Freitag, 4. Juni 2010

Henning Mankell – kein Feind im Schatten

Henning Mankell und Axel MilbergMan muss ja nicht die politische Überzeugung eines Schriftstellers teilen, um seine Werke zu mögen und zu genießen. Henning Mankell sieht – aus meiner Sicht – die Lage im Gazastreifen recht einseitig. Deshalb muss er jedoch nicht mein Feind sein oder im Schatten stehen. Von seiner Sicht auf Gaza und Israel war bei der Lesung in der Volksbühne gestern Abend auch eher am Rande und nur am Schluss die Rede.
Es ging in erster Linie um den Autor, der gerade den zehnten (und letzten) Roman mit seiner Figur Kurt Wallander vorgelegt hat; Der Feind im Schatten-so der Titel der deutschen Ausgabe. Das Buch habe ich noch nicht gelesen, aber es liegt schon zu Hause bereit. Nach der Lektüre werde ich meine Blogbesucher sicher meine Eindrücke wissen lassen.
Axel Milberg las auf Deutsch das 21. Kapitel vor –beeindruckend, souverän, meisterhaft. Der Mann ist nicht nur ein hervorragender Schauspieler, sondern auch ein perfekter Vorleser. Er zog die Zuhörer regelrecht in seinen Bann und in den Text hinein. Mich allemal. Die anderen offenbar auch. Wunderbar.
Henning Mankell erzählte eine Menge über das Schreiben – sein Schreiben, was mir natürlich besonders interessant war. Beispielsweise dass er oft zuerst das Ende einer Geschichte niederschreibt, weil er ein Ziel haben muss, wissen muss, wohin er eigentlich will beim Erzählen. Das, was ich gelegentlich erlebe, dass die Figuren ein Eigenleben entwickeln und mich beim Schreiben in unvorhergesehene Richtungen führen, hält er lediglich für eine – immerhin schöne – Mär, die von Autoren gerne erzählt wird.
Er brach auch eine deutliche Lanze für den langen, über mehr als 500 Seiten ausgedehnten Roman. In einer immer hektischeren und zunehmend schnelllebigen Zeit sei das für viele Leser eine Oase der Ruhe, der Verlangsamung, des Innehaltens. So etwas wie ein ruhiger Spaziergang, bei dem man Details wahrnimmt, die dem Autofahrer verborgen bleiben.
Henning Mankells Erlebnisse bei der Fahrt nach Gaza und während des anschließenden Gewahrsams in Israel kamen nur am Schluss des Abends zur Sprache. Dass dieses Thema nicht ausgespart werden konnte, war voraussehbar, denn bis zum Mittwoch war noch unklar, ob die Lesung in Berlin überhaupt stattfinden kann. Es war also ein zu 90 Prozent der Literatur und dem Schreiben gewidmeter Abend, und das war auch gut so. Ich habe davon profitiert und freue mich, dass ich dabei sein konnte. Zu verdanken habe ich das Vergnügen der besten aller Ehefrauen, die uns spontan und rechtzeitig die Eintrittskarten gekauft hatte.

Donnerstag, 3. Juni 2010

Am Ball bleiben – nicht nur beim Fußball

Am Ball bleiben! In den nächsten Wochen, wenn Afrika auf vielen Bildschirmen in unserem Land erscheinen wird, beginnen die Haushaltsverhandlungen für 2011 – keine leichte Aufgabe für die Regierung, insbesondere den Finanzminister.

ONE hat eine Aktion gestartet, damit trotz der angespannten Haushaltslage Deutschlands Verantwortung und unsere zurückliegenden Versprechen zugunsten der Ärmsten nicht unter den Tisch fallen. Jeder kann sich beteiligen, indem er eine (möglichst persönliche) Mail an den Bundesfinanzminister schreibt. Ein Textvorschlag steht zwar bereit, aber je individueller, desto besser.

Vielleicht sind ja auch unter meinen geschätzten Blogbesuchern einige, die sich anschließen möchten? Mehr Details beim Klick auf das Bild oder [hier].

P.S.: Mein persönlich angepasster Text sah so aus:

Sehr geehrter Herr Bundesminister Schäuble,

in wenigen Tagen schaut die ganze Welt auf Afrika, allerdings besteht Interesse wohl überwiegend am Fußball. Doch darf das bei aller Begeisterung für solche Großereignisse alles sein? Deutschland hat sein Engagement für Afrika in den vergangenen Jahren verstärkt und damit zu wichtigen Erfolgen beigetragen.

Nun hat auch unser Land mit den Folgen der Finanzkrise wohl noch eine ganze Weile umzugehen, und um Ihre Aufgabe als Bundesminister sind Sie wahrlich nicht zu beneiden. Meine Hochachtung ist Ihnen sicher für die schwierige Arbeit, die Sie bewältigen.

Angesichts der noch immer bitteren Armut in Afrika bitte ich Sie: beherzigen Sie bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen für das Jahr 2011 auch unsere Verantwortung im Kampf gegen extreme Armut. Gerade in Krisenzeiten sollte auf uns Verlass sein.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, wünsche Ihnen weiterhin Durchsetzungsvermögen und Kraft für die Arbeit und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Günter J. Matthia
Soester Str. 21-23
12207 Berlin

Mittwoch, 2. Juni 2010

MRR zum 90sten herzliche Glückwünsche!

Foto: WikipediaVor knapp zwei Jahren zeigte er bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises seine Empörung über das ihm zugemutete Programm, indem er die Auszeichnung ablehnte. »Ich nehme den Preis nicht an«, polterte Marcel Reich-Ranicki. Selbst der Routinier Thomas Gottschalk war einige Momente sprachlos.

Heute wird der Literaturkritiker, der mit seiner Frau Tosia 1943 aus dem Warschauer Getto flüchtete und im Untergrund überlebte, 90 Jahre alt.

Am 6. Juni wird sich zeigen, wie er auf eine weitere geplante Ehrung live im Fernsehen reagiert. Bei der Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche wird Harald Schmidt Brecht-Lieder singen, der Publizist Henryk M. Broder und FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher wollen eine Ansprache halten - ebenso wie Thomas Gottschalk, den seit der legendären Fernsehpreis-Gala in Köln eine Freundschaft mit Reich-Ranicki verbindet..

Reich-Ranicki kann auch versöhnlich auf andere zugehen: Mit Günter Grass und Walter Jens hat er sich versöhnt. 1995 verriss Reich-Ranicki Grass' Roman »Ein weites Feld«. Der Literaturnobelpreisträger nahm ihm die Kritik persönlich übel; jahrelang herrschte Funkstille - doch schließlich sprachen sie sich aus. Den Streit mit dem Rhetorik-Professor Jens beendete Reich-Ranicki 2004. Die langjährigen Freunde hatten sich nach der Wiedervereinigung Anfang der 90er Jahre gezankt und etliche Jahre unversöhnlich gezeigt. 

Versöhnt: MRR und GG »Literatur ist mein Leben«, sagte Reich-Ranicki einmal. Hellmuth Karasek, der in den Jahren des »Literarischen Quartett« stets dabei war, beschrieb ihn so: »Er hat nur einen Glauben, den an die Überlebenskraft der Literatur und Kultur. Dieser Glaube ist frei von falschen Illusionen, aber er ist schön und stark.«

Ich habe Marcel Reich-Ranickis Buch »Mein Leben« viele bewegende, mitreißende und horizonterweiternde Lesestunden zu verdanken. Aufgrund seiner Kritiken - durchaus auch bei Verrissen - habe ich manch gutes Buch gefunden. Noch immer schreibt er für die FAZ seine Kolumne, auf die ich mich Woche für Woche freue. Hoffentlich bleibt es noch lange dabei.

Herzlichen Glückwunsch, Marcel Reich-Ranicki!

Dienstag, 1. Juni 2010

Nur ein Traum?

Ich träumte,
...dass meine Nachbarn meiner Familie und mir das Existenzrecht absprachen,
...dass sie von ihren Grundstücken aus auf mein Haus und in meinen Garten schossen,
...dass ich zu unserem Schutz eine Mauer um unser Grundstück errichtete,
...dass die Nachbarn darüber empört waren,
...dass aus der ganzen Stadt Menschen kamen, um die Mauer zu durchbrechen,
…dass ich ihnen zurief, ich würde mich verteidigen,
...dass ich die Leitern, mit deren Hilfe sie die Mauer überwinden wollten, umschubste,
...dass die Empörung darüber in der ganzen Stadt zu noch mehr Feindschaft führte.

Ich wachte auf und murmelte: Gott sei Dank, nur ein Traum.

Das Lied zum Dienstag

Was ändern schon ein paar Jährchen im Leben einer Rockband?

Na ja. Die Bühne ist etwas größer geworden.

Montag, 31. Mai 2010

Bundespräsident Köhler – wieder ein schäbiger Sieg der Medien?

image

Es ist das gleiche Muster wie leider schon so oft in den letzten Jahren. Die Medien – auf der Suche nach immer sensationelleren Skandalen, um Auflage und Werbeeinnahmen zu steigern – nehmen ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Sätze oder Äußerungen und stellen Personen an den öffentlichen Pranger, ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt der Meldungen.

Selbst nach dem Rücktritt von Bundespräsident Köhler macht beispielsweise »FOCUS« genau so weiter: »…tritt wegen Afghanistan-Äußerungen zurück« schreibt man fett über die Meldung.

Im Bericht wird die Überschrift gleich im ersten Absatz als Lüge entlarvt – aber sie springt halt so schön ins Auge. Bringt womöglich ein paar Millionen Euro auf das »FOCUS«-Konto.

Im Bericht heißt es: »Die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung, sagte Köhler am Montag in Berlin. Das lasse den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vermissen.«

Also tritt er wegen der Afghanistan-Äußerungen zurück oder weil so manche Medienschaffenden jeglichen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vernichtet haben und auch offensichtlich kein Berufsethos mehr kennen?

»FOCUS« ist nur ein Beispiel von vielen gleich in den ersten Minuten nach Köhlers Erklärung. Die deutsche Medienlandschaft wird immer mehr zum Jammertal.

Vom Fliesenschrubben zum Hornbylesen

Am Samstag musste die beste aller Ehefrauen etwas unternehmen, was sie bei Facebook so umschrieb: »Provided a significant boost for the German economy: shopping spree at a fashion outlet today!« Derweil widmete ich mich der heimischen Unternehmung, den Balkon von den restlichen Spuren des Winters zu befreien, die vornehmlich auf den Bodenfliesen zu finden waren.
P5291212Mit heißem Wasser, Intensiv-Grundreiniger, Schwämmchen und Schrubber ging es ans Werk.  Beim Verrücken der Bank, auf die ich leere Töpfe vorübergehend gestapelt hatte, kam es zu einem Kollateralschaden.
P5291214 Das war schade aber nun auch keine Katastrophe, denn die Balkonbewohner haben bereits alle ihr terracottenes Zuhause und für mehr Vegetation ist einfach sowieso kein Platz, solange wir den Balkon auch zukünftig betreten und besitzen möchten. Zum Beispiel wohnen da diese drei:
P5291218 Der Farn ist nach dem langen und kalten Winter so groß geworden wie noch kein Jahr zuvor – und er scheint immer noch zu wachsen. Der Bambus ist neu bei uns, weil das Olivenbäumchen vom Winter ermordet wurde. Und die Fette Henne zu Füßen der beiden Großen wächst und gedeiht wie jedes Jahr.
Nach rund drei Stunden Schrubben und Wischen und Schrubben und Wischen jedenfalls konnte ich den Lohn der Mühe erkennen. Saubere Fliesen und ziemlich saubere Fliesen. Die Fugen dazwischen sind und bleiben rustikal.P5291215Als die beste aller Ehefrauen von ihrer anstrengenden Aufgabe zurückkehrte, war ich fast fertig. Wenig später dann völlig fertig. Und so sieht sie in diesem Jahr aus, die am Spätnachmittag und Abend besonnte Hälfte, in der sich auch der Grill hinter einem Stuhl zu verstecken versucht:
P5291219 Die andere, vom Morgen bis zum frühen Nachmittag von der Sonne heimgesuchte Hälfte ist der hauptsächliche Aufenthaltsort, wenn wir unser Draussenzimmer benutzen:
P5291217 Da stellte ich mir auch meinen Lohn für die Arbeit bereit. Denn schließlich muss es dabei bleiben: Nach der Arbeit kommt das Vergnügen.
P5291216So. Der Sommer kann kommen. Am Sonntag war es schon wieder vorbei mit dem schönen Wetter. Besteht denn noch Hoffnung auf angenehme Temperaturen oder war der Samstag der Wetterhöhepunkt 2010?

Sonntag, 30. Mai 2010

Samstag, 29. Mai 2010

Stephen King: Blockade Billy

billyIch habe manches nicht verstanden, was in diesem Buch George "Granny" Grantham, der einst die Mannschaft trainierte, in der William Blakely Baseball gespielt hat, erzählt.
Das lag allerdings nicht am Autor, sondern an mir, denn ich verstehe nichts, zero, nothing, nada, rien von den Baseball-Regeln. Und dies ist nun mal auch ein Buch über Baseball.
Und doch habe ich die Novelle mit Vergnügen und Spannung gelesen, denn es geht nicht nur um diesen ziemlich unverständlichen amerikanischen Sport, der wohl zeitweise die Nation in Atem hält. Baseball ist die Kulisse, Blockade Billy die Person mit dem finsteren Geheimnis und…
…only Stephen King, the most gifted storyteller of our age, can reveal the truth to the world, once and for all.
Wie in dem Roman Dolores Claiborne ist auch dieses Buch ein einziger Monolog, den Stephen King »nur aufgeschrieben« hat. Erzählt wird, wie oben gesagt, von Grantham, der ins Altersheim abgeschoben froh ist, dass »Mr. King« ihn besucht und seinem Bericht zuhört.
Of course, no one asks me much of anything in here, except if I’d like to sign up for Polka Night at the K and P Hall downtown or something that’s called Virtual Bowling. That’s right here in the Common Room. My advice to you, Mr. King-you didn’t ask for it, but I’ll give it to you-is don’t get old, and if you do, don’t let your relatives put you in a zombie hotel like this one.
Das, was der alte Mann zu erzählen hat, ist wieder mal so gut geschrieben, dass der britische Verleger Phillipa Pride sich öffentlich fragte:
It’s another gripping, tale from the master: how does he captivate you so completely from page one and hold you in his brilliantly powerful and dark grip until the last page?
Ja, wie macht er das, der Stephen King? Statt darüber zu fachsimpeln, empfehle ich den geschätzten Lesern, sich diesem Leseabenteuer auszusetzen, auch wenn jemand nichts vom Baseball verstehen sollte. Wieder einmal habe ich immer langsamer gelesen, je weiter ich die 120 Seiten umblätterte, denn das Buch hat einen gravierenden Fehler: Es ist viel zu dünn.
Zu finden zum Beispiel bei Amazon: Blockade Billy ---    Blockade Billy als Hörbuch---    ...und für den Kindle.
P.S.: Falls jemand was vom Baseball versteht – um so unterhaltsamer vermutlich.

Freitag, 28. Mai 2010

Alles, was mit Nudeln zusammen auf den Teller kommt.

Günther (mit h) Hess stellt gelegentlich für seinen Berlin-Blog »In meiner Straße« Zeitgenossen zehn Fragen über Berlin und das Leben an und für sich.

Ich habe zehn Antworten gegeben. Mehr über Nudeln, Lieblingsbücher, ein Zitat von Xavier Naidoo und Weiteres kann das geschätzte Publikum daselbst nachlesen: [10 Fragen / 10 Antworten]