schauen.«

Nun ja. Die Chemotherapie, die den einen Krebs bekämpft, als möglicher Auslöser für einen anderen, das ist mir nicht neu, denn dass Leukämie aufgrund solcher Behandlungen auftreten kann habe ich wie so vieles vor der Behandlung zur Kenntnis genommen und unterschrieben. Vom Hautkrebs war in den Unterlagen zwar nicht die Rede, aber ich vermute, dass mein Hausarzt schon weiß, wovon er redet.

Nun werde ich also demnächst einen weiteren Facharzt kennen lernen, denn beim Dermatologen war ich noch nie. Und wenn ich mir in einer Sache sicher bin, dann ist es diese: Lieber auf Nummer Sicher als leichtsinnig über vermeintliche Kleinigkeiten hinweggehen.

Im Übrigen meinte mein Hausarzt: »Soweit alles in Ordnung, die Laborwerte holen wir nächste Woche. Sie sind verdammt jung für einen Darmkrebs, aber leider nicht der einzige. Es wäre an der Zeit, dass die Politik sich endlich durchringt, die Altersgrenze für die Krebsvorsorge deutlich zu senken.«

Damit hat er recht. Wäre ich ein oder zwei Jahre früher in den Genuss einer Darmspiegelung gekommen, hätte man die Tumore beziehungsweise ihre Vorstufen rechtzeitig entfernen können, bevor Zwerchfell und Lymphgefäße befallen waren.

Im Grunde wäre, wenn ich mir so anschaue, was meine Behandlung bisher gekostet hat und noch kosten wird, die kostenlose Krebsvorsorge für alle Männer ab 50 Jahren sogar die preiswertete Lösung für die Krankenkassen.

Samstag, 18. August 2012

Zum Sonntag ein Gastbeitrag: Der Axtdieb.

sekyraEin Mann hatte seine Axt verloren und vermutete, dass der Sohn des Nachbarn sie ihm gestohlen habe. Er beobachtete ihn daher genau: Sein Gang, sein Blick war ganz der eines Axtdiebes. Alles, was er tat, sah nach einem Axtdieb aus.
Einige Tage später fand der Mann zufällig das Beil unter einem Bretterhaufen.
Am anderen Tag sah er den Sohn des Nachbarn: Sein Gang war nicht der eines Axtdiebes, auch sein Blick war nicht der eines Axtdiebes.

(nach Lao tse)

(Gab es schon mal auf diesem Blog ... aber im Fernsehen werden ja auch Filme wiederholt.)

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Mittwoch, 15. August 2012

Der fünfte Zyklus Chemotherapie …

… gestaltet sich unterschiedlich. Regelmäßige Leser wissen, dass der vierte Zyklus durch einen verunglückten Infusionsstart, zumindest was die Tabletteneinnahme betrifft, ersatzlos ausfallen musste. Mein Körper hatte (und hat noch immer) genug damit zu tun, gegen die Vergiftung des Gewebes im rechten Arm anzukämpfen.

Gott sei Dank war der Kampf drei Wochen nach dem Missgeschick bereits deutlich erfolgreicher, als es die Ärzte erwartet hatten, so dass heute vor einer Woche der fünfte Zyklus planmäßig begann und nun andauert. Der Arm ist noch immer leicht geschwollen, an einigen Stellen fühlt er sich taub an, beim Strecken gibt es Schmerzen irgendwo in den Unterarmmuskeln und hin und wieder zuckt und ziept es plötzlich im Arm, ohne erkennbaren Anlass. Nun ja. Mir wurde ärztlicherseits gesagt, dass man etwa zweieinhalb Monate nach der Infusion wird sagen oder verlässlich abschätzen können, ob und welche Schäden dauerhaft bleiben. Das wäre dann Anfang Oktober 2012 so weit.

Natürlich erfolgte die Infusion vergangene Woche in den linken Arm, und obwohl nichts von dem chemischen Gebräu daneben lief, schmerzt der Arm bis heute, das kannte ich bisher nicht in dem Ausmaß. Die Haut ist rings um die Injektionsstelle sehr berührungsempfindlich, das alles schwindet dieses Mal nur sehr sehr langsam. Ich vermute als Laie, dass es mit dem andauernden Kampf des Körpers gegen das Gift im rechten Arm zu tun hat.

Auch die Übelkeit schlug heftiger zu als zu Beginn der vergangenen Zyklen, ich brauchte wesentlich häufiger und länger meine MCP AL Tropfen, um dem Erbrechen entgegen zu wirken. Gestern endlich kehrte das Ausmaß an Übelkeit auf das seit Beginn der Chemotherapie gewohnte Maß zurück: ständig da, aber nicht so schlimm, dass sich mir beim Anblick von Speisen der Magen umzudrehen droht.

fortschritt Die Kälteempfindlichkeit kehrte mit der Infusion schlagartig zurück – stärker als zuvor. Dinge aus dem Kühlschrank holen geht auch heute, eine Woche später, nur mit Handschuhen. Ich habe auch, egal wie warm es ist und ob ich Socken trage oder nicht, ständig taube Zehen, sogar daran kann man sich gewöhnen, stelle ich fest. Besonders deutlich wurde mir der diesbezügliche Nervenschaden aber heute im Rahmen des Fitnessprogramms. Erstmalig seit dem Chemieunfall war ich wieder im Schwimmbecken. Innerhalb weniger Minuten im Wasser fühlte sich der rechte Arm deutlich kälter an als der Rest des Körpers, nach 15 Minuten Schwimmen empfand ich ihn dann als eisig. Da war der anschließende Aufenthalt in der Dampfsauna eine Wohltat.

Erfreulich fand ich, dass sich trotz Infusionspanne und verstärkten Nebenwirkungen meine Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit langsam aber stetig steigern. Das Bild zeigt oben die Leistung nach 30 Minuten Ergometertraining vom 21. Juli, unten von heute. Immerhin stieg die Durchschnittsleistung von 79 Watt auf 112 Watt – das ist für meine Verhältnisse eine deutliche Verbesserung, über die ich mich freue. Es muss ja auch solche kleinen Mutmacher-Erlebnisse geben.

Erfreuliches gab es ja noch mehr in den letzten Tagen. Ich konnte am Samstag mithilfe meiner Tropfen und zusätzlicher Anti-Kotz-Tabletten recht unbeschwert an der Einschulung eines Enkels sowie an einem Sommerfest teilnehmen und dort sogar wie geplant als Moderator mitwirken. Ich konnte am Sonntag mit der besten aller Ehefrauen eine 20-Kilometer-Radtour unternehmen, die mir deutlich gut getan hat. Als wir losfuhren, musste ich mich fast auf das Fahrrad zwingen … und dann ging es mit dem Befinden bergauf, je länger wir unterwegs waren. Ich konnte letzte Woche nach dem Auftakt zum Zyklus 5 mein sportliches Programm – mit Einschränkungen, aber immerhin! – durchführen.

So ist es eigentlich immer, wenn mir so nach gar nichts zumute ist, außer in der dunklen Ecke rumliegen und leiden: Aufraffen, etwas unternehmen und sich dann staunend darüber freuen, wie gut das tut.

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Montag, 13. August 2012

Am Samstag kam Johnny Cash …

… zwar nicht persönlich nach Berlin, aber Bandana hat seine Musik begeisternd zu Gehör gebracht. Bilder vom Sommerfest im Garten der Johannesgemeinde Berlin Steglitz gibt es hier:

[Fotoalbum Sommerfest 2012]

Herunterladen zum persönlichen Gebrauch: Gerne!
Herunterladen für kommerzielle Zwecke: Bitte Genehmigung einholen – es ist eine höhere Auflösung verfügbar.

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Donnerstag, 9. August 2012

Am Samstag kommt Johnny Cash …

… zwar nicht persönlich nach Berlin, er wohnt ja bereits in der Ewigkeit, aber seine Musik wird zu Gehör gebracht von Bandana, der wohl renommiertesten Johnny Cash Tribute Band in diesem unserem Lande.

Wer mag, darf das miterleben. Der Eintritt ist frei, Kuchen, Gegrilltes, die selten zu findenden Kartoffeltornados und Getränke werden zugunsten eines Projektes Hilfe zur Selbsthilfe in Swasiland verkauft.

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Das Wetter wird, so sagen die Meteorologen es voraus, genau das richtige sein, um im Garten (Eingang neben dem Gesundheitszentrum) zu feien. Also auf geht’s in die Wrangelstraße in Berlin Steglitz. Wer das verpasst, hat was verpasst.

P.S.: Selbstverständlich sind die beste aller Ehefrauen und meine Wenigkeit mit dabei, soweit mir die Chemotherapie keinen Strich durch die Rechnung macht. Aber mit dem Strich rechne ich nicht, sondern mit einem schönen Nachmittag mit hervorragender Musik. Wer mich noch nicht persönlich kennt und ansprechen möchte: Ich bin der mit dem Hut. :-)

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Montag, 6. August 2012

Die Nicht-Nachrichten

Wenn eine Nachricht darin besteht, dass es keine erwähnenswerten Nachrichten gibt, dann ist das manchmal eine gute Nachricht. Allerdings ist dann immer noch die Frage offen, was denn erwähnenswert wäre und was nicht. Man kann ja auch mal kleine gute Beobachtungen erwähnen, es muss und soll ja nicht immer Sensationelles passieren.

Seit dem letzten Bericht bezüglich meines bei der Infusion verunglückten Armes hat sich in kleinen Schritten der Zustand weiter gebessert, es gibt noch Stellen, die bei Druck oder bestimmten Bewegungen schmerzen, aber alles in allem ist der Arm so gut wie alltagstauglich. Die Haut ist noch in einigen Bereichen ein wenig taub, aber Gott sei dank nicht gefühllos – das würde auf abgestorbenes Gewebe oder Zellen hindeuten und wäre gar nicht gut.

Dass meine Chemotherapie nun eine Zwangspause macht, hat durchaus (neben der leider in Kauf zu nehmenden Einbuße an erhoffter Krebsbekämpfung) auch seine positiven Auswirkungen: Ich bin seit ein paar Tagen fast rund um die Uhr frei von der Übelkeit, die seit Beginn der Chemotherapie meine ständige Begleiterin war. Ich habe mich selbst damit überrascht, dass ich gelegentlich Appetit auf etwas habe … einfach so.

Auch die Kälteüberempfindlichkeit ist deutlich zurückgegangen, ich kann Dinge aus dem Kühlschrank holen, ohne vorher Handschuhe anzuziehen und kalte Getränke kann ich tatsächlich trinken, ohne sie vor dem Schlucken im Mund anzuwärmen.

Das Fatigue-Syndrom scheint dagegen nicht an Stärke einzubüßen, vielleicht dauert das eben länger als ein paar Wochen?

Ergometer-Resultat vom Sonntag, dem 5. August. Weitere Nicht-Nachrichten wären noch, dass beim Sport meine Leistungsfähigkeit langsam aber stetig zunimmt, was ja ein Zeichen dafür ist, dass der Körper nach und nach die verloren gegangene Muskelmasse wieder aufzubauen in der Lage ist.

Das Nachlassen der Nebenwirkungen ist natürlich flüchtig, wenn, wie vorgesehen, am kommenden Mittwoch die Chemotherapie mit dem fünften Zyklus weiter geht. Ob das der Fall sein wird, erfahre ich am Dienstag anlässlich einer medizinischen Begutachtung aus ärztlichem Mund.

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Freitag, 3. August 2012

Insofern bin ich käuflich …

… als man meine Bücher zu erwerben nach wie vor ohne große Umstände in der Lage ist.

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Dienstag, 31. Juli 2012

Deutlich besser, noch nicht gut.

Seit meinem letzten Bericht hier sind schon wieder 11 Tage vergangen … eigentlich wollte ich ja etwas regelmäßiger meine Leser teilnehmen lassen an meinem Ergehen. Nun ja – vielleicht gelingt das ja auch wieder.

Foto von heute, 31. Juli 2012 Die gute Nachricht: Mein Arm schwillt nach und nach ab, die Schmerzen sind so gut wie völlig verschwunden, lediglich das starke Beugen oder vollständige Ausstrecken des Arms ist noch schmerzhaft und wird von mir deshalb gemieden. Aber ich kann fast alle alltäglichen Verrichtungen, zu denen so ein Arm samt Hand am Ende in der Regel tauglich ist, wieder ausüben.

Die Ärztin war bei der Begutachtung in der vergangenen Woche ganz zufrieden damit, wie mein Körper gegen die Vergiftung vom Mittwoch kämpft. Bisher offensichtlich siegreich. Ich brauche aber, sagte sie, noch viel Geduld, erst in etwa zwei Monaten wird man sehen können, ob und welche bleibenden Schäden am Arm vorhanden sein werden.

Einstweilen herrscht weiter Kühlverbot (also ist auch kein Schwimmen nach dem Sport und vor der Sauna erlaubt) und es bleibt dabei, dass Chemo-Tabletten tabu sind. Dieser vierte Zyklus meiner Chemotherapie fällt also ersatzlos aus. Das führt inzwischen dazu, dass meine ansonsten permanent vorhandene Übelkeit deutlich weniger bemerkbar ist und dass die Kälteempfindlichkeit zu schwinden beginnt. Ich kann ohne Handschuhe Gegenstände aus dem Kühlschrank nehmen … ein schon ganz ungewohntes Erlebnis!

Ich darf damit rechnen, dass die Schmerzen und die Schwellung ganz langsam, eben innerhalb von zwei Monaten, verschwinden. Immerhin. Und ich darf hoffen, dass die erhoffte Wirksamkeit der ganzen Chemotherapie durch diesen ausfallenden Zyklus nicht nachhaltig beschädigt ist, sondern dass aus der ärztlicherseits genannten »Option Heilung« eine Realität wird und sich auch langfristig kein Krebs mehr entwickelt.

Dass ich jetzt den Arm schon fast wieder wie vor dem Chemie-Unfall gebrauchen kann, verdanke ich nicht eigenem Bemühen oder unerklärlichen Kräften, die da am Werk sind, sondern den vielen und anhaltenden Gebeten und der anteilnehmenden Begleitung durch Familie und sehr viele gute Freunde, die via Facebook und Blog und (auch das gibt es noch im Jahr 2012!) persönliche Kontakte mit uns durch diese Monate gehen.

Ich danke euch allen und dem Schöpfer, der so offensichtlich auf die vorgetragenen Bitten reagiert.

Freitag, 20. Juli 2012

Unterbrochene Chemotherapie

»Unter Abwägung aller Risiken muss man sich in einem solchen Moment der Vernunft gehorchend für die Lösung entscheiden, die voraussichtlich am wenigsten Schaden anrichtet.«

So ungefähr lässt sich das Resümee des ausführlichen Gespräches mit der Onkologin von heute kurz zusammengefasst formulieren.

image Der »solche Moment« ist die Tatsache, dass das am Mittwoch ins Gewebe statt ins Blutgefäß gelangte Oxaliplatin Schaden angerichtet hat, mit dem der Körper jetzt erst einmal zurechtzukommen sich bemüht. »Die Schmerzen«, erklärte mir die Ärztin, »werden Sie wohl noch zwei Wochen aushalten müssen, es gibt nun einmal leider kein einziges Gegenmittel. Es sollte langsam immer etwas besser werden, aber mit zwei Wochen müssen Sie rechnen. Zumindest sieht es jetzt, 48 Stunden nach dem Vorfall, so aus, als wären keine chirurgischen Maßnahmen notwendig.«

Der rechte Arm ist nach wie vor geschwollen, im Vergleich zum Mittwoch zwar unwesentlich, aber weg ist die Schwellung nicht. Unter der Haut tut es weh wie bei einem starken Muskelkater und die Haut selbst ist so berührungsempfindlich, dass ich lieber friere als einen Pullover oder ein langärmeliges Hemd zu tragen. Immerhin konnte ich heute früh nach dem Duschen den Arm behutsam trockentupfen, an ein Trockenreiben mit dem Handtuch wäre jedoch nicht zu denken.

Die Chemotherapie muss nun, um dem Körper zu helfen, pausieren und erst am 8. August zum fünften Zyklus wieder aufgenommen werden. Das Medikament Xeloda, mit dem ich es eigentlich jetzt zu tun hätte, könnte – und da sind wir bei der Abwägung der Risiken – zu einer Verschlimmerung der Vergiftung im Arm führen. Im schlimmsten denkbaren Fall (der unwahrscheinlich aber nicht ausgeschlossen wäre) endet das mit dem Verlust des Unterarmes. Damit verglichen ist die Einbuße an der Wirksamkeit der Chemotherapie von einigen gedanklichen Prozentpunkten eine Tatsache, mit der ich lieber lebe als ohne rechten (oder durch chirurgische Entfernung von Muskelgewebe verunstalteten und funktionsberaubten) Unterarm.

Es könnte – könnte – natürlich auch alles gut gehen: Xerloda einnehmen und den Arm trotzdem behalten … könnte. Das weiß aber kein Arzt im voraus zu sagen und das will ich nun beim besten Willen und trotz meines Ja zur Chemotherapie nicht riskieren.

Positive Seiten hat die Sache sogar auch: Darm und Magen bekommen drei Wochen Zeit, sich ein wenig von dem chemischen Dauerangriff zu erholen und zu regenerieren. In den drei Wochen kann der Körper sogar wieder ein paar wenige Blutkörperchen produzieren, die dem momentan ausgeschalteten Immunsystem einen kleinen Auftrieb geben. Bis zur nächsten Infusion zumindest.

Ob der geschädigte Arm sich vollständig wieder erholt oder ob gewisse Schäden zurückbleiben, konnte mir die Ärztin nicht sagen, das bleibt wie so vieles abzuwarten. Es hängt eben davon ab, was mein Organismus an Widerstandskraft zu leisten im Stande sein wird. Was ich dazu tun kann, wurde mir auch gesagt: Nicht einigeln, aber bei aller Aktivität (Sport zum Beispiel) besonders aufmerksam auf Signale des Körpers achten. Den Arm schonen, aber auch nicht total auf seinen Gebrauch verzichten. Und, das hörte ich nun heute zum vierten oder fünften Mal: »Auf gar keinen Fall kühlen!«

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Donnerstag, 19. Juli 2012

Fehlstart in den Zyklus 4

Wenn Zytostatika neben dem Blutgefäß ins Gewebe laufen, kann es zu schweren Hautschäden mit nachfolgendem Absterben des Gewebes (Gewebsnekrose), störender Narbenbildung oder Minderdurchblutung des Unterarmes kommen.

So steht es eher nüchtern in den Unterlagen über Risiken und Nebenwirkungen der Chemotherapie, deren Kenntnisnahme ich vor Beginn der Behandlung unterschrieben habe. Als gestern das Infusionsgerät signalisierte, dass die Flüssigkeit restlos in meinen Körper transportiert worden war, ahnte ich noch nichts. Das lag daran, dass ich es einerseits seit dem ersten Zyklus gewohnt bin, dass die Infusionsgegend nach ein paar Stunden weh tut und dass ich andererseits gelesen habe, anstatt ständig meinen Arm zu beobachten.

Als die Arzthelferin kam, um die Nadel zu entfernen, fiel mir zuerst ihr erschrockenes Gesicht auf, noch bevor sie etwas sagen konnte. Sie meinte: »Tut das sehr weh? Das ist ja grausam geschwollen. Ich hole mal einen Arzt.« Es ist ein Vorteil, dass in der onkologischen Schwerpunktpraxis am Oskar-Helene-Heim fünf Onkologen arbeiten, denn mein behandelnder Arzt ist zur Zeit im Urlaub, eine Kollegin war jedoch in Minutenschnelle bei mir. Sie sah sich die Bescherung an, entschuldigte sich kurz, um in der Fachliteratur nachzulesen, was zu tun sei … und dann kam sie ziemlich bedrückt zurück.
Das obige Zitat, Anfang Mai gelesen und unterschrieben, hatte ich natürlich nicht mehr im Kopf, insofern war ich wohl der am wenigsten besorgte Mensch von uns dreien, Arzthelferin, Ärztin und ich.

»Es gibt leider«, sagte die Onkologin, »kein Gegenmittel beim Oxaliplatin. Wir können jetzt überhaupt gar nichts tun.« Sie wandte sich zur bleichen Arzthelferin: »Konnten sie noch etwas wieder herausdrücken?« »Nein«, erwiderte die junge Frau wahrheitsgemäß, »das habe ich gar nicht versucht.« Die Ärztin versuchte, meinem Arm durch Druck noch ein Paar Tropfen wieder zu entlocken, aber vergeblich. Der Effekt beschränkte sich auf rasende Schmerzen, die mir die Tränen in die Augen trieben.

circa 2 Stunden nach der Infusion »Sie dürfen auf gar keinen Fall kühlen. Wir legen jetzt einen leichten Verband an, damit die Haut ein wenig gegen Berührung geschützt ist, wenn der Arm aber weiter anschwillt und der Verband den Blutfluss abdrückt, müssen Sie ihn entfernen. Auf gar keinen Fall dürfen Sie kühlen. Versuchen Sie, den Arm möglichst ständig hoch zu lagern, wenig zu bewegen … und was immer Sie tun, kühlen dürfen Sie nicht.«

Das dreimalige Kühlverbot hatte ich begriffen. »Und nehme ich jetzt wie vorgesehen die Xelox-Tabletten nach dem Behandlungsschema?«

»Nein, auf keinen Fall. Xelox greift ja wie Sie wissen unter anderem die Haut an, und das wäre nun etwas, was wir nicht noch zusätzlich brauchen können. Setzen Sie die Tabletten aus, ich will Sie und ihren Arm spätestens übermorgen hier sehen, dann können wir entscheiden, ob es ein verkürzter Zyklus wird. Wenn die Schwellung noch erheblich zunimmt, wenn die Haut aufplatzt, wenn Sie Fieber bekommen, wenn die Schmerzen unerträglich werden, dann begeben Sie sich bitte unverzüglich in die Notaufnahme des Behring-Krankenhauses. Dort gibt es einen Gefäß- und Hautchirurgen, der auf solche Schäden spezialisiert ist. Ansonsten stellen Sie sich bitte am Freitag hier vor, und bitte versuchen Sie nicht, den Arm zu kühlen. Mir bleibt jetzt nichts, als Ihnen und uns alles Gute zu wünschen, zu hoffen, dass die Schwellung zurück geht und die Schmerzen nachlassen. Das kann dauern, aber es ist auch nicht ausgeschlossen.«

Erst zu Hause, nachdem ich mir die Risiken und Nebenwirkungen noch einmal durchgelesen hatte, begann ich dann, den möglichen Schaden zu begreifen. Schwere Hautschäden mit absterbendem Gewebe … chirurgische Entfernung des Gewebes … keine schönen Aussichten, wirklich nicht. Und die Schuldfrage? Hätte das Personal besser (beziehungsweise überhaupt) die Infusion während der dreieinhalb Stunden überwachen müssen? Hätte ich darauf achten müssen oder können, dass die Nadel nicht verrutscht, ob der Arm anschwillt? Eine müßige Frage, wenn der Schaden erst einmal eingetreten ist. Höchstens für die nächsten Infusionen wäre es wohl wichtig, sowohl die Arzthelferinnen regelmäßig um Begutachtung zu bitten als auch selbst den Arm kritisch zu beobachten.

Der Rest des Tages war ein sehr schmerzhafter, selbst wenn der Arm unbeweglich auf einem Kissen ruhte, tat er ringsherum weh, und jede Bewegung verursachte höllische Schmerzen, am schlimmsten war alles, was die Haut berührte, und sei es auch nur eine leichte Decke gewesen, die ich über mich legte, weil ich mehr und mehr fror. Inzwischen waren unsere Freunde und Verwandten via Facebook informiert und schickten je nach ihren Überzeugungen Gebete zum Himmel, gute Wünsche und positive Gedanken auf den Weg zu uns – es war wieder kostbar für mich, zu wissen, dass wir nicht alleine mit der Situation dastanden. Mein eigenes Gebet hörte sich ungefähr so an: »Ich bin mir sicher, Vater im Himmel, dass es für meinen Schöpfer kein sonderliches Problem darstellt, jetzt heilend einzugreifen. Ob das geschieht, weiß ich nicht, aber ich will dich herzlich bitten: Das Gift soll aus dem Gewebe, wo es nicht hin gehört, entweichen und dabei keine bleibenden Schäden an der Haut oder darunter verursachen. Die Schmerzen, da wäre ich sehr dankbar, sollten nicht noch schlimmer, sondern eher weniger werden. Falls du das Gebet erhören kannst und willst, bedanke ich mich sehr herzlich; falls nicht, dann hilf mir durch die Folgen des Infusionsunfalls hindurch.«

Als gegen 18 Uhr mein Chef zu Besuch kam, war das eine willkommene Ablenkung und Abwechslung für mich. Seit meiner Einlieferung ins Krankenhaus im März hatten wir zwar telefoniert und E-Mails geschrieben, aber gesehen hatten wir uns nicht. Ich freute mich sehr, dass er endlich zu Besuch kommen konnte. Die beste aller Ehefrauen hatte zwei Brote gebacken und Obatzda zubereitet sowie andere Leckereien, so dass der Besucher nach dem langen Bürotag zum Bierchen auch ein paar Bissen zu sich nehmen konnte, was er auch mit Freude tat, während ich diese und jene Neuigkeiten aus der Firma erfuhr. Wir plauderten natürlich auch über andere Dinge … Eva und ich freuten uns beide über die Zeit mit unserem Gast.

Am Abend beim zu Bett gehen sah der Arm eigentlich kaum dünner aus, und wenn ja, dann war da eher der Wunsch der Vater des Gedanken. Den Verband schnitt die beste aller Ehefrauen mir vom Arm, weil ich es nicht riskieren wollte, dass er womöglich im Schlaf einen Blutstau verursachte. Die Nacht war dann mit eher wenig Schlaf versehen, meistens wusste ich nicht recht, wie ich den Arm noch lagern sollte, um möglichst wenig Schmerzen zu verursachen … und weitere Tabletten gegen die Pein wollte ich nicht mehr nehmen. Es pulsierte ziemlich im Arm, was ich einstweilen als gutes Zeichen verbuchte. Als ich nachts gegen zwei Uhr die Toilette aufsuchte, war deutlich sichtbar, dass die Schwellung zurückging. Der Arm war noch nicht wieder wie vorher, aber die Besserung war nicht zu übersehen.

Heute Morgen, 8:30 Uhr Heute Morgen dann konnte ich erfreut sehen, dass kaum noch etwas an den Zustand von gestern erinnert. Der Arm ist nur noch ganz leicht geschwollen, die Haut zeigt zumindest optisch keine Veränderungen abgesehen von einer ganz leichten Rötung. Die Schmerzen sind kaum besser, aber diesbezüglich kann ich mich schon in Geduld üben und da ich ein in der Kindheit umerzogener Linkshänder bin, ist der Alltag auch quasi einarmig zu bewältigen.

Ich bin nun zuversichtlich, dass ich nach dem Arztbesuch morgen gute Nachrichten vermelden kann, dass die Chemotherapie (die ja in ihrer erhofften Wirksamkeit an gewisse zeitliche Abstände zur Operation gebunden ist) wie geplant weiter gehen kann und dass die Schmerzen wie die Schwellung möglichst bald das Weite suchen.

Und allen, die uns mit ihren guten Wünschen, Gebeten, poitiven Gedanken und ihrer Anteilnahme begleiten, will ich an dieser Stelle wieder einmal genz herzlich und aufrichtig danken. Das ist nicht selbstverständlich und es ist uns beiden ein kostbares Privileg, dass so viele Menschen mit uns sind.

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