Was macht einen guten Roman eigentlich gut? Da mag jeder Leser seine eigenen Vorstellungen und Vorlieben haben. Für mich gilt immer: Der Autor darf so ziemlich alles, mich aber nicht langweilen.
Johanna Adorján hat mich nicht gelangweilt, sondern dadurch, dass ich den Roman als Vorabdruck im Feulleton der F.A.Z. gelesen habe, wurde ich regelrecht auf die Folter gespannt. Jeden Abend nach der Rückkehr aus dem Büro ein Häppchen, und dann 24 Stunden Zwangspause. Und am Sonntag jeweils Fastenzeit, was den Roman betraf.
Die Lektüre war unterhaltsam auf eine bezaubernde Weise. Johanna Adorján gelingt es, den Leser durch eine Vielzahl von Stimmungen zu führen, ohne dass sie »dick auftragen« würde. Sie schildert in eher nüchternem Erzählton aus der Sicht der Enkelin ein Ehepaar auf dem Weg zum gemeinsamen Suizid. Ein Ehepaar, das liebenswert schrullige Gewohnheiten pflegt. Zum Beispiel: Die beiden duzen sich nicht, sondern es herrscht das respektvolle Sie zwischen den Eheleuten. Das ist natürlich ungewohnt und überraschend, anfangs sogar leicht irritierend. Aber je besser man die beiden kennen lernt, desto mehr findet man, dass es zu ihnen passt.
Die Autorin portraitiert das Paar und seine exklusive Liebe einfühlsam und mit Humor, schildert exemplarische kleine Alltagsgewohnheiten wie den jahrelang an der gleichen Straßenkreuzung identischen, eigentlich völlig überflüssigen Dialog über die einzuschlagende Richtung. Es sind solche Rituale, die zu einer langen und glücklichen Ehe dazu gehören.
Die Lebensgeschichte der Protagonisten zieht sich vom mondänen Leben in Ungarn über die Besetzung durch deutsche Nazitruppen, Flucht und schließlich Exil bis zum gemeinsam geplanten Ende des Lebens in der langjährigen neuen Heimat Dänemark. Ein jüdisches Schicksal, das von der Autorin ohne bittere Kommentare dargestellt wird, und deshalb vielleicht um so eindringlicher auf den Leser wirkt.
Man weiß gleich zu Beginn der Lektüre, dass die beiden alten Leute Selbstmord begangen haben, die Gründe dafür werden in Rückblenden nach und nach enthüllt, während Johanna Adorján in ihrer Erzählrolle als Enkelin die Lebensgeschichten der Großeltern entfaltet. Sie enthält sich auf dieser Spurensuche jeglicher moralischen Wertung zum Suizid, trotz der Bestürzung und Trauer, die solch eine unumkehrbare Handlung bei den Hinterbliebenen auslöst.
Mein Fazit: Ein sehr gelungenes Buch, das nicht versucht, letzte Antworten zu geben, wo sich keine verbindlichen finden lassen, sondern statt dessen Fragen aufwirft, die zu überdenken sich lohnt.
Johanna Adorján: Eine exklusive Liebe
Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
ISBN-13: 978-3630872919
Euro 17,95
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