Montag, 31. Mai 2010

Bundespräsident Köhler – wieder ein schäbiger Sieg der Medien?

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Es ist das gleiche Muster wie leider schon so oft in den letzten Jahren. Die Medien – auf der Suche nach immer sensationelleren Skandalen, um Auflage und Werbeeinnahmen zu steigern – nehmen ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Sätze oder Äußerungen und stellen Personen an den öffentlichen Pranger, ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt der Meldungen.

Selbst nach dem Rücktritt von Bundespräsident Köhler macht beispielsweise »FOCUS« genau so weiter: »…tritt wegen Afghanistan-Äußerungen zurück« schreibt man fett über die Meldung.

Im Bericht wird die Überschrift gleich im ersten Absatz als Lüge entlarvt – aber sie springt halt so schön ins Auge. Bringt womöglich ein paar Millionen Euro auf das »FOCUS«-Konto.

Im Bericht heißt es: »Die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung, sagte Köhler am Montag in Berlin. Das lasse den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vermissen.«

Also tritt er wegen der Afghanistan-Äußerungen zurück oder weil so manche Medienschaffenden jeglichen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vernichtet haben und auch offensichtlich kein Berufsethos mehr kennen?

»FOCUS« ist nur ein Beispiel von vielen gleich in den ersten Minuten nach Köhlers Erklärung. Die deutsche Medienlandschaft wird immer mehr zum Jammertal.

12 Kommentare:

Bento hat gesagt…

ähm - helf mir mal bitte auf die Sprünge:
Köhler ist also wegen einer medialen Unterstellung zurückgetreten??

nee ne...

Günter J. Matthia hat gesagt…

Der Wortlaut:
»Meine Äußerungen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr am 22. Mai dieses Jahres sind auf heftige Kritik gestoßen. Ich bedauere, dass meine Äußerungen in einer für unsere Nation wichtigen und schwierigen Frage zu Missverständnissen führen konnten. Die Kritik geht aber so weit, mir zu unterstellen, ich befürwortete Einsätze der Bundeswehr, die vom Grundgesetz nicht gedeckt wären. Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen.
Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten - mit sofortiger Wirkung. Ich danke den vielen Menschen in Deutschland, die mir Vertrauen entgegengebracht und meine Arbeit unterstützt haben. Ich bitte sie um Verständnis für meine Entscheidung.«

Bento hat gesagt…

...also warum denn jetzt genau?

Wegen einem Mißverständnis, wegen der heftigen Kritik, wegen Unterstellungen die jeder Grundlage entbehren, wegen mangelndem Respekt vor dem Amt???

ich blick das immernoch nicht...

Günter J. Matthia hat gesagt…

Ich verstehe das so: Durch den Rücktritt trennt er die Kritik an seiner Person / seinen Äußerungen vom höchsten Staatsamt in unserem Land. So wird das Amt nicht weiter beschädigt sondern kann von jemandem übernommen werden, der oder die nicht im Kreuzfeuer gewisser Medien und Interessengruppen steht.
Ich finde es schade - und etwas dünnhäutig. Aber es passt zu Köhlers geradlinigem Stil und Charakter: Im Zweifelsfall steht die Bundesrepublik Deutschland bzw. das Amt des Bundespräsidenten über persönlichen Dingen.

Bento hat gesagt…

hmm - dünnhäutig wäre da sicher der richtige Ausdruck und ebenfalls des Amtes unwürdig -
ich sehe das eher so:
Er hat die WAHRHEIT gesagt - und das geht gar nicht!

..man darf doch im staatstragenden Amt nicht die von der Politik systematisch an das Volk verkauften Illusionen einfach mit der Wahrheit niederreißen.

Wo kämen wir denn da hin - gar nicht auszudenken tztztz...

dikosss hat gesagt…

Köhlers Äußerung hier:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1188780/

Er betont m.E. unissverständlich, dass es nötig sein kann, das Militär einzusetzen, um die eigene Wirtschaft zu bewahren...

Wenn das die Wahrheit ist, dann sind die Medienreaktionen der letzten Zeit leider verkürzt auf den Ex-Präsidenten zugeschnitten gewesen - vielmehr müssten "die Medien" nun beweisen, ob sie aufgrund dieser Äußerungen auch in die Richtung der Aussagen recherchieren.

Bento hat gesagt…

..was Merkel und Co. uns von Anfang an nach dem Motto "ab 12 Uhr wird zurückgeschossen" als "friedensichernde Maßnahme zur Verteidigung der Demokratie" verkaufen wollte, war noch nie eine Friedensmaßnahme - wurden dort auch keine Friedenskugeln aus Ffriedensgewehren verschossen - es war schon immer eine illegale militärische Intervention außerhalb unseres Grundgesetztes - doch wen interessieren denn heute noch solche Nebensächlichkeiten...

Langsam wird die Rethorik immer deutlicher - ob Guttenberg nun auch zurücktritt??

dikosss hat gesagt…

@Bento:
Ganz schön was los zur Zeit... Koch geht, Köhler...

Aber mal vorausgesetzt, dass Köhler ein kluger Mann ist, der einigermaßen weiß, wie der Hase läuft... dann könnte seine Bemerkung auch bewusst gesetzt worden sein, um noch rechtzeitig vor einem künftigen "Schussfeuer" zu entfliehen... denn ein Präsident, der gewissermaßen "seinem" Land durch Krisen hindurch beizustehen hat und nun wegen einiger Medienprovokationen abdankt, erscheint
a) amtsmüde
b) weichlich
c) konsequent medienkritisch
d) oder berechnend.

Was ist wahrscheinlicher?

Dennoch:
Schön, dass "wir Lena sind". :-)

Talitakum hat gesagt…

Ich komme da gerade noch nicht ganz mit...
Der Mann (Köhler) ist doch nicht doof...(!)
Wieso macht er solche Äußerungen, von denen er genau weiß, dass er dafür Zerrissen wird?

Ist der blöd, oder spricht er im Auftrag?

Günter J. Matthia hat gesagt…

Also im Grunde genommen hat er mit den umstrittenen Äußerungen nichts anderes getan, als das beim Namen zu nennen, was schon seit längerem Praxis ist.
Oder warum sind deutsche Soldaten auf Patrouille gegen Piraten unterwegs und in Afghanistan stationiert? Doch nicht aus uneigennützigen Gründen?

Talitakum hat gesagt…

Ja genau..

Aber wieso sagt er das jetzt so 'mir nichts dir nichts'?
Und er hat es ja offenbar nicht kritisch gegen die Regierung geäußert, sondern erklärt am Ende des Interviews noch: "Man muss um diesen Preis* seine Interessen wahren"
Das klingt mehr, als wenn er das Prinzip befürwortet und nicht kritisiert, oder?

* Der Preis ist ja, dass es Tote gibt.

Second Attempt hat gesagt…

Haso hat vor Jahren mal in einer Predigt gesagt: "Was über manche Politiker an einem Tag an Schmutz und Jauche ausgegossen wird, müssen wir "Normalbürger" in einem Jahr nicht über uns ergehen lassen." Das ist wohl so und nicht erst neuerdings. Köhler war sich dessen sicher immer bewußt. Wenn er jetzt so heftig auf Kritik reagiert, dann weckt das in mir den Verdacht, dass hier jemand nur auf einen Anlass gewartet hat, um zu tun, was er ohnehin tun wollte: aussteigen!