Meine Facebook-Freunde und –Bekannten wissen es bereits: Jessika kommt. Im Sommer 2015. Der Buchumschlag ist so gut wie fertig, der Roman auch.
Meinen treuen Blogbesuchern ist Jessika keine Unbekannte. Ein großer Teil des Manuskriptes wurde hier auf dem Blog in Fortsetzungen veröffentlicht, jeweils abgeschlossen mit einer Abstimmung, deren Ausgang darüber entschied, wie die Geschichte weiter gehen sollte. So zu schreiben waren Experimente für mich, die mir Spaß gemacht haben, den Lesern seinerzeit ganz offensichtlich auch, denn die Beteiligung war rege.
Im Sommer 2012, als ich durch die Chemotherapie ziemlich ans Haus gefesselt war, habe ich dann einen ersten Entwurf des Romans »Jessika« aus vielen Einzelteilen und neu geschriebenen Ergänzungen zusammengesetzt. Die vierzehnjährige Jessika aus dem ersten Kapitel wurde verjüngt, sie ist erst zwölf Jahre alt. Manche anderen Änderungen habe ich durchgeführt … dann bekamen andere Projekte Vorrang, ich musste erneut operiert werden … Jessika war fast vergessen.
Aber nun ist es soweit, dass das Buch über dieses unheimliche und undurchschaubare Wesen Gestalt annimmt. Wäre ich ein Freund von Anglizismen, würde ich jetzt schreiben, dass ein Sneak Preview folgt. Statt dessen formuliere ich lieber so: Hier folgt eine Leseprobe als Appetit- und Neugieranreger:
Ich ließ mir das Rührei mit Schinken schmecken und schaute dabei meinen Mail-Eingang auf dem schlauen Mobiltelefon durch. Hier unten im Restaurant war das hoteleigene W-LAN stark genug für einen zügigen Datenverkehr. Es waren keine persönlichen Mails eingegangen, lediglich ein paar Werbesendungen. Ich schaute bei Facebook nach, was meine virtuellen und wirklichen Freunde zu vermelden hatten. Einer von ihnen hatte gerade sein Buch Entschleunigung und Achtsamkeit … im ganz normalen Alltag veröffentlicht. Ich kannte einige seiner Blogartikel, auf deren Grundlage er das Buch zusammengestellt hatte. Da die gedruckte Ausgabe für nur 7,27 Euro zu haben war, klickte ich mich durch zur Amazon-Seite.
Als ich die Bestellung abschickte, setzte sich Jessika an meinen Tisch. Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und strahlte mich an: »Guten Morgen, Johannes.«
»Moin! So gut gelaunt und schon ausgeschlafen?«
»Allerdings. Warum auch nicht.«
Ich fragte: »Soll ich dir einen Kaffee mitbringen? Oder sonst was vom Buffet?«
»Gerne. Essen will ich nichts, aber ein Schuss Koffein kann nichts schaden.«
Ich stand auf und brachte zuerst zwei Tassen Kaffee zu unserem Tisch, dann ging ich für mich noch Rohlíky, Butter und Käse holen.
Während ich meinen Teller leerte, überflog Jessika in einer tschechischen Zeitung die neuesten Nachrichten. Es sei nichts sonderlich Aufregendes passiert, erklärte sie mir, Hamburg habe bei der Olympiabewerbung Berlin abgehängt, die deutsche Regierung habe Ärger mit der griechischen, in den üblichen Krisengebieten herrschten die üblichen Krisen. Sie legte die Zeitung beiseite, füllte unsere Kaffeetassen nach und brachte mir einen Teller mit zwei Tomaten.
»Gerade Männer sollten auf Tomaten nicht verzichten«, erklärte sie mir.
»Ich weiß. Wegen des Krebses.«
Aus ihrer Handtasche kramte sie Zigaretten und Feuerzeug hervor und meinte: »Schön, dass du konsequent den Genitiv benutzt. Ich mag sprachschlampige Menschen nicht sonderlich gerne leiden.«
Sie wartete, bis ich die Tomaten verspeist hatte und steckte dann zwei Zigaretten an, eine reichte sie mir.
»Danke«, sagte ich, »das kompensiert dann die Tomaten.«
»Umgekehrt.«
Wir rauchten genüsslich. Kaum hatten wir die Zigaretten ausgedrückt, war die Kellnerin mit einem frischen Aschenbecher zur Stelle.
Jessika trank den letzten Schluck aus ihrer Tasse und fragte: »Hast du Lust auf einen Altstadtbummel?«
»Gerne.«
»Gehen wir so ungefähr in zehn Minuten los? Ich hole meine Kamera, ich will ein paar Aufnahmen machen.«
»Und vorher noch mal aufs Klo gehen, prophylaktisch.«
»Wogegen ja nichts spricht, oder?«
»Natürlich nicht. Hier besteht ja hoffentlich nicht die Gefahr, dass du statt zu pinkeln zwei Männer erschießt.«
»Was sein muss, muss sein«, grinste sie und stand auf. »Also in zehn Minuten vor dem Hotel.«
Ob sie das Erschießen von Männern oder das Pinkeln gemeint hatte, blieb mir verborgen.
So. Das war’s für heute.
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P.S.: Wer spannende Lektüre zu schätzen weiß, dem könnte vielleicht auch dieses Buch aus meiner Feder gefallen: Sabrinas Geheimnis
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