Donnerstag, 29. August 2013

Die Zeit, ja ja, die Zeit

Ich weiß. Früher war auf dem Blog hier mehr los. Oder öfter ein neuer Beitrag zu finden, wie man es auch nehmen mag.
Zur Zeit ist es aber nun einmal so, dass mir neben der 40-Stunden-Woche, der freiberuflichen Nebentätigkeit und den gelegentlichen pro-bono-Aufgaben die verbleibende Freizeit eher nicht mit dem Schreiben und Fabulieren zu füllen die Neigung bleibt.
Aber ab und zu werde ich auch künftig hier berichten, wie es mir geht, was ich so treibe und ob die Welt sich weiter dreht.
So. Nun wissen wir alle bescheid.

Freitag, 12. Juli 2013

Vom Leben und vom Sterben

Das größte aller Übel ist, aus der Zahl der Lebenden zu scheiden, ehe man stirbt. -Seneca, Vom glückseligen Leben

Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand von uns nicht stirbt, ist sehr gering. Ich kenne Fälle, in denen jemand statt zu sterben auf wundersame Weise an einen unerforschlichen Ort entrückt wurde, nur vom Lesen entsprechender Texte oder aus Science-Fiction Filmen. Die Chancen, liebe Blogbesucher, dass wir unser irdisches Dasein nicht mit dem Tod beenden, sind gleich Null.

KerzeSterben werden wir. Wie und wann, das ist uns in der Regel unbekannt. Und wir wollen es, zumindest die meisten Menschen, auch gar nicht wissen. Wir haben womöglich Wünsche, wie unser Abgang aussehen sollte, denken aber lieber nicht allzu viel darüber nach.
Durch die Krebsdiagnose hat sich das bei mir geändert. Die eigene Sterblichkeit ist mehr ins Bewusstsein gerückt als zuvor. Ich habe zwar immer noch meine Lieblingsvorstellung, was meinen Abgang betrifft, ein Flugzeugabsturz, von dem ich schlafend gar nichts mitbekomme zum Beispiel. Gerne auch ohne Flugzeug und Unfall, aber jedenfalls im Schlaf, wäre mir recht. Oder ein gewaltiges Ka-Wumm für uns alle, zum Beispiel ein Weltuntergang meinetwegen um 13:42 an einem Mittwoch - eben noch am Schreibtisch, jetzt schon im Jenseits. Ohne wochen- oder monatelanges Siechtum unter Schmerzen. Ohne ängstliche Überlegungen bezüglich dessen, was »danach« sein oder nicht sein mag. Aber ich weiß, dass solche Wünsche nicht in Erfüllung gehen müssen.

»Wie stirbt man an Krebs? Sind die Schmerzmittel stark genug, um das Lebensende erträglich zu machen? Bleibt das Bewusstsein ungetrübt, so dass man sich von geliebten Menschen verabschieden kann? Wird man zum Pflegefall, kann nicht mehr aufstehen, sich nicht mehr waschen, nicht mehr zur Toilette gehen, so dass der Tod letztendlich zur ersehnten Erlösung wird? Wenn ich nicht am Krebs sterben werde, woran dann? Wie viele Monate oder Jahre bleiben mir noch?«

Solche und ähnliche Überlegungen wandern mir durch den Kopf. Nicht ständig, nicht einmal häufig, aber ab und zu tauchen sie wie aus dem Nichts auf. Ohne erkennbaren Anlass für ausgerechnet den Moment.

Was tun nun mit solchen Gedanken? Verhindern kann ich sie sowieso nicht, also kann ich sie auch gleich bewusst zur Kenntnis nehmen und mir selbst die Antwort geben, die auf alle derartigen Überlegungen stimmt: Ich weiß es nicht. Alles Grübeln würde keine Erkenntnis bringen, also lasse ich solche Gedanken zu und gestehe mir dann schlicht und einfach ein: Ich weiß es nicht. Punktum.

Würde ich überhaupt Details wissen wollen? Ja, unbedingt, wenn ich sicher sein könnte, dass mein Tod ein angenehmer und noch weit entfernter sein wird. Aber genau das kann ich nicht wissen und mit dem Glauben bin ich aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre, die so manche Erkenntnis mit sich brachten, realistischer und zurückhaltender geworden als ich einst war.

Sicher weiß ich nur eins: Ich kann das Leben bewusst genießen, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Dazu muss nicht rund um die Uhr eitel Sonnenschein herrschen - es kann auch dunkel werden bis zum nächsten Morgen. Es gehört zum Leben dazu, dass hier etwas oder jemand weh tut und dort manches anders läuft als gewollt oder geplant. Dass einiges gar nicht und anderes hervorragend klappt.

Was letztendlich wirklich zählt ist das Leben selbst. Und das nehme ich Tag für Tag gerne und dankbar entgegen. So lange es währt. 

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Donnerstag, 20. Juni 2013

Stephen King–Joyland

Da ist ihm wieder einmal etwas ganz Besonderes gelungen, dem Stephen King. Der Verlag Hard Case Crime, in dem dieses Buch erschienen ist, steht eigentlich als Synonym für Krimis, aber »Joyland« ist kein Krimi. Kein klassischer Krimi jedenfalls. Es ist ein warmherzig geschriebener Roman über das Erwachsenwerden, es ist aber auch die Geschichte vom Sterben eines Kindes, vom Abschied nehmen. Und die Geschichte des ersten großen Liebeskummers. Und die Geschichte der Tochter eines gefeierten TV-Evangelisten im weißen Anzug. Und, ach ja, sogar ein Kriminalfall wird gelöst. Und … und … und …

»Joyland« schlägt uns das Buch des Lebens auf und lässt uns für ein paar Stunden teilhaben am Schicksal des jungen Devin Jones und seines ganz besonderen Sommers.
Der Autor nimmt uns mit in das Jahr 1973 nach South Carolina. Mobile Telefone gibt es genauso wenig wie Computer. Statt dessen liest man noch Bücher (Tolkien), hört Schallplatten (The Doors, Pink Floyd) und man schreibt noch Briefe.

I shrugged, the way you do when it's small shit but annoying shit, all the same. "Girlfriend broke up with me. Sent me a Dear John letter."
"Which in your case," Tom said, "would be a Dear Dev letter."

imageDevin hofft, dass ihm der Sommerjob im Vergnügungspark helfen kann, die erste große, mit dem Dear Dev Letter endgültig zerstörte Liebe zu vergessen. Er hat natürlich keine Ahnung, dass ihm das Schicksal ein sterbendes Kind in den Weg stellt, Mike, den Enkel eines berühmten Fernsehpredigers und -evangelisten. Der hat so seine Ansichten:

“He said that God punishes the unbeliever and the sinner. He said his daughter was no different, and maybe her son’s affliction would bring her back to God.”
“I don’t think it’s happened yet,” I said. I was thinking of the Jesus-kite.
“I can’t understand why people use religion to hurt each other when there is already so much pain in the world,” Mrs. Shoplaw said. “Religion is supposed to comfort!”

Der Evangelist ist in seinem engstirnigen Höllenfeuerwahn und moralischen Anspruchsdenken (das sich auf die eigene Lebensführung nicht erstrecken muss) übrigens nicht etwa überzeichnet. Solche Prediger treten tatsächlich auf – nicht nur in Amerika.

Mike, sein sterbender Enkel, hat das, was fromme Leute als »prophetische Gabe« bezeichnen würden, und deshalb kann er gegen Ende des Buches - halt! Mehr wird jetzt aber nicht verraten! Ich will ja nun wirklich niemandem mit meiner Rezension die Spannung verderben.

Stephen King ist ein großartiger Erzähler, dem es auch in diesem Buch wieder gelingt, den Leser mit den ersten Zeilen so zu fesseln, dass die Versuchung nahe liegt, die wirkliche Welt auszublenden und nur noch in »Joyland« zu verweilen, bis die letzte Seite der Lektüre (viel zu schnell, wie meist!) erreicht ist.

Sprachlich - etwas anderes erwartet man ja auch nicht bei Stephen King - ist der Roman ausgefeilt und phantasievoll, bis in die kleinsten Details. Ob und wie das in deutscher Übersetzung zutreffen mag, kann ich nicht beurteilen, da ich das Original gelesen habe. Ich kann mir jedenfalls nicht recht vorstellen, dass die Feinheiten und Raffinessen beim Spiel mit Worten in einer anderen Sprache als in Englisch funktionieren.

Mein Fazit: Wer einen fesselnden, mit viel Liebe erzählten und an keiner Stelle auch nur annähernd zähflüssigen Roman zu schätzen weiß, der macht mit dem Kauf dieses Buches nichts verkehrt.

Zu haben unter anderem bei Amazon: Joyland (Hard Case Crime) bei Amazon.de

Freitag, 14. Juni 2013

Frau Schlonske und die ewige Heimat

… Hat der Wowereit, die olle Stinksocke, ooch nur eenen Pfennich einjebüßt? Oder der andere Kerl, dit Buttermilchjesicht aus Brandenburg, Patzich oder wie der heeßt? Nee, nee, nee! …

Eine neue Kurzgeschichte aus meiner Feder gibt es bei »oora« zu lesen. Zum Lesen klicke man auf das Titelbild der Zeitschrift. Bitteschön und viel Vergnügen!

Sonntag, 2. Juni 2013

Herzlichen Dank!

Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die mich anlässlich des Joggathon 2013 unterstützt, angefeuert und ermutigt haben und natürlich bei meinen Sponsoren – so konnte ich mit meinen 9 Runden 135,00 Euro zum guten Zweck beitragen.

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Vor dem Startschuss waren wir (neben mir mein Freund und Mitläufer und Ermutiger Jens) noch schön trocken.

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Beim Warten auf den Startschuss wurde es ziemlich schnell ziemlich kühl … aber Sam hat mich bestens beschirmt!

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Nach der dritten Runde schon durch und durch nass – da darf auch ein Schlückchen Wasser das Innere erfrischen.

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Die sechste Runde wird eingeläutet – inzwischen ist uns richtig schön warm geworden, trotz widriger Witterung.

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Geschafft! Eine liebevolle Umarmung von der besten aller Ehefrauen zur Belohnung ist herzlich willkommen!

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Na bitte. Da steht es schwarz und blau auf hellgelb: Neun Runden gelaufen! Also, wie eingangs gesagt: Ganz herzlichen Dank euch allen!

Montag, 27. Mai 2013

Alte Fischerhütte am Schlachtensee–bye bye

Im Lauf der Jahre entwickelt wohl jedermann persönliche und familiäre Traditionen. In unserem Fall gehört unter anderem eine festliche Mahlzeit in einem gepflegten Restaurant zum Hochzeitstag. Das wird sich auch nicht ändern, aber die Alte Fischerhütte am Schlachtensee, in der wir seit Jahren (nicht nur am 5. Mai) gerne zu Gast waren, werden wir in Zukunft nicht mehr aufsuchen.

Warum? Weil es die Verantwortlichen noch nicht einmal für notwendig halten, einem verärgerten Kunden auch nur zu antworten. Fehler können passieren, jedem Menschen, Bedienung und Restaurantmanager eingeschlossen. Aber hinterher noch nicht einmal ein paar Zeilen als Entschuldigung zu schicken … das zeigt deutlich, dass die Alte Fischerhütte am Schlachtensee wohl eine solche Goldgrube ist, dass es auf ein paar Kunden mehr oder weniger nicht ankommt.

imageEs war einmal so, dass man herzlich willkommen geheißen und zum reservierten Tisch geführt wurde. Kurz darauf brachte ein Kellner oder eine Servierdame ein Körbchen mit frischen Brotscheiben, dazu wurden hausgemachtes Schmalz und Kräuterbutter in kleinen Tiegeln gereicht, es standen Teller und Besteck für diesen Willkommensgruß bereit. Ein Aperitif war flugs vorab bestellt und dann konnte man in Ruhe die Wahl bezüglich Mahlzeit und passendem Getränk treffen.

Die Speisen wurden dann – zumindest ließ die Zeitspanne zwischen Bestellung und Servieren darauf schließen – frisch zubereitet, die Getränke kamen auf jeden Fall rechtzeitig vor der Mahlzeit am Tisch an. In Ruhe konnte man essen und trinken, während aufmerksames Personal jederzeit gerne bereit war, zusätzliche Wünsche zu erfüllen. Rundum zufrieden waren wir eigentlich jedes Mal, wenn wir zu Gast in der Fischerhütte waren. Bisher.

Was wir dieses Jahr erleben mussten, haben wir in einem Brief, an die Geschäftsführerin adressiert, am 7. Mai 2013, wie folgt beschrieben:

Sehr geehrte Freifrau von Schorlemer, sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind seit der Wiedereröffnung gerne und regelmäßig bei Ihnen im Restaurant Alte Fischerhütte am Schlachtensee zu Gast gewesen, zu festlichen Anlässen oder einfach so zwischendurch. Unser letzter Besuch am 5. Mai allerdings war eine unerfreuliche Unternehmung und dem Preisniveau Ihres Hauses in keiner Weise angemessen. Vielleicht sind Sie ja daran interessiert, was in Ihrem Hause alles schief laufen kann?

Nachdem wir Aperitif, Getränke und Speisen bestellt hatten, wurde uns ein Körbchen mit trockenen Brotschnitten auf den Tisch gestellt. Keine Spur von Kräuterbutter oder Schmalz … und die Brotscheiben waren nicht einmal sonderlich frisch. Nun gut – Schwamm drüber. Aber:

Die Speisen, Doradenfilet und Spargel mit Schnitzel, kamen rund fünf Minuten nach der Bestellung. Weder der bestellte Aperitif, noch Weißwein, Wasser und Hefeweizen waren serviert.

Erstens: Wenn wir fast food wollten, würden wir nicht die Fischerhütte besuchen. Für 21,50 Euro beziehungsweise 28,50 Euro erwarten wir schon frisch zubereitete Mahlzeiten – und das geht nun einmal nicht in fünf Minuten nach der Bestellung.

Zweitens: Ein Aperitif, der erst nach dem Eintreffen des Hauptganges (auf unsere Nachfrage, wo denn die Getränke blieben) serviert wird … eine Kellnerin, die ratlos fragt, ob sie denn auch die anderen Getränke bringen soll … und ein Weißwein der erst am Tisch ankommt, als der Fisch, zu dem er bestellt war, bereits gegessen ist … Sie können sich sicher vorstellen, dass wir uns als Gäste ihres Hauses nicht gerade gut und aufmerksam bedient gefühlt haben.

Als »Ausgleich« für das »etwas dumm Gelaufene« (Zitat Ihrer Kellnerin) wurde uns kostenlos je ein Espresso gereicht und dann, als wir nicht sonderlich begeistert wirkten, »noch ein Getränk auf das Haus« in Aussicht gestellt, was wir abgelehnt haben.

Rechnungsbeträge wie den vom 5. Mai über 75,50 Euro bezahlen wir gerne, wenn wir einen dem Preisniveau entsprechenden Service und beste Qualität der Mahlzeiten als Gegenwert genießen können. Am 5. Mai war in Ihrem Hause leider weder das eine, noch das andere zu bekommen.

Mit freundlichem Gruß

Günter J. Matthia und Eva Miller-Matthia

Wie gesagt: Fehler können passieren. Jedem Menschen. Darum geht es gar nicht. Aber wenn ich durch einen Fehler einen Kunden verärgern würde, oder wenn einem meiner Angestellten solch ein Fauxpas unterliefe, wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass ich den Fehler eingestehe, mich entschuldige und den Kunden in geeigneter Weise entschädige.

Aber in der Alten Fischerhütte am Schlachtensee hat man so etwas offenbar nicht mehr nötig. Zumindest nicht in den vergangenen knapp 4 Wochen seit unserem Brief an die Geschäftsleitung.

Meinen Lesern stelle ich anheim, Service und Qualität dort im Selbstversuch zu testen – vielleicht möchten ja noch andere viel Geld für wenig Leistung in jenem Etablissement lassen.

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Montag, 20. Mai 2013

Kinderarbeit, Sklaverei in der Textilindustrie …

… und menschenverachtende Produktionsbedingungen nehmen viele Menschen in Kauf. Das passiert ganz weit weg, geht uns nichts an und die Klamotten sind ja so schön billig. Ab und zu sieht man schreckliche Bilder in der Tagesschau von ausgebrannten oder eingestürzten Fabriken – aber da kann man ja wegschauen und morgen beim Einkauf ist das sowieso wieder vergessen.

Nun mag es hierzulande Menschen geben, die so wenig Geld zur Verfügung haben, dass sie notgedrungen zu den Textilien greifen müssen, bei deren Herstellung jegliches Menschenrecht mit Füßen getreten wird. Aber Hand aufs Herz: Gehörst du, lieber Leser, dazu?

Es geht ja auch anders, wenn man nicht ganz arm ist und nur will. Zum Beispiel kann man die heimischen Arbeitsplätze hier in Deutschland (nicht nur) beim Textilkauf sichern helfen. Über Cobajo.de findet man leicht heraus, welche Firmen hierzulande produzieren.

Ich kleide mich überwiegend in Textilien der Leipziger Marke Mey & Edlich – das ist ein Tochterbetrieb von Walbusch in Solingen. Produziert wird hier in Deutschland. Wenn im Mey & Edlich Katalog Kleidung auftaucht, die aus anderen Ländern stammt, dann steht das ausdrücklich dabei, zum Beispiel aus einer Manufaktur in Italien oder Frankreich … – Indien oder Bangladesh habe ich da noch nie gelesen.

Bildquelle: Google-Online-Nachrichten, Foto: dpa

Zugegeben: Ich schaue nicht bei jedem Kleidungsstück als erstes auf das Schildchen mit der Herkunftsangabe, aber mir ist wenigstens klar, dass beispielsweise eine Jeans für 9,99 Euro nicht aus einer Fabrik stammen kann, in der Arbeiter angemessen entlohnt und Sicherheitsvorkehrungen beachtet werden. Das ist wie bei den Lebensmitteln. Wie werden wohl die Tiere gehalten und gepflegt, wenn das Kilogramm Fleisch für 4,99 Euro verkauft werden kann? Der Händler verdient daran noch, genauso der Spediteur, der die Ware zum Laden gebracht hat, es wurde portioniert, verpackt  … und keine der beteiligten Firmen hat auf Gewinn verzichtet. Na? Wie mag das Huhn gelebt haben, dessen Fleisch da bei Aldi im Regal liegt?

Abgesehen von den Menschen, die es sich aus echten finanziellen Zwängen wirklich nicht leisten können, sollten wir vielleicht alle ein wenig Gewissen und Ethik mit in die Waagschale werfen, wenn wir einkaufen. Ob nun Bekleidung, Lebensmittel oder sonstige Dinge. Denn eins ist sicher: Wenn unter menschenverachtenden Bedingungen hergestellte Waren keine Abnehmer mehr finden, werden sich die Bedingungen ziemlich schnell ändern. Zwangsläufig. Denn ein Händler, der nichts mehr verkauft, ist bald vom Markt verschwunden.

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Samstag, 18. Mai 2013

Was heißt eigentlich Rippenstoß auf Mesopotamisch?

Vor allem hat mir der Tag gestern einen Rippenstoß meiner Frau – und als Andenken daran einen blauen Fleck – eingebracht, der immer noch schmerzt. Es stimmt ja, dass ich den wohl verdient hatte, denn irgendwie war das eine ernsthafte Angelegenheit, und ich konnte mal wieder meine ironische Ader nicht bremsen.

»Sie sind voll von süßem Wein«, sagte ich, und Sekunden später bekam ich den Ellenbogen zu spüren.

»Das gehört sich nicht, wir sind hier nur zu Besuch«, zischte meine Frau mir ins Ohr. »Nimm dich doch ein mal zusammen!«

Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Also nicht mit dem ein mal – ich nehme mich oft zusammen! Aber es stimmt schon: Als Gast in einer fremden Stadt sagt man nicht solche frechen Sachen, schon gar nicht laut und öffentlich. Doch den Mann, der dann später zum Wortführer wurde, schien das nicht beleidigt zu haben. Gehört haben musste er mich, denn er ging sogar auf meine Boshaftigkeit ein: »Diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage«, erklärte er. Mir lag ja schon wieder etwas auf der Zunge, in etwa »dann ist das noch der Rausch von gestern Abend?« oder »vielleicht war was im Frühstückstee?«, aber das habe ich heruntergeschluckt. Noch so einen Stoß von meiner Angetrauten wollte ich mir nicht einhandeln.
Aber ich greife vor. Der Mann hat ja erst später geredet. Losgegangen war es mit dem Getöse. Es gab schon gestern vor Ort so allerlei Gerüchte und Gerede. Was wirklich passiert war, wusste natürlich keiner von uns Schaulustigen. Wir waren zusammengeströmt, weil es einen gewaltigen Krach gegeben hatte. So etwas wie ein Brausen, Rauschen, also eigentlich wie bei einem Sturm. Allerdings herrschte gestern ziemliche Windstille, allenfalls ging ein laues Lüftchen durch die Stadt, aber jedenfalls nichts, was so einen Lärm hätte verursachen können. Meine Frau und ich sind in der kleinen Herberge untergebracht, die am Ende der Straße liegt. Also etwa 500 Meter vom Ort des Geschehens. Wir sind bei dem Brausen gleich auf die Straße raus gegangen, das war ohrenbetäubend, es hätte ja was Gefährliches sein können, nicht wahr?

Als wir vor dem Haus ankamen, in dem immer noch ziemlicher Lärm herrschte, allerdings nun von menschlichen Stimmen verursacht, kamen schon die Gestalten aus der Tür, die ich dann – der blaue Fleck wird mich noch eine Weile erinnern – vorlaut als morgendliche Trunkenbolde veräppelt habe. Die benahmen sich aber auch wirklich nicht wie nüchterne Menschen.

Les Très Riches Heures du duc de Berry, Folio 186r - Pentecost the Musée Condé, Chantilly.Es waren, soweit ich das weiß, nur Einheimische. Alle redeten durcheinander, aber verstehen konnte man so gut wie niemanden. Ich hörte allerdings nach einer Weile einen eher schmächtigen Typen in unserem römischen Dialekt reden. Wir Römer haben da so eine ganz eigenwillige Betonung in unserer Aussprache, die kriegen noch nicht mal unsere Volksgenossen aus der Umgebung hin. Angeblich hört man das sogar durch, wenn wir Aramäisch reden. Jedenfalls erzählte der Mann in unserer Sprache und unserem Dialekt etwas von den großen Taten Gottes, ohne dass ihn jemand danach gefragt hätte.

Meine Frau ist sehr interessiert an Sitten und Gebräuchen, daher reisen wir auch oft und gerne, und sie hat den Schmächtigen, natürlich in unserer Muttersprache, gefragt, was denn eigentlich los wäre, was das vorhin für ein Lärm gewesen sei. Der hat sie groß angeschaut, mit den Schultern gezuckt, verständnislos gelächelt, und es war ziemlich schnell klar, dass er überhaupt kein Wort verstand. Taub war er aber auch nicht. Auf die gleiche Frage in Aramäisch hat er nämlich reagiert. Das war schon recht gespenstisch, wie der dann weiter von Gott erzählte, in unserem Dialekt, ganz flüssig und fehlerfrei, aber offensichtlich nur seine heimatliche Sprache verstehen konnte.

Schließlich wurde das Durcheinanderreden etwas ruhiger, und einer der Leute aus dem Haus hat eine lange Rede gehalten. Der sei mal Fischer gewesen, raunte jemand neben uns. Für einen Fischer, falls das stimmt, hielt er eine recht ansehnliche Ansprache. Er hat erklärt, dass wir Zeugen eines Geschehens wären, das vor ich weiß nicht wie vielen Jahren oder Jahrzehnten – womöglich noch länger – von einem der jüdischen Propheten angekündigt worden sei. Gott habe, sagte der möglicherweise frühere Fischer, seinen Geist ausgegossen, und das sei wohl verantwortlich für den Krach gewesen. So eine Art Flut von oben, daher das gewaltige Rauschen, obwohl dann auch von kleinen Feuerflammen in dem Zimmer die Rede war, was ja nicht so recht zur Flut passt. Zu einem Sturm auch nicht, wenn man es genau überlegt. Anschließend hat er erklärt, dass ein Prediger, der viele Wunder getan haben soll und der vor unserer Ankunft in der Stadt hingerichtet worden war, keineswegs tot sei. »Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen«, so hat er das formuliert.

Er hat dann gemeint, dass wir uns alle taufen lassen sollten, und dann würden wir den Geist, der da ausgegossen worden sei, ebenfalls empfangen. Dem Aufruf sind gleich gestern so etwa 3.000 Leute gefolgt, habe ich mir sagen lassen. Ich bin da eher etwas zurückhaltend, und ich weiß auch nicht recht, ob ich in einer Sprache reden will, die ich gar nicht verstehe. Wer weiß, was ich da von mir geben würde! Womöglich führt das letztendlich zu noch mehr blauen Flecken, falls meine Frau dann zufällig ausgerechnet meine unverständliche Sprache verstehen sollte …

Wir haben uns aber vorhin überlegt, dass wir ja mal die Versammlung besuchen könnten, die heute am späten Nachmittag stattfinden soll. Im Tempel soll das sein, bei so viel Ansturm gibt es ja auch keinen anderen geeigneten Treffpunkt weit und breit. Wir werden wohl hingehen. Neugierig bin ich schon.

So, das wollte ich Ihnen erzählen, solange ich noch in der Lage bin, meine eigenen Worte zu verstehen. Man weiß ja nicht, wie das hinterher aussehen wird. Vielleicht rede ich heute Abend nur noch mesopotamisch?

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Montag, 13. Mai 2013

Leckereien, Lesungen, Lieder …

Normalerweise, oder zumindest meist, lesen Autoren ihre Texte selbst vor. Nicht so am Pfingstabend und in die Nacht hinein, zumindest nicht in der Wrangelstraße 6/7 in Berlin Steglitz.

Das liegt daran, dass die Autoren tot sind. Die Experten und Forscher meinen, der eine genieße seit rund 1900 Jahren, der andere seit rund 1860 Jahren die ewige Ruhe. Wie sie wirklich hießen ist nicht sicher, man nennt den einen heute übereinstimmend Matthäus, den anderen Johannes. Es ist jedoch unklar, wer wirklich die betreffenden Schriften verfasst hat. Aber ihre Texte werden noch heute gelesen, unter anderem eben am kommenden Pfingstsonntag. Zu Gehör gebracht werden die alten Erzählungen von Frau Gabi Schlag und den Herren Pastor Martin Wahl und Günter J. Matthia – der letztere Name gehört bekanntlich mir. Ich freue mich darauf, mal wieder aus den Werken der beiden Autoren vortragen zu können, deren über Jahrhunderte und nun bald zwei Jahrtausende hinweg in zahllose Sprachen und immer wieder neu übersetzte und an die sprachliche Entwicklung angepasste Schriften noch heute Zuhörer interessieren und faszinieren können.

nok2013Keineswegs tot ist der Liederdichter, der musikalisch zum Programm beiträgt. Johannes Penzlin heißt er und er wird zur Gitarre selbst geschriebene Musik aufführen, die thematisch oft dem Alltag entspringt, aber in die Zukunft und auch in die Vergangenheit durchaus hineinreichen kann. »Nein, nein (ich kenn dich nicht)« lautet beispielsweise ein Titel, »Dreimal alles falsch gemacht« ein anderer.

Die Leckereien, die dem Abend kulinarisch eine besondere Note geben, sind vielfältig. Putenbrust-Spießchen mit Gouda zum Beispiel wird es geben, Wraps mit Rucola-Räucherlachs, Frischkäse-Kresse-Kompositionen … wem liefe da nicht das Wasser im Mund zusammen? Auch etwas in flüssige Schokolade Getunktes, so habe ich mir sagen lassen, steht zum Verzehr bereit.

Das Programm wird anlässlich der Nacht der offenen Kirchen in Berlin-Brandenburg im Gartenhaus der Johannesgemeinde Berlin dargeboten, selbstverständlich kostenlos und ohne jegliche Verpflichtungen. Ab 20:00 Uhr werden die Türen offen sein, um 23 Uhr ist die Veranstaltung zu Ende. In der Zeit dazwischen kann man kommen und bleiben oder gehen, wie es in den persönlichen Zeitplan passt. Herzlich willkommen!

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Samstag, 4. Mai 2013

Vom Betteln, Schnorren und einem echten Wunder

Es ist unter frommen Zeitgenossen häufig besonders in der Mode, zu betteln und zu schnorren, wenn Rechnungen nicht bezahlt werden können. Der auf mich schon jeher sehr gespenstisch wirkende amerikanische Fernsehprediger Benny Hinn braucht aktuell mal wieder 5 Millionen Dollar, um seine Firma (die er natürlich »Dienst« nennt) aus dem Schuldenloch zu holen. Gott selbst hat dem Vernehmen nach Herrn Hinn über einen Dritten erklärt, wie das etwas kompliziert angelegte »Wunder« funktionieren soll:

Gott hat es mir aufs Herz gelegt, einen Samen von 2,5 Millionen Dollar in deinen Dienst zu pflanzen. Aber Gott will, dass ich diese Gabe nur dann gebe, wenn die »Partner deines Dienstes« (also die Anhänger von Herrn Hinn) die Summe innerhalb von 90 Tagen verdoppeln. Ich bin so überzeugt, dass Gott sie zum Bestandteil der übernatürlichen Reichtumsübertragung machen will, die dann auf jeden Gläubigen herabkommen wird, der dem Wort Gottes gehorcht,

soll ein nicht genannter Mensch erklärt haben. (Quelle)

Der Trick ist ganz einfach, auch wenn du nicht 5 Millionen, sondern nur – sagen wir 20.000 Euro brauchst. Erkläre den Christen, dass nicht etwa du Geld ausgegeben hast, das du noch gar nicht verdient hattest, sondern dass Gott ihr Geld haben will, damit er ein Wunder tun kann. Oft wird dann noch eine biblische Geschichte hinzugefügt, zum Beispiel dass die Witwe, die ihr letztes Öl und Mehl spendete, von Gott belohnt wurde. Wer würde es da wagen, sich dem göttlichen Wunderwirken in den Weg zu stellen, indem er eine großzügige Spende verweigert?

Ich zum Beispiel.

Wer Herrn Hinn aus dem Millionenloch helfen möchte, der möge es gerne tun. Ich nicht. Auch anderen, ähnlichen Schnorrern gedenke ich so lange nicht finanziell unter die Arme zu greifen, wie sie mir weismachen wollen, ich könne »Teil eines göttlichen Wunders« werden, wenn ich mein Geld locker mache.

Money! Geld! Her damit!Klar ist, dass alles, wohltätige oder religiöse Aktivitäten eingeschlossen, Geld kostet. Jede Freikirche, jede Moschee, jedes christliche oder humanitäre oder buddhistische Werk muss Spenden sammeln, um überhaupt die Arbeit tun zu können, die man sich jeweils vorgenommen hat. Daran ist absolut nichts auszusetzen. Ob Kleiderspenden für die Stadtmission oder eine Kollekte für die Gemeindearbeit, Schulmaterialien für Kinder aus armem Elternhaus oder Notunterkünfte für Obdachlose … das alles kostet Geld und es ist keine Schande, um Spenden zu bitten (solange sich nicht jemand die privaten Taschen damit füllt).

Es ist auch keine Schande, Freunde und Bekannte um Hilfe zu ersuchen, wenn man im Privatleben finanziellen Schiffbruch erlitten hat. Ob nun verschuldet oder nicht – es kann passieren und manche Freunde helfen gerne, soweit sie es können. Aber das ist dann kein Wunder und Gott hat absolut nichts damit zu tun, egal ob der Schuldner fromm ist oder nicht. Das ist ausschließlich guter Wille und Hilfsbereitschaft von Menschen.

Ein echtes finanzielles Wunder habe ich persönlich erlebt, und das ging so: Wir waren vor etlichen Jahren so verschuldet, dass wir Mühe hatten, überhaupt noch ausreichend Essen auf den Tisch zu bringen. Das finanzielle Unheil war zum Teil selbst angerichtet, zum Teil hatten wir auch keinen Einfluss auf die Entwicklungen gehabt, die zur Notlage führten. Unser finanzielles Leid klagten wir im Gebet unserem Gott. Nicht irgendwelchen Menschen, schon gar nicht öffentlich. Es wäre uns auch nicht in den Sinn gekommen, göttliche Belohnung für diejenigen zu versprechen, die uns etwas spenden.

Wir arbeiteten und sparten stattdessen, so gut und so viel wir konnten. Allerdings reichte unsere Arbeit und Mühe nicht, um an der Misere wirklich etwas grundlegend zu ändern. Und siehe da: Gott schickte uns eine Person, die unsere Schuldenlast buchstäblich auf die eigenen Schultern nahm und bis zum letzten Cent bezahlte. Ohne Gegenleistung. Einfach so. Und das auch noch, ohne dass wir die Person überhaupt um Geld gebeten hatten.

Das ist inzwischen Jahre her – aber das nenne ich noch heute ein Wunder.

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