Freitag, 21. August 2009

Die Hochzeitsrede

Heute sind wir zur vierten Hochzeit des Jahres 2009 geladen. Ich hatte neulich schon angemerkt, dass diese Trauung eine ganz besondere ist. Es heiratet nämlich mein jüngerer Sohn.

Als Vater des Bräutigams habe ich (unter anderem) die Ehre, am Nachmittag eine kleine Rede halten zu dürfen. Diese wird ungefähr so ausfallen:

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Liebe Nicole, lieber Christian.

Wer eine Rede zu halten sich anschickt, von der er vorher weiß, macht sich normalerweise Gedanken über das, was er sagen möchte. Der Anlass ist zu bedenken, genau wie die Zuhörerschaft. Die Länge der Rede soll weder ermüden noch mit einem vorschnellen Ende überraschen.
Ich habe dieses und jenes erwogen und verworfen, darunter das Ausleihen einer fremden Rede, um es mal etwas wohlwollend zu formulieren. Ich hätte zum Beispiel so anfangen, fortsetzen und enden können:
»Liebes Brautpaar, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es ist mir ein Bedürfnis und ich glaube nicht zuletzt und im Hinblick auf die anwesenden Damen oder besser gesagt das schönere Geschlecht.
Die Gastfreundschaft dieses Hauses meine Herren - wie sagt doch der Dichter: Ernst ist das Leben, heiter die Kunst, und ich freue mich dass die persönliche Anwesenheit von Familie Timm und darüber hinaus ganz besonders für die Jugend auch im Sinne dieses gelungenen Hochzeitstages.
Wir sollten wieder- auf - über - auch - hinaus unseren Dank an den Pastor und die verehrte gnädige Frau.«
Jedoch war zu erwarten, dass der eine oder die andere unter den Gästen hier Loriot kennt und schätzt, also werde ich das Gesagte selbstverständlich nicht sagen.

Statt dessen will ich die Gelegenheit nutzen, nicht in die Vergangenheit zu blicken. Auch dies hätte nahe gelegen, jedoch soll dies ja keine Beerdigung sein, liebe Nicole und lieber Christian, sondern wir feiern den Beginn eurer Ehe.

So ganz fremd seid ihr einander nicht, denn was einst eiserne Tradition war, ist heutzutage längst nicht mehr gültig. Euch beide haben nicht die Eltern für einander ausgesucht, wobei früher dem Vernehmen nach auch finanzielle und gesellschaftliche Interessen eine ausschlaggebende Rolle spielten, sondern ihr habt euch selbst gefunden, kennen und lieben gelernt. Vor - sagen wir 100 - Jahren ungefähr, hätte Christian zunächst bei Nicoles Eltern um ihre Hand anhalten müssen. Bei Tony Buddenbrook und Bendix Grünlich war das noch so. Sie war 18 Jahre alt, als der Hamburger Kaufmann um ihre Hand anhielt und außerordentlich bestürzt, als sie davon erfuhr. »Was will dieser Mensch von mir -! Was habe ich ihm getan -?« brach sie in Tränen aus. Tonys Mutter erklärte: »Die Verbindung, die sich dir darbietet, ist vollkommen das, was man eine gute Partie nennt, meine liebe Tony. […] du hast Zeit zur Überlegung. […] Aber wir müssen zu Bedenken geben, dass eine solche Gelegenheit, dein Glück zu machen, sich nicht alle Tage bietet, und dass diese Heirat genau das ist, was Pflicht und Bestimmung dir vorschreiben. Ja, mein Kind, das muss ich dir vorhalten.« Auch Tonys Vater hatte sich nach Einsicht in die Geschäftsbücher des ehrenwerten Herrn Grünlich entschieden: »Ich kann nicht anders, als diese Heirat, die der Familie und der Firma nur zum Vorteil gereichen würde, dringend erwünschen!«

Wir wissen alle, dass keine derartigen Verhandlungen zu Eurer heutigen Eheschließung führten, und das lässt die Hoffnung zu, dass ihr - anders als Tony und Bendix seinerzeit - miteinander glücklich seid und bleiben werdet.

Falls nun übrigens jemand unter den Gästen hier meint, ich hätte eben doch - wortbrüchig zu meiner Ankündigung vor wenigen Minuten - in die Vergangenheit geblickt, so sei mein Widerspruch oder Einwand erlaubt: Es war immerhin nicht Christians Vergangenheit, und auch nicht Nicoles.

Dies wäre nun der Absatz in meiner Rede, der die Gelegenheit bietet, Euch gute Ratschläge für ein harmonisches Miteinander bis dass der Tod euch scheidet zu geben. Jedoch: Ich habe keine Patentrezepte mitgebracht. Wenn ich irgend etwas aus meiner eigenen Vergangenheit gelernt habe, dann nur die Tatsache, dass es keine Garantie für das Ausbleiben von Problemen und Schwierigkeiten gibt. Ich will und kann euch beiden nur wünschen, dass ihr damit umzugehen vermögt, dass ihr immer den Sonnenaufgang nach der Nacht, so dunkel sie auch ausfallen mag, erahnen könnt.

Dabei darf man auch mal Fantasie entwickeln und sich selbst zum Affen machen: Stellen wir uns mal vor, wie eine Affenherde unter einer Palme lebt. Die Mitglieder ernähren sich von den Früchten, die sie vom Boden aus erreichen können oder die gelegentlich herunter fallen.
Ein junger Affe entdeckt eines Tages, dass er eigentlich geschaffen ist, um in den Bäumen zu klettern und beschließt, auf die Palme zu steigen. Zudem gibt es dort viele besonders leckere Früchte, die man von unten zwar sehen, aber nicht erreichen kann. Die anderen Tiere raten ihm dringend davon ab: »Das ist viel zu gefährlich, da ist mal einer raufgeklettert und herunter gefallen, das könnte dir auch passieren... außerdem ernähren wir uns doch schon seit Generationen bequem vom Boden aus!«
Aber die Argumente fruchten nicht und der Affe schickt sich an, auf die Palme zu klettern. Da stürzen die anderen besorgt herbei, schreien herum und halten ihn an der Ferse fest. In dem Tumult stürzt er und holt sich ein paar Prellungen. So gelingt es mit vereinten Kräften, diesen Affen von seinem verwegenen Plan abzuhalten und er vergisst sein Verlangen mit der Zeit, bringt es mit den erlittenen Schmerzen in Verbindung und tut es später als eine Dummheit der Jugendzeit ab.
Nach vielen Jahren gibt es da wieder einen jungen Affen, dem die Früchte oben in der Palme so verlockend erscheinen, dass er gegen alle Gewohnheiten hinauf klettern möchte. Da kommt ein erfahrener, alter Affe zu ihm, legt freundschaftlich den Arm um ihn und sagt: »Sei nicht dumm - früher hatte ich ja auch mal diese Idee, aber es ist viel zu gefährlich und bringt auch nichts - wir ernähren uns doch schon immer bequem von den Früchten, die wir vom Boden aus erreichen können...«
Aber dieser Affe steigt hinauf und ...

So, bevor das Gähnen der Gäste überhand nimmt, will ich lieber zum Schluss kommen. Liebe Nicole, lieber Christian, so sehr ich Loriot schätze und genieße, nicht immer sind seine Sätze unbedingt der absoluten Wahrheit gleichzusetzen. »Männer und Frauen passen einfach nicht zueinander!« - ihr beide dürft nun in Eurer Ehe das Gegenteil beweisen.

Meine und unsere besten Wünsche und Gratulationen begleiten euch dabei.

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Inwiefern sie abgewandelt ausfallen wird, die Hochzeitsrede, sei dahingestellt. Manchmal fällt mir spontan noch etwas ein oder aus. Jedenfalls: Heute wird geheiratet. Und das ist auch gut so.

Morgen bekommen die geschätzten Bloglieser hier einen ebenfalls bereits avisierten Beitrag zu Gesicht, den ich für die Hochzeitszeitung geschrieben habe.

P.S.: Für das Affengleichnis habe ich Bento zu danken: Danke!

Donnerstag, 20. August 2009

Wie versprochen: Das Ende als PDF

Nun gibt es die versprochene überarbeitete und ergänzte Version meiner Gedanken zum Ende der charismatischen Bewegung am Stück und als PDF zum Download:

Das Ende der charismatischen Bewegung

Wie immer bei meinen Texten: Darf weiterverwendet und weitergegeben werden. Link zur Quelle wäre nicht verkehrt.

Dienstag, 18. August 2009

Unanständiges aus Westfalen

Bei einer etwa 40 Kilometer langen Rundfahrt auf im Hotel geliehenen Fahrrädern haben wir neben wunderbaren Radwegen durch bezaubernde Landschaften - immerhin nennt sich die Gegend hier Mühlenkreis - tatsächlich Windmühlen (Plural) und eine Roßmühle (Singular) zu sehen bekommen.

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In einem Heimatmuseum allerdings stießen wir auf Unanständiges. Da war auf einer Tafel mit Erläuterungen zu mittelalterlichen Kopfbedeckungen ein Wort zu lesen, das nicht nur verpönt ist, sondern auch zur in einem Museum zu erwartenden Sprachkultur nicht passen will:

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Und die Moral von der Geschicht: Genauer hinsehen lohnt sich immer. Ein Fuck ist - je nach Zusammenhang - auch eine sehr züchtige und wohlanständige Angelegenheit, nämlich eine Frisur. Womit die westfälische Ehre wieder hergestellt ist.

Montag, 17. August 2009

Das Kreuz mit der Wahl

Für Berliner zum Vormerken auf dem Kalender: Am 7. September wird es gegen 19:30 Uhr in der Gedächtniskirche spannend:

kreuzmitderwahlAuch wer schon weiß, an welche Stelle des Stimmzettels zwanzig Tage später das Kreuz sorgfältig hin gemalt werden wird, kann sicher die eine und die andere interessante Aussage zu hören bekommen – auf Fragen, die sonst kaum öffentlich gestellt werden.

Sonntag, 16. August 2009

Die Bösen

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Gestern: Sonne, Segel, Sandstrand. Und keine Badegäste. Von weitem wundert man sich: Sind die Westfalen und ihre Touristen alle wasserscheu?

Doch aus der Nähe betrachtet wird es klar, dass die Bösen am Werk sind. In diesem Fall wurden sie als Blaualgen identifiziert.

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Wir haben keinen geistlichen Kampf gegen die Bösen veranstaltet, uns nicht weiter verdrießen lassen und sind in ein Boot statt ins Wasser gestiegen.

Samstag, 15. August 2009

Dörflicher Wahlkampf

DSC06385Wenn ich diese Reihe von Plakaten in Rahden (unserem derzeitigen Aufenthaltsort) richtig deute, dann wird der Wahlkampf hierzulande mit Waffen statt mit Stimmzetteln entschieden.

Vielleicht ein Modell für die gesamte Bundesrepublik? Gebt den Kandidaten ein paar Flinten in die Hand, und der Schützenkönig darf Kanzler werden.

Zumindest könnte man damit etliche Millionen Euro sparen, die der Wahlkampf und die Durchführung der Wahl kosten. Das wäre doch sicher im Sinne des Volkes.

Freitag, 14. August 2009

Storch getroffen...

...heute bei einem Ausflug. Ganz zufällig, war nicht verabredet.
Gepredigt hat er nicht, aber irgendwie doch sehr weise ausgesehen.

Und sonst? Sonne, Sauna, Saumseligkeit. Sehr schön. Sehr erholsam.

Donnerstag, 13. August 2009

Angekommen...

DSC06382 ...im Urlaub. Ein Örtchen mit 16.500 Einwohnern, schön ruhig und mal was anderes als die gewohnte Großstadt.

Rahden heißt der Fleck auf der Landkarte, den kennt kein Mensch außer den Einwohnern und, dem Hotelparkplatz zufolge, jede Menge Hamburger. Nicht die, welche in Fast-Food-Restaurants verkauft werden und Leute dick machen, sondern Menschen, die aus Hamburg kommen.

Am Nachmittag haben wir zu Fuß die - na ja - Innenstadt nennt man das hier, erforscht. So etwa 10 Geschäfte, eine Kirche, ein Bahnhof und ein paar Bäckereien mit Kaffeeausschank.

Das hiesige Bier nennt sich Barre und schmeckt recht angenehm. Am Abend gab es Erlesenes der Westfälischen Kochkunst im Hotelrestaurant. Das Foto zeigt aber nicht das Restaurant, sondern meine Wenigkeit nach der Ankunft auf der Terrasse des Hotels beim ersten Freizeitgenuss nach etwa vierstündiger Fahrt.

So. Nun. Erst mal gute Nacht, liebe Welt.

Errettung auf dem kleinen Bildschirm

bolz-weber Würde ich mich freiwillig 24 Stunden lang dem Programm eines Bibel-Fernsehsenders aussetzen? Ich glaube kaum. Die psychisch-gesundheitlichen Schäden wären ja kaum abzusehen. Aber Nadia Bolz-Weber hat es getan – offenbar sind Frauen manchmal sehr tapfer!

Nadia Bolz-Weber ist lutherische Pastorin der ELCA in den Vereinigten Staaten. Sie hat in Denver, Colorado, wo sie mit ihrem Mann und ihren Kindern lebt, die emergente Gemeinde House for all Sinners and Saints (www.houseforall.org) gegründet. Diese versteht sich als urbane liturgische Gemeinschaft, die in all ihrer Progressivität tief lutherisch-theologisch verwurzelt ist.
Im vergangenen Jahr veröffentlichte Nadia Bolz-Weber ihr Buch „Salvation on the Small Screen? 24 Hours of Christian Television“, ein theologischer und soziologischer Kommentar der amerikanischen Medienlandschaft, basierend auf einem Selbstversuch sich 24 Stunden dem TV-Programm des Bibelsenders Trinity Broadcasting auszusetzen. Die Auswertung des Buches geschieht auf hinreißende Art und Weise mit einem kritischen Blick und wachem Verstand aber auch mit einer gehörigen Portion Humor und komödiantischem Können.

Aus ihrem Buch liest Nadia Bolz-Weber am 3. September ab 19:30 Uhr in der EFG Berlin Schöneberg im Rahmen eines Themenabends. Berliner und Umländler: Das sollte man sich nicht entgehen lassen. Also vormerken: 3. September 2009, 19:30 Uhr, Hauptstraße 125, 10827 Berlin.

Eintritt natürlich frei, und es wird auch ins Deutsche übersetzt.

P.S.: Nadia Bolz-Weber sagt über ihr Buch: »This is my book. It will change your life. Ok, not really.« Na, was will man mehr?

Dienstag, 11. August 2009

Seit gestern habe ich endlich…

u(h)r laub

Nur zwei Wochen, und die ersten beiden Tage boten noch reichlich arbeitsame Bestandteile. Auch morgen will noch dieses und jenes getan werden, aber dann geht es raus aus Berlin und rein ins Hotel. Mit Sauna und Wellnessbereich und Fahrradverleih und Wasnochalles.

Der kleine Eee darf mit, damit die digitale Welt nicht völlig verloren geht, und immerhin gibt es im Hotelzimmer ja auch WLAN und so weiter. Also dürfen die geschätzten Blogbesucher nicht damit rechnen, in den nächsten 10 Tagen von meinen Beiträgen verschont zu bleiben…