Samstag, 16. August 2008

Das böse H-Wort

Kürzlich verabredete ich mich wieder mal mit einer leibhaftigen Verlagsinhaberin. Besagter Dame gehört nicht nur ein Verlag, sie ist auch eine langjährige Freundin und Mitstreiterin bei manchen großen und kleinen Projekten in den vergangenen Jahren. Außerdem ist sie klüger als ich, was sich durch die folgende kleine Episode zweifelsfrei belegen lässt.

Im Verlauf der Planung unseres Treffens kam eine E-Mail aus dem Verlag, in der es hieß:
...aber falls es einen Hauch später wird, melde ich mich bei dir, wenn du mir deine Handynr. gibst...
Meine Antwort ließ nur etwa zwei Minuten auf sich warten:
...da ich das Unwort mit dem »H« am Anfang ablehne, kann ich dir höchstens meine Mobiltelefonnummer geben. Alles andere wäre wider jegliches Sprachgefühl...
Darauf antwortete flugs die Verlegerin:
...wobei mobil ja auch ein Fremdwort ist... Du meinst also die Nummer (ist das auch ein Fremdwort?) deines beweglichen Fernsprechers. ...
Nun war der Sprachpolizist in mir hellwach. Besagte Freundin ist eine ganz hervorragende Übersetzerin aus dem Englischen, daher musste ich nicht lange um den Brei herumreden:
...aber das Unwort mit H ist eben kein Fremdwort, sondern ein völlig missglückter Versuch eines Anglizismus.
Du weißt ja: »To come handy« gibt es, oder »Handyman«... das Wort hat nichts, aber auch gar nichts mit einem technischen Gerät oder gar dem Telefon zu tun. Und als Substantiv ist es völlig unbekannt. Wenn Du einem Englänger oder Amerikaner oder sonstigen Weltbürger etwas bezüglich Deines mobilen Telefones erzählen möchtest und das Unwort mit dem H gebrauchst, hält man dich bestenfalls für sprachunkundig, vermutlich aber einfach für strohdumm...
Siehste.
:-)
Anyway, call my cell or my cell phone or my mobile or my mobile phone in case you're late on Monday. Have a nice weekend!
Günter der Sprachwächter...
Die Verlegerin ist klüger als ich, denn es heißt ja im Volksmund sinngemäß: »Die Klügere gibt nach.« Sie schrieb:
...na wunderbar - und wo de recht hast, haste recht!
Quod erat demonstrandum.

P.S.: Ein Freund hat mich bei einem Glas Bier (oder waren es zwei?) kürzlich aufgeklärt, dass das böse H-Wort aus dem Schwäbischen stammt. Falls die geneigten Blogbesucher Interesse an der historischen Wahrheit bekunden, könnte ich das Geheimnis lüften...
P.P.S.: Das Bild stammt vom Umschlag eines Romans, den ich mit nicht geringer Spannung und durchaus reichhaltigem Vergnügen (in Englischer Sprache natürlich) gelesen habe.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Als bisher stiller Mitleser, Bruder im Herrn und des Englischen Kundiger möchte ich dir zu fünfzig Prozent Recht geben. Für die anderen fünfzig Prozent siehe hier:
http://www.wired.com/wired/archive/8.09/mustread.html?pg=9
und hier:
http://www.u32.de/handy.html (insbesondere das Zitat aus 'Cat on the Scent').
Man darf gegenüber Handybenutzern also durchaus eine gewisse Barmherzigkeit walten lassen.

Wolfgang

Anonym hat gesagt…

@anonym

Als bereits im zartesten Kindesalter des Englischen (aber nicht des Deutschen) mächtig Gewesener wundere ich mich über die weit hergeholte Behauptung im "Wired"-Bericht, das Wort "handy" wäre im Englischen ein Ausdruck für Mobiltelefon.

Dazu kann ich nur den tiefgründigen Kommentar des englischen Sängers Noel Richards zitieren, als ihm in Berlin gesagt wurde, sein "Handy" würde klingeln:

"Huh????"

Günter J. Matthia hat gesagt…

@Wolfgang: Herzlich willkommen als Kommentator! Ich freue mich, dass wieder mal jemand aus der »grauen Masse« der stillen Leser auftaucht.
Barmherzigkeit mit Benutzern von mobilen Telefonen habe ich jederzeit anzubieten, sogar dann, wenn das Gerät im Kino, in einer Besprechung oder gar im Gottesdienst lärmend erwacht, weil der Besitzer vorher den Ausschaltknopf nicht gefunden hat...

@mystery man: Richtig. Mir ist unter unseren wirklich vielen englischsprachigen Freunden und Verwandten noch niemand begenet, der das böse H-Wort mit einem Telefon in Verbindung bringen würde - es sei denn, derjenige hat eine Weile in Deutschland zugebracht, wo man dem bösen H-Wort ja auf Schritt und Tritt begegnet.

Anonym hat gesagt…

@Günter: Danke fürs Willkommenheißen!
@mystery man: Jetzt weiß ich endlich, wie die verschiedenen Konfessionen entstanden sind - wir haben beide dieselben Seiten gelesen und völlig anders verstanden... Natürlich wird "handy" im englischen Sprachraum nicht für das Zellufon gebraucht, da sind wir uns völlig einig. Ich entnehme den oben genannten Seiten nur, dass die Entstehungsgeschichte des Begriffs "Handy" wie vieles auf der Welt komplizierter ist als angenommen und dass das Wort wieder nach Amerika zurückgeschwappt ist. Man muss nur lange genug danach suchen. Ein blödsinniger Begriff bleibt es trotzdem.

Wolfgang

Don Ralfo hat gesagt…

Ist es nicht typisch amerikanisch, alles und jedes abzukürzen? Ich sage nur xmas!
Von daher atmet das schöne Wort "Handy" doch den authentischen "american spirit" und ist "im Geiste" durch und durch englisch. ;-)

Günter J. Matthia hat gesagt…

@don ralfo: die amis kürzen ja ab: statt »cell phone« sagt man normalerweise nur »cell«.

:-)

Günter J. Matthia hat gesagt…

P.S.: Die historische Begebenheit, die zur Benennung der Geräte geführt hat, habe ich nunmehr enthüllt.

Anonym hat gesagt…

Menschen stoßen Luft durch ihre Öffnung im Kopf aus. Die schwingende Luft trifft auf die Ohren der anderen. Da sie auf diesen Träger Sinn packen können, können sie Mitteilungen von einem Gehirn zum anderen schicken. Wenn sich dann jemand darüber aufregt, dass jemand ein Schwingungsmuster verwendet hat, das ihm nicht gefällt, OBWOHL er weiß, was er damit meint, und dass er für einen bestimmten Begriff nicht X, sondern Y benutzt, erscheint mir das irgendwie immer so ein bisschen lächerlich... ich kann mir nicht helfen.