Freitag, 6. Februar 2015

Vom Auf und vom Ab und vom Akzeptieren

Vom Fernsehsender Arte wurde am Welt-Krebs-Tag der faszinierende Film »Heute bin ich blond« ausgestrahlt. Er erzählt die wahre Geschichte einer 21jäghrigen, die aus heiterem Himmel erfährt, dass sie an Krebs erkrankt ist - mit einer 15prozentigen Überlebenschance. Der Kampf gegen die Krankheit, den die junge Frau aufnimmt, führt auf etliche Höhen und in manche Tiefen, die in eindringlichen Bildern gezeigt werden. Der Film endet mit der guten Nachricht, dass der Tumor restlos verschwunden ist.

Dass damit die Geschichte für Sophie van der Stap, so heißt die junge Frau im wirklichen Leben, nicht zu Ende ist, wird zwar nicht erzählt, aber es ist zu vermuten. Derart aggressive Chemotherapien und Bestrahlungen hinterlassen Schäden, sicher auch in einem so jungen Körper. Vielleicht berichtet Frau van der Strap in ihrem Buch darüber mehr, das habe ich nicht gelesen.

Der Arm zwei Stunden nach dem ChemieunfallMir geht es mit den Spät- und Dauerfolgen nicht immer gleich. Ich beobachte ein Auf und Ab, das keinem regelmäßigen Rhythmus folgt und auch keine Ursachen erkennen lässt.
Zum Beispiel der bei der Chemotherapie geschädigte rechte Arm:

Als es vor ein paar Wochen kalt wurde in Berlin, nahmen die Schmerzen deutlich zu, es ging so weit, dass ich den Arm kaum noch zu benutzen wagte und beispielsweise Notizen während der Arbeit mit der linken Hand anfertigte. Haushaltstätigkeiten wie Staubsaugen musste ich gänzlich einstellen oder eben »mit Links« bewältigen. Nachts wachte ich öfter auf, weil die Schmerzen durch eine ungünstige Lage des Arms überhand nahmen. Meine Vermutung war, dass die kalte Witterung dieses Ab verursachte - obwohl ich mich nicht an etwas derartiges im letzten Winter erinnern konnte. Heute ist es draußen immer noch kalt, aber das Schmerzniveau im Arm ist wieder auf das übliche Maß, das ich im Alltag kaum wahrnehme, zurückgegangen.

So ist es auch mit anderen Phänomenen, von der Verdauung über die erektile Dysfunktion und Fatigue bis zum Taubheitsgefühl in Fingern und Zehen: Auf und Ab, ohne für mich erkennbare Ursachen oder Zusammenhänge.

Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende. ~Demokrit

Ich will meinen Lesern, die selbst an Krebs erkrankt sind oder erkrankte Verwandte haben, und solche Leser gibt es wie ich weiß eine Menge, Mut machen: Seit ich vor längerem beschlossen habe, anstatt mit dem Schicksal oder Gott zu hadern und mich zu bemitleiden, werde ich damit besser fertig. Das heiß nicht, dass so etwas schön wäre oder leicht fällt. Das heißt nicht, dass ich mich zurückziehe und den Kampf auch gegen solche Symptome aufgebe. Nein, das heißt es nicht. Aber es liegt eine Menge Kraft im Akzeptieren von Tatsachen.

Der Arm drei Tage nach dem UnfallDas sieht bei mir, um auf das erste Beispiel zurückzukommen, so aus: Anstatt zu sagen: ich wünschte, mein rechter Arm wäre nicht beschädigt worden; anstatt zu jammern: warum musste eine so seltene Katastrope ausgerechnet mich treffen; anstatt Schuldige zu suchen: warum haben die Ärzte bei der Infusion nicht besser aufgepasst, warum hat Gott kein Auge auf die Situation geworfen ...

... sage ich mir: Das Gewebe ist zum Teil zerstört, die Nerven sind zum Teil irreparabel beschädigt. Das ist jetzt so. Der gesunde Arm ist Vergangenheit und kommt nicht wieder. Das ist die Situation, und nun schaue ich, wie ich aus den Tatsachen das Beste mache. Kann ich durch Vermeidung bestimmter Bewegungen Schmerzen vermeiden? Was kann ich alles auf die linke Hand übertragen? Kann ich durch Massage oder bestimmte Haltungen für eine Kräftigung der verbliebenen Muskeln sorgen? Ich probiere manches einfach aus, weil es hinreichende medizinische Erkenntnisse und ärztlichen Rat bei solch seltenen Fällen nicht gibt.

Manches hilft. Manches geht mal, dann wieder nicht. Was nicht funktioniert, funktioniert eben nicht. Damit finde ich mich ab und prüfe, ob es und wie es vielleicht auf andere Weise Besserung und Abhilfe gibt.

So ist es eben. Einiges gelingt. Anderes misslingt. Mal wird etwas deutlich besser, dann plötzlich wieder schlechter. Auch das kann ich akzeptieren, anstatt darüber zu jammern. Mein Glas ist nämlich immer noch halb voll, selbst wenn die Hälfte der Inhaltes verschüttet wurde und nicht wieder aufgefangen werden kann

Und manchmal, das hat die Geschichte von Sophie van der Stap mir wieder vor Augen geführt, reichen sogar 15 Prozent.

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