Die Aussagen von U2 über den persönlichen Glauben hätten wahrscheinlich weniger Wirkung gehabt, wenn sie diesen Glauben nicht konsequent vorgelebt hätten. Ich bin überzeugt, dass ein großer Teil des Respektes für sie daher kommt, dass man sie für Menschen hält, die zu ihrem Wort stehen. Das Evangelium macht für die Menschen mehr Sinn, wenn sie es gelebt sehen, statt es nur zu hören. -Steve TurnerDer Verfasser dieses Buches ist Journalist, Musikkritiker und Autor. Er lebt in London und schreibt regelmäßig für Zeitungen und Magazine. Er hat verschiedene Bücher über Musiker wie die Beatles, Cliff Richard, Eric Clapton, U2 und andere, sowie mehrere Gedichtbände veröffentlicht. Aus seiner Feder stammt auch die offizielle Biografie »The Man called Cash« über Johnny Cash.
Im vorliegenden Buch geht es auch um Musik und Musiker, aber »Imagine« ist weit mehr als ein Portrait von Künstlern. Steve Turner öffnet den Blick für eine weite und visionäre Perspektive, wie Christen heute Kunst schaffen können, die authentisch ist und etwas bewirkt, weil sie von der säkularisierten Gesellschaft nicht ignoriert wird.
Es hat sich eine ungesunde Spaltung in »christliche« und »weltliche« Kunst entwickelt, das betrifft nicht nur die Musik, sondern genauso die Literatur, Malerei, Theater, Film und Bildhauerei. Axel Nehlsen, Pfarrer in Berlin, sagte 2004: »Als Verantwortliche in Kirche und Gemeinde sind wir oft erschrocken über die kulturelle Irrelevanz der Christen. Wir entdecken mehr Rückzug in den frommen Bereich statt kompetente Einmischung in die Gesellschaft.«
Woher diese Spaltung kommt, die im Versagen vieler sicher sehr begabter Christen gipfelt, ihre Mitmenschen überhaupt zu erreichen, untersucht Steve Turner. Er ist schon früh in seinem Leben auf das ausschlaggebende Denken gestoßen:
Als ich einmal erzählte, dass ich Autor werden wollte, sagte ein älterer Christ zu mir: »Das wäre sehr schön. Es gibt ein paar gute christliche Zeitschriften.« Seine Überzeugung war, dass ein Christ für Christen über das Christentum schreibt, dass ich vielleicht für eine überregionale Zeitung oder ein Magazin über allgemeine Theman schreiben wollte, kam gar nicht in Betracht.Gut, dass Steve Turner seinen Weg als Autor gefunden hat, der mit seinen Werken nicht nur ein Nischenpublikum erreicht. Er begann als Journalist und interviewte die seinerzeit berühmtesten Musiker, darunter Elton John, Frank Zappa, Lou Reed, Eric Clapton, Pink Floyd, The Who, Rolling Stones ... um nur einige zu nennen. Im Buch »Imagine« schildert er unter anderem ein ausführliches Gespräch mit John Lennon zu der Zeit, als das Album »Imagine« gerade erschienen war. Lennon hatte einen Brief bekommen, in dem es hieß: »Du brauchst Jesus, John!« Steve Turner sprach lange mit ihm über Jesus, Gott, Jesus-People und mehr. John Lennon hatte durchaus einiges dazu zu sagen.
Steve Turner untersucht in diesem Buch Zusammenhänge von Kirche und Kunst, auch biblische Befunde, schildert die Einflüsse der Reformation und stellt dann anhand der Paulus-Briefe die Frage, was denn eigentlich »die Welt« sein soll.
Die Bibel warnt tatsächlich vor »der Welt« und »Weltlichkeit«. Wenn wir Gott treu sein wollen, müssen wir herausfinden, was damit gemeint ist. ... »Habt nicht lieb die Welt...« bedeutet weder »kümmert euch nicht um den Planeten« noch »schließt euch aus der Gesellschaft aus«. Es bedeutet: »Eignet euch kein anti-göttliches Denken an.«Der Autor widmet sich auch dem Dilemma, in dem viele Christen, die künstlerisch tätig sind, sich wiederfinden.
Man fordert christliche Künstler dazu auf, die alltäglichen Dinge des Lebens zu ignorieren, weil sie keine Gelegenheit zum Zeugnis des Glaubens bieten. Die Erwähnung von Seife oder Football führt nicht natürlicherweise nach Golgatha. Also bleibt ihnen nur das offensichtlich Geistliche, und das macht sie in den Augen von Nichtchristen zu einseitigen Menschen. Es scheint, als hätten sie keinen Alltag, als würden sie nicht in der normalen Welt mit Telefonen, Autos, Fernsehen und so weiter leben.Steve Turner schildert »missbrauchte und erlöste Kreativität«, untersucht die Bibel auf künstlerische Bestandteile und führt seine Gedanken über den kreativen Geist Gottes, die Zeit in der wir leben und gesellschaftliche Veränderungen schließlich zu der Frage: Ist es möglich, dass Christen eher zum Künstler berufen sind als zum Prediger? Und wenn ja, wie kann das authentisch gelebt werden?
Am Beispiel der Band U2, in der drei der vier Mitglieder Gläubige sind, zeigt er dann exemplarisch, wie das gelingen kann.
Obwohl jeder Fehler, den die Band in den letzten zwanzig Jahren gemacht hat, öffentlich bekannt wurde, hat U2 sachkundig ein Gesamtwerk geschaffen, das sich aus den besten Traditionen der modernen Musik speist und dem sie etwas Einmaliges hinzufügt. Ihre Musik trägt eine Vision in sich, die eindeutig in der Bibel verwurzelt ist. Mehr als jede andere Band haben sie Gott, Jesus, die Bibel und eine christliche Weltanschauung auf die Tagesordnung gezwungen.Doch Steve Turner beschränkt sich nicht auf die Musik oder U2 in diesem Buch. »Imagine« stellt Künstler aus allen Bereichen des kreativen Schaffens vor, mit ihren Stärken und ihren Schwächen, ihren Erfolgen und ihren Niederlagen. Das Buch inspiriert, macht Mut und öffnet Wege aus der frommen Sackgasse. Und das ist auch gut so.
Mein Fazit: Sowohl für Kunstschaffende als auch für Kunstinteressierte eine Fundgrube voller einmaliger Inspirationen und Impulse. »Das Evangelium macht für die Menschen mehr Sinn, wenn sie es gelebt sehen, statt es nur zu hören.« Dieses Buch zeigt, wie das gelingen kann.
Steve Turner: Imagine
Taschenbuch, 144 Seiten
Euro 9,80
ISBN 3-935992-17-3
Erhältlich bei: Down to Earth, Berlin
3 Kommentare:
klingt interessant und überzeugend!
Nach dem Motto:
An ihren Taten werdet ihr sie erkennen...
Das ist mal wirklich interessant. Ich finde alles kann zu Gott führen. In diesem Sinne hatte ich vor einiger Zeit einen Schaukastenwettbewerb im Kinderdienst unserer Gemeinde gemacht, bei dem ich beliebige (naja, ein wenig vorsortierte) eigene Fotos (vergammelter Provinzbahnhof, Stau auf der Stadtautobahn, Bösebrücke in der Morgensonne, Traktor auf Salzburger Feld usw.) anbot, und siehe da zu jedem wurde von den Kindern ein geistlicher Bezug, häufig sogar eine Bibelstelle gefunden.
Die genannten Unterschiede zwischen USA und Deutschland gibt es, aber auch dort gibt es eine Scheu vor allzu Säkularem unter den Christen. Deshalb hatte vor längerer Zeit Bob Briner ("President of ProServ Television and Emmy Award-winning producer", 1999 verstorben) die "Roaring Lambs" gegründet, deren Mitglieder zumeist christliche Künstler sind, die in die Welt gehen, um dort ihren Glauben hauptsächlich durch ihre Werke zu verbreiten. Es gibt ein Buch "Roaring lambs, a gentle plan to radically change your world", in dem es z.B. einen Fragebogen gibt (The roaring lambs voice test), in dem interessante Aussagen bejaht werden müssen, um ein roaring lamb zu sein. Zum Beispiel Nummero 6 "I consider careers in the arts, journalism, literature, film, and television to be as important for the kingdom as pastoral ministry, or foreign missions" und Nummer 8 "I have read at least one book on The New York Times Bestseller List in the past year". Das zitiere ich gern auch im Kreis von Glaubensbrüdern und -schwestern, von denen es doch viele gibt, die geradezu stolz darauf sind, kein weltliches Buch jemals in die Hand genommen zu haben.
Andererseits ist die Kunstverbreitung in unserem Lande peinlich darauf bedacht, christliches bei Künstlern unter den Tisch fallen zu lassen (prominenteste Beispiele Bob Dylan und Johnny Cash). Bei Dylan merkte man es an den Rezensionen zu "I was not there", wo das christliche Engagement, das im Film ja sehr ernsthaft dargestellt wurde (steckt womöglich ein roaring lamb dahinter, denen ist ja alles zuzutrauen), bei einigen Rezensenten heftiges Leibschneiden hervorrief. Bei Cash, dessen Biografie von Turner ja wirklich sehr gut auf seinen Glauben eingeht und mir vieles über den Glauben und seine Erscheinungen in der Welt klar gemacht, mich geradezu getröstet hat, gibt es eine Doppel-DVD zum jüngsten Cash-Film. Auf Teil 2 ist ein Beitrag "Cash and his faith" drauf. Wie heißt wohl die deutsche Übersetzung? "Cash und seine Philosophie". So ist das hierzulande.
@barbara: genau!
@thomas: diese »bloss nichts frommes durchklingen lassen« haltung ist hierzulande wirklich stärker ausgeprägt, wie du am beispiel cash richtig beobachtet hast. aber auch die berührungsängste von christen mit »weltlichem« gut, sei es nun musik, literatur oder sonst was. was habe ich schon zu hören bekommen, weil ich nicht nur fromme texte schreibe...
dieses buch von steve turner ist wirklich unbedingt lesenswert, da es sehr sorgfältig auch geschichtliche entwicklungen und gesellschaftliche zusammenhänge schildert.
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