Mittwoch, 4. August 2010
Regentag sorgt für aufgeräumte Regale
Dienstag, 3. August 2010
Elfriede Jelinek: Lust
Diese Landschaft ist recht groß, das muß gesagt werden, eine lockere Fessel um unser Schicksal, das im Nebel liegt.
Mit solchen Sätzen könnte man sich ja noch anfreunden. Doch wenn es dann über zwei Burschen auf Mopeds heißt…
Es stürzen sie und fallen.
…dann runzelt man die Stirn. Mindestens.
Dieses Buch hat keine Handlung. Es hat keinen Stil und kein Niveau. Womöglich hat sich Frau Jelinek etwas dabei gedacht, mehr als 200 Seiten grauenhaft verschwurbelte Sätze und Satzbrocken zu Papier zu bringen, womöglich wollte sie provozieren. Womöglich wollte sie ein feministisches Denkmal setzen, womöglich gar in der Gesellschaft etwas in Bewegung bringen.
Doch das ist dadurch, dass dieses Werk, das vermutlich bewusst nicht die Bezeichnung »Roman« auf dem Titel trägt, unlesbar ist, gründlich misslungen. Wer etwas bewirken und bewegen will, muss sich schon einer Sprache bedienen, die der Leser auch mehr als 50 Seiten lang erträgt.
Der Vater wirft sich auf die Sparbüchse der Mutter, wo ihre Heimlichkeiten sich aufhalten, um vor ihm verborgen gehalten zu werden. Von einer Stunde zur andren, ob gewichtige Nacht oder wichtiger Tag, er ist der einzige Einzahler, er gerät außer sich. Sein Geschlecht ist ihm schon fast zu schwer zum Heben.
Diese Sätze sollen den Geschlechtsverkehr illustrieren, oder auch solche:
Er stopft sein Geschlecht in die Frau. Die Musik schreit, die Körper schreiten voran. … Die Waffe trägt er unter dem Gürtel. Jetzt ist er wie ein Schuß herausgeknallt. … Der Mann hat sich heiter ergossen und geht, während Schlamm aus seinem Mund und seinem Genital austritt, sich vom Genuß seines Tagesgebäcks säubern.
»Lust«, 1989 erschienen, habe ich auf einem Flohmarkt für 50 Cent als Taschenbuch gekauft, da ich noch kein Werk von Jelinek gelesen hatte. Ich hätte die 50 Cent besser einem Obdachlosen gespendet oder in den Opferstock einer katholischen Kirche eingeworfen, um guten Gewissens eine Kerze entzünden zu können, obwohl ich nicht katholisch bin.
Keine Handlung. Keine Sprache. Nur eine wüste Abfolge von abstrusen Sätzen, verunglückten Metaphern und aufgebauschten Nichtigkeiten. Ich habe 50 Seiten durchgehalten, weiter werde ich nicht lesen. Es wird mir wohl nichts entgehen, wenn ich das Buch nun größtenteils ungelesen weglege. Und Lust auf andere Werke von Frau Jelinek kann nach diesen 50 Seiten nicht entstehen.
Mein Fazit: Selbst wenn es für 50 Cent auf dem Flohmarkt zu finden ist: Finger weg von diesem unlesbaren, überflüssigen und grauenhaften Buch.
Montag, 2. August 2010
Wird Berlin 2011 grün?
Wenn sie den Regierenden Bürgermeister direkt wählen könnten, würden sich 40 Prozent für Künast entscheiden, 37 Prozent für Klaus Wowereit. 18 Prozent sind unentschlossen. Für Künast weist die Umfrage hohe Zustimmung in anderen politischen Lagern aus. So sagten 62 Prozent der befragten SPD-Anhänger, es sei gut, wenn Künast Regierende Bürgermeisterin würde. (Berliner Morgenpost)
Die Bürger hätten ja kürzlich einen anderen Bundespräsidenten gewählt, durften aber nicht. Auch bei den Berliner Wahlen im Herbst 2011 wird nicht über einen Direktkandidaten abgestimmt, sondern über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses. Die dorthin gewählten Damen und Herren werden dann eine Bürgermeisterin oder einen Bürgermeister wählen, eine/n Regierenden sogar. (Gibt es eigentlich in anderen Bundesländern und Städten Nichtregierende Bürgermeister?)
Ich gehöre nicht zum politischen Lager von Frau Künast, könnte mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch vorstellen, dass mein Kreuz auf dem Wahlschein zum Grün tendieren wird, falls die Wahl dann zwischen Wowereit und Künast entscheiden soll. Für die beiden kleinen demokratischen Parteien (CDU 17 Prozent, FDP 4 Prozent) zu stimmen, kommt ja schon fast der Abgabe einer Papierkorbstimme gleich.
Frau Künast haben wir mal vor einer Weile beim Einkaufen getroffen, mit zwei politisch korrekten Jutetaschen kam sie uns entgegen. Sie hat sogar gelächelt. Dem Vernehmen nach soll sie gar nicht so verbissen sein, wie sie im Fernsehen häufig wirkt, sondern Humor, Aufrichtigkeit und Offenheit besitzen.
Herrn Wowereit haben wir beim Einkaufen noch nicht getroffen, muss auch nicht sein.
Na ja. Es wird (voraussichtlich) noch ein Jahr dauern, bis der Wahltermin heranrückt. Aber man kann ja als Berliner schon mal überlegen…
Sonntag, 1. August 2010
Mir henn a neies Lamm
Mein Schulkamerad Robin wohnte auf einem Dorf vor den Toren der Stadt Memmingen. Wenige Wochen erst war ich, ein Berliner Junge, in der Kleinstadt im Allgäu zu Hause. Ich lernte die ungewohnte Sprache zu verstehen, in der sich Kinder und Erwachsene unterhielten.
»Mogst a Gschöpftes?«, hatte mich die Bäckerin gefragt, als ich ein Brot kaufen wollte. Ich nickte tapfer, ohne zu wissen, was sie mich gefragt hatte.
»So a Simple, so a damischer! Saubua!«, rief mir eine Dame hinterher, als ich wie aus Berlin gewohnt mit dem Fahrrad zügig auf dem Gehweg unterwegs war. Ich lächelte sie an – vom Ton etwas irritiert, aber sie mochte ja durchaus etwas Nettes gesagt haben.
»Mir henn a neies Lamm, mogst des ohschaun?«, hatte mich Robin nach der Schule eingeladen. Ich verstand wieder nur Bahnhof, aber ich schloss mich ihm an, denn er wurde gerade mein Freund. Als er fortfuhr, es gebe zum Mittagessen »Kässpatzen«, wurde mir mulmig. Ich stellte mir Sperlinge vor, irgendwie mit Käse zubereitet. Die Spatzen erwiesen sich zu meiner großen Erleichterung als Teigwaren, und das Lamm eroberte mein Herz in Sekunden.
Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein,
sagte Albert Einstein. Was aber braucht man, um ein tadelloser Hirte zu sein? Man könnte ja mal denjenigen betrachten, der von sich selbst sagte:
Ich bin der gute Hirte…
Und schon bei der Fortsetzung des Satzes wird manchem bewusst, dass der Anspruch an einen guten Hirten recht hoch ausfallen kann:
…der sein Leben lässt für die Schafe.
Was war diesem Satz (Johannes 10, 11) vorausgegangen? Jesus hatte einen Menschen geheilt, der von Geburt an blind gewesen war. Das erregte erhebliches Aufsehen in der Gegend. Die Berufshirten der örtlichen Gemeinde befragten den Geheilten und seine Eltern, wollten unbedingt einen Grund finden, diese Heilung, die nicht zu leugnen war, einem »Geist von unten« zuzuordnen. Sie erläuterten dem Geheilten, dass Jesus nachweislich ein Sünder sei. Der Mann antwortete:
Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht; eins weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe.
Schließlich warfen die Hirten den Mann aus der Herde – der einfachste Ausweg. Das Problem war nicht gelöst, aber aus dem Blickfeld. Nach diesen Ereignissen spricht Jesus mit seinen Zuhörern, unter denen auch einige der Berufshirten sind, darüber, was einen guten Hirten von jemandem unterscheidet, der lediglich einen Beruf ausübt, ein Amt, eine Funktion.
Wer Mietling (ein gegen Lohn angestellter Hirte) und nicht Hirte ist, wer die Schafe nicht zu eigen hat, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf raubt und zerstreut sie – weil er ein Mietling ist und sich um die Schafe nicht kümmert. (Johannes 10, 12-13)
Pfarrer, Pastor, Priester – wie immer die Bezeichnung für dieses Amt auch in der jeweiligen Konfession lauten mag, die Aufgabe ist die gleiche: Der Hirte sorgt dafür, dass die Schafe Wasser und Nahrung haben, ist in der Lage, ein verletztes Schaf zu versorgen, und wenn Gefahr droht, ist es der Hirte, der sie abwendet, nicht etwa die Herde. Der Hirte weiß, dass Lämmer Milch brauchen und erwachsene Schafe feste Nahrung. Der Hirte kennt die Schafe so gut, dass er es bemerkt, wenn ein Schaf leidet, wenn ein Schaf fehlt. Er bemerkt es nicht nur, sondern er reagiert und ruht nicht, bevor er Abhilfe geschaffen hat. Die Schafe wiederum kennen den Hirten und folgen ihm, weil Vertrauen gewachsen ist.
Weil jemand ein überzeugender Redner ist, ist er nicht automatisch ein guter Hirte. Auch die Tatsache, dass jemand ein ausgezeichneter Bibellehrer ist, macht ihn nicht zum Hirten. Bibelwissen und Eloquenz, gepaart mit langjähriger Erfahrung und einem tiefen eigenen Glauben und persönlich erlebtem Wirken Gottes reichen immer noch nicht aus. Ein Evangelist mag Tausende Menschen in das Reich Gottes bringen – er muss nicht automatisch pastorale Fähigkeiten und Eigenschaften haben. Das macht gar nichts, denn es werden ja nicht nur die Hirten benötigt, sondern auch die anderen Aufgaben müssen erfüllt werden. Aber ist man ein »Pastor«, nur weil man sich mit dem Titel schmückt?
Andererseits gibt es Männer und Frauen, die echte Hirten sind, ohne dass sie den Titel Pastor, Pfarrer oder Priester tragen. Sie hüten und behüten, sorgen und versorgen, leiden und leiten. Sie schauen den einen guten Hirten an und tun, was er getan hat. Ob nun für eine Handvoll Schafe, oder für ein einzelnes, oder für eine große Herde.
Robins »neies Lamm« folgte mir nach einigen Wochen überall hin, vertraute mir, kannte meine Stimme und hörte auf sie. Ich war kein guter Hirte, sondern ein Freund des Sohnes der Familie, ich hätte weder mein Leben für dieses noch sonst ein Schaf gelassen. Dennoch hat mir das Erlebnis in jungen Jahren geholfen, manche biblischen Passagen, in denen von Schafen und Hirten die Rede ist, besser zu verstehen. Und genauer hinzuschauen, ob jemand Hirte nur als Beruf oder auch aus Berufung ist.
Als ich einige Jahre später als »verlorenes Schaf« in Kriminalität und Drogen verstrickt durch Europa reiste, gab es einen Pastor, einen Hirten, der maßgeblich daran beteiligt war, dass ich heute noch lebe: Mein Großvater, Pastor von Beruf – und von Berufung, zweifellos.
P.S.: Wer sich dafür interessiert, wie ich damals am Abgrund gelandet bin und wie mein Großvater zum Lebensretter wurde, kann hier nachlesen: Es gibt kein Unmöglich!: Roman
Freitag, 30. Juli 2010
Urlaubenische Zustände
Je länger die erste Urlaubswoche währt, desto urlaubenischer geht es zu. Seit Mittwoch Mittag sind die freiberuflichen Verpflichtungen abgearbeitet, die noch offen waren, und nun genießen wir Berlin als Touristen in der Heimatstadt: Mit dem Fahrrad fahren, wohin man sonst das Auto nähme, in Geschäften bummeln, ohne etwas bestimmtes kaufen zu wollen, lecker Essen gehen, wo es schmeckt, Zeit zum Lesen, schlafen, nichts tun…
Heute waren wir in vier Möbelhäusern, um für unser grünes Zimmer eine Kommode zu suchen, im vierten wurden wir fündig. Danach haben wir spontan ein Kunstobjekt gekauft, das sowohl einen Herrn, als auch eine Dame zeigt. Wenn man seitlich schaut, beide gleichzeitig. Die Statue kommt dann auf die Kommode, wenn selbige geliefert wird, einstweilen wohnen der Herr und die Dame auf dem Teppich. Die Dame schaut eher nach unten, der Herr eher nach oben. Hat der Künstler wohl so gewollt.
Mittwoch, 28. Juli 2010
Montag, 26. Juli 2010
Halburlaub
Ab heute habe ich Halburlaub, das heißt Urlaub vom Job als Angestellter eines Industriebetriebes, aber noch keinen Urlaub, was die freiberuflichen Arbeiten betrifft. Da steht heute die Fertigstellung der Übersetzung einer technischen Dokumentation an, mit solch putzigen Begriffen wie »Kunststoffverbindungsblöcke« oder »deklarierte lineare Impedanz« und »Körperschallanregung auf die Rohdecke«.
Dann wartet noch ein Online-Shop darauf, dass sämtliche Produkte mit mehreren zusätzlichen HTML-Zeilen versehen werden und wahrscheinlich werde ich bei einem Handbuch in italienischer Sprache die Korrekturen des Lektorates in das Dokument übertragen.
Ab nächste Woche ist dann voraussichtlich Vollurlaub, wenn alles getan und geschafft ist. Das würde bedeuten: Zwei Wochen ohne Arbeit. Geht das überhaupt? Mal sehen…
Sonntag, 25. Juli 2010
Gedanken zum Sonntag: Die Anti-Christen sind da!
Der Antichrist, von dem hier nicht die Rede sein soll, wurde verschiedentlich - jedes mal fälschlich - gesichtet. Hitler, der (jeweilige) Papst, Gorbatschow, Obama... - na ja. Dem einen sin Uhl ist dem andern sin Nachtigall, auch was die Sympathie für Politiker betrifft. Da sind Christen nicht anders als Moslems, Hindus, Juden, Buddhisten und andere –isten.
Die Verwirrung über biblische Begriffe und Personen vor allem unter Christen ist jedoch fast schon wieder so an der Tagesordnung wie vor der Reformation, da die Bibel kaum noch gelesen wird. Die meisten Christen halten den Antichristen für eine bedrohliche Endzeitfigur, verwechseln ihn mit dem »Tier aus dem Abgrund«.
...so sind auch jetzt viele Antichristen aufgetreten; daher wissen wir, daß es die letzte Stunde ist. (1. Johannes 2, 18)
Der ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, daß Jesus der Christus ist? Der ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. (1, Johannes 2, 22)
Denn viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen, die nicht Jesus Christus, im Fleisch gekommen, bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist. (2. Johannes 7)
Doch halt! Von diesen Antichristen soll hier gar nicht die Rede sein. Es gibt jede Menge Anti-Christen einer anderen Sorte. Heute. Hier. Nämlich Christen, die anti XYZ sind.
Die sind anti Reinhard Bonnke, anti Papst, anti Ökumene, anti Geistesgaben, anti Jesus Freaks, anti Katholische Kirche, anti Volxbibel, anti Lutherbibel, anti Alkohol, anti dies und anti das. Sie posaunen ihre Meinungen hinaus und streiten verbissen, was das Zeug hält. So etwas ist nicht neu, schon Paulus kannte derartige Zeitgenossen. Den Korinthern schrieb er:
Ihr seid noch fleischlich. Denn wo Eifersucht und Streit unter euch ist, seid ihr da nicht fleischlich und wandelt nach Menschenweise? (1. Korinther 3, 3)Der Chaotenhaufen in Korinth, der sich Gemeinde nannte, hat den Hinweis wohl nicht ernst genug genommen, denn in einem späteren Brief an diese liebenswerten Gläubigen wurde Paulus deutlicher:
Ich fürchte, daß ich euch bei meinem Kommen vielleicht nicht als solche finde, wie ich will, und daß ich von euch als solcher befunden werde, wie ihr nicht wollt: daß vielleicht Streit, Eifersucht, Zorn, Selbstsüchteleien, Verleumdungen, Ohrenbläsereien, Aufgeblasenheit, Unordnungen da sind; daß, wenn ich wiederkomme, mein Gott mich vor euch demütigt und ich über viele trauern muß, die vorher gesündigt und nicht Buße getan haben über die Unreinheit und Unzucht und Ausschweifung, die sie getrieben haben. (2. Korinther 12, 20-21)
Es ist nicht jeder Gläubige zum Apostel berufen, obwohl sich viele so aufführen. Da wird das Urteil über andere gefällt und per Internet hinausposaunt, oft genug anonym, hinter irgend welchen Usernamen verborgen. Neulich habe ich mal wieder in das Forum bei Pray.de geschaut, und fand das, was dort geduldet und gepostet wird, genauso zum Kotzen wie vor etlichen Jahren, als ich eben deshalb meine Mitarbeit bei Pray.de einstellte.
Man muss ja dem Verurteilten nicht in die Augen sehen, wenn man die Jauchekübel über ihn ausleert - um so leichter fällt es, jemanden oder eine Bewegung niederzumachen. Man schreibt Hasstiraden in christlichen Foren, lästert auf Blogs, trötet seine Vorstellungen via Facebook in die Welt hinaus und sonnt sich in der eigenen uneingeschränkt richtigen Erkenntnis, die niemand hinterfragen kann.
Wer ist berufen, über »richtig« und »falsch« in der Gemeinde zu urteilen? So weit wir uns hier auf den Bereich der christlichen Gemeinde beziehen, der jeweilige Hirte oder ein Apostel. Aber sicher nicht Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher, die weit verbreiteten Anti-Christen unserer Zeit. Selbst Paulus war diesbezüglich zurückhaltend:
Einige zwar predigen Christus auch aus Neid und Streit, einige aber auch aus gutem Willen. Die einen aus Liebe, weil sie wissen, daß ich zur Verteidigung des Evangeliums eingesetzt bin; die anderen aus Eigennutz verkündigen Christus nicht lauter, weil sie mir in meinen Fesseln Bedrängnis zu erwecken gedenken. Was macht es denn? Wird doch auf jede Weise, sei es aus Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich. (Philipper 1, 15-18)
Paulus betrachtete sich als zur Verteidigung des Evangeliums eingesetzt, er fand klare Worte, wenn in einer Gemeinde die Dinge aus dem Ruder liefen, jedoch auf eine ganz andere Weise als es vielerorts heute zu finden ist.
Er nannte Eifersucht und Neid in einem Atemzug mit Streit und Verleumdungen unter frommen Menschen (wir vergessen bei solchen Ermahnungen und Korrekturen gerne, dass seine Briefe ausnahmslos an Christen gerichtet sind).
Ich kann mir vorstellen, dass er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Kritik und Verleumdung kommt, so weit das angesichts des Versteckspiels mit Usernamen und Pseudonymen in der Anonymität des Internet überhaupt erkennbar ist, vorwiegend von Menschen, in deren Leben geistliche Frucht nicht zu finden ist. Vielleicht sind sie neidisch, dass sie noch nie einen Menschen zu Christus geführt, noch nie eine Gebetserhörung erlebt, noch nie ein prophetisches Wort gesagt oder empfangen haben? Vielleicht haben sie noch nie einen Trauernden getröstet, einen Sterbenden mit Liebe begleitet? Vielleicht sind sie eifersüchtig, weil Gott andere gebraucht, während sie vor sich hin wursteln und zu keinem Ziel gelangen?
So wird die Wirkung zur Ursache und die Ursache wirkt sich aus. Gebete werden nicht erhört, weil jemand selbst im Wege steht:
Ich aber sage euch, daß jeder, der seinem Bruder zürnt, dem Gericht verfallen sein wird; wer aber zu seinem Bruder sagt: Dummkopf! dem Hohen Rat verfallen sein wird; wer aber sagt: Du Narr! der Hölle des Feuers verfallen sein wird. Wenn du nun deine Gabe darbringst zu dem Altar und dich dort erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar und geh vorher hin, versöhne dich mit deinem Bruder; und dann komm und bring deine Gabe dar! (Matthäus 5, 22-24)Noch viel deutlicher geht es ja wohl wirklich nicht. Wer seinem Bruder zürnt, ihn verlästert, selbst derjenige, der weiß, dass sein Bruder etwas gegen ihn hat, ist verpflichtet, die Sache aus der Welt zu schaffen, bevor er sich dem Altar Gottes nähert. Andernfalls sind Konsequenzen unvermeidbar. Muss sich also jemand wundern oder beschweren, wenn er vergeblich betet, dauerhaft in Nöten steckt, dass sein Gebet ohne Antwort bleibt, so lange er andere verurteilt, richtet und verleumdet?
P.S.: Ich meine übrigens nicht, dass wir nicht unterschiedliche Meinungen und Auffassungen haben können und dürfen. Ich meine die Art und Weise, wie wir damit umgehen.
Freitag, 23. Juli 2010
Ein Tipp zum aktuellen Geschehen in Stuttgart
Der Lutherische Weltbund hat sich bei seiner Vollversammlung in Stuttgart für die brutale Verfolgung der Mennoniten öffentlich entschuldigt. Mitglieder der Freikirche waren im 16. und 17. Jahrhundert auch mit der Billigung des Reformators Martin Luther unterdrückt und getötet worden.
In der Erklärung bitten die Lutheraner »Gott und unsere mennonitischen Schwestern und Brüder um Vergebung für das Leiden, das unsere Vorfahren im 16. Jahrhundert den Täufern zugefügt haben«.
Zudem äußerten die Lutheraner ihr Bedauern darüber, dass die Verfolgungen in den nachfolgenden Jahrhunderten vergessen und ignoriert wurden. Sie entschuldigten sich zudem dafür, das lutherische Autoren bis heute unzutreffende, irreführende und verletzende Darstellungen über die Täufer und Mennoniten verbreitet hätten.
Aus diesem Anlass wiederhole ich hier meinen Hinweis auf ein Buch, das die Geschichte, für die jetzt endlich in Stuttgart um Vergebung gebeten wurde, auf packende Weise lebendig werden lässt:
Nach 43 Wochen Haft im Rathaus von Oetenbach gelang ihm die Flucht. Die reformierte Obrigkeit schäumte vor Wut. Speziell eingesetzte Täuferjäger führten Razzien in verdächtigen Häusern durch und machten den Gläubigen das Leben schwer. Schließlich fanden die Täuferjäger heraus, wo die Meylis lebten und stürmten mit dreißig Mann das Haus. Schwer bewaffnet brachen sie durch die Türen. Als sie feststellten, dass Meyli ihnen wieder entkommen war, verwüsteten sie die Räume. Dann nahmen sie seine beiden Söhne, Hans und Martin, gefangen. Martin war schon verheiratet und so ergriffen die Täuferjäger auch seine Frau Anna und legten sie in Fesseln. Ihr vierzehn Wochen altes Kind nahmen sie ihr weg und gaben es an »rechtgläubige« reformierte Christen.
Die Gefangenen wurden nach Zürich gebracht, dort verurteilt und inhaftiert. Den Männern nahm man die Kleider weg und kettete sie zwanzig Wochen am Steinboden fest. Man folterte sie mit Raupen und Spinnen. Sie bekamen gerade so viel zu essen und zu trinken, dass sie am Leben blieben. Doch die Gefangenen widerriefen ihren Glauben nicht.
Ich habe dieses Buch aus dem Englischen übersetzt und dabei manches Mal Tränen in den Augen gehabt. Ich musste mehrfach den Schreibtisch verlassen, zu erschüttert, um weiter zu arbeiten. Aus der Schulzeit wusste ich noch ganz vage etwas von der Geschichte von 1500 bis 1600, aber dass in unserem Land Menschen gefoltert und getötet wurden, aus solchen Gründen, von rechtgläubigen Protestanten und Katholiken, die plötzlich einen gemeinsamen Feind hatten, war mir verborgen geblieben. Und was die Täufer wirklich wollten, wer sie wirklich waren, das hatte mir sowieso niemand beigebracht.
Das Buch hat ein katholisches und ein evangelisches Vorwort. Der katholische Theologe schreibt unter anderem:
Die katholische Kirche des 16. Jahrhunderts hat diese Täuferbewegung blutig verfolgt, im Zusammenspiel mit den Obrigkeiten fast vernichtet und schwere Blutschuld auf sich geladen. Die katholische Kirche des beginnenden 21. Jahrhunderts hat endlich die Begegnung gesucht, mit den Nachfahren dieser Täuferbewegung. Sie beginnt langsam zu entdecken, welche Erinnerungen noch zu heilen sind, welche Schuld abzutragen und welcher ökumenische Schatz noch zu heben ist.
Der evangelische Theologe erklärt in seinem Beitrag:
Als Christ in landeskirchlicher Tradition kann man diese Geschichte nur mit Entsetzen und voller Scham lesen. Besonders fassungslos hat mich gemacht, in diesem Erzählen zugleich die Stimme derer, die damals so grausam mundtot gemacht wurden, vielfältig und leicht verständlich vernehmen zu können: Warum hat man sie damals nicht gehört? Gewiss, ihre Stimme stiftet auch Unruhe, aber es ist eine heilsame Unruhe (Psalm 139, 21f).
Dies ist kein Buch für Menschen, die seichte Lektüre lieben. Es ist kein Buch für jemanden, der angenehm unterhalten werden will. Es ist auch kein Buch für Christen, die nicht gewillt sind, ihrem eigenen Leben und Denken einen Spiegel vorzuhalten.
Wer aber bereit ist, sich verstören und in der Gemütlichkeit der frommen Nischen stören zu lassen, dem sei das Buch nachdrücklich empfohlen. Es hat das Potenzial, zu zündeln, in den Gedanken des Lesers. Der dabei womöglich entstehende Brand wäre womöglich bedrohlich für den behaglichen Status Quo der Christenheit in mancher Nische.
Mein Fazit: Aufwühlend, aufklärend, radikal und raumgreifend im Kopf. Ein lesenswertes und gefährliches Buch.
Zu finden beispielsweise hier bei Amazon: Feuertaufe für die Freiheit. Das radikale Leben der Täufer - eine Provokation
Donnerstag, 22. Juli 2010
Spam der Woche: Qual der Wahl
Soll ich »mehr als 3.000 Euro« oder lieber »6000 Euro monatlich« verdienen wollen? Herr McNamurphy sagt ja nicht, ob Adrian das Geld pro Woche, pro Monat oder gar täglich verdient hat. Es könnte also das lukrativere Angebot sein.
Ansonsten wandelt BAUR.de jetzt offensichtlich Tchibos Spuren und befleißigt sie des schlechtestmöglichen Umganges mit Anglizismen, Herr Wyler hat eine miserable Spamverbreitungssoftware und redet mich mit »Gnter« an – aber das iPad für Senioren wäre doch mal was?