... ist was Schönes. Auch- oder gerade ohne ständig verfügbares Internet.
Dienstag, 2. August 2011
Montag, 1. August 2011
Jessika–die Konfrontation /// Teil 10
Wir erinnern uns noch, liebe Leser? Immerhin war die Pause zwischen der letzten Folge und dieser länger als sonst. Hier kann man noch mal nachschauen: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4] [Teil 5] [Teil 6] [Teil 7] [Teil 8] [Teil 9]
Und nun ohne weitere Vorrede gleich in medias res.
-- -- --
»Was wird aus dir, wenn ich ablehne?«, fragte ich.
»Wenn du mich nicht lieben kannst oder willst, Johannes, dann kann es dir auch egal sein, was aus mir wird. Wenn du dir weiter einreden willst, ich sei nur ein Produkt deiner Fantasie, du hättest mich erdacht, erschaffen, dann spielt es doch für dich überhaupt keine Rolle, ob ich lebe oder sterbe, existiere oder ausgelöscht werde.«
Damit hatte sie so Unrecht nicht, aber mein Zwiespalt ließ sich natürlich nicht auf derart simple Art lösen. Ich brauchte Zeit, um irgendwie zu einem Schluss zu kommen, ob ich in dieser abstrusen Geschichte, die ich mir so noch nicht einmal hätte ausdenken, weiter mitspielen wollte.
Jessika schenkte mir noch einmal von dem Nektar ein, der mir auf so wundersame Weise zu neuen Kräften verhalf und wiederholte, was sie schon vorhin geflüstert hatte: »Wir haben Zeit, viel Zeit. Ich liebe dich, Johannes, aber ich will nichts erzwingen, was du nicht möchtest.«
Wäre dies eine erdachte Erzählung, dann würde ich als Autor an dieser Stelle einen Traum in der Nacht einfügen, der irgendwie dem Protagonisten den Weg weist oder – was angesichts des bereits angerichteten Tohuwabohu fast unmöglich wäre – alles auflöst. Oder ich würde mich, da dies ja eine Erzählung in der ersten Person wäre, am Morgen in der normalen Welt aufwachen lassen, um dann irgendwie den Lesern zu vermitteln, dass dies alles nur verwirrtes Träumen, meinetwegen unter Drogeneinfluss, oder eine kurzfristige mentale Störung gewesen sei.
Jedoch: Als ich am Morgen aufwachte, in Jessikas Schlafzimmer, lag sie neben mir und blickte mich liebevoll an. Sie, die es nicht geben konnte. Sie, in die ich inzwischen zutiefst verliebt war, ohne es zugeben zu wollen.
»Ausgeschlafen?«, fragte sie.
»Ich glaube schon. Und du?«
»Sowieso. Wir brauchen weniger Schlaf als ihr, auch so ein Vorteil unter vielen. Es sei denn, jemand ist eine passionierte Schlafmütze.«
Die Sonne schien durch die Ritzen der Jalousie, ich fühlte mich ausgeruht und wieder völlig hergestellt. Zu gerne hätte ich jetzt Jessika in die Arme genommen … aber ich wollte mir erst klar darüber werden, in welcher Situation ich eigentlich steckte, wo und wann ich den Verstand verloren hatte, bevor ich dem Drängen und Sehnen in mir nachgab.
Sie strich mir sanft über die Stirn und sagte: »Im Bad habe ich ein Duschgel und einen Rasierer für dich bereit gestellt, falls du die Stoppeln loswerden willst.«
»Danke.«
Ich wusste nicht, ob sie die Stoppeln im Gesicht meinte, oder die weiter unten am Körper. Da sie mich nur mit meinem regelmäßig auf 2 Millimeter gestutzten Bartwuchs kannte, vermutete ich letzteres.
»Und dein Elektrorasierer zum Drei-Tage-Bart-Wiederherstellen liegt unter dem Spiegel bereit«, ergänzte sie.
Nun wusste ich, welche Stoppeln sie gemeint hatte und stand auf, um ins Bad zu gehen. Ich wartete einen Augenblick, ob mir wieder schwindelig werden würde, aber das war nicht der Fall. Ich war wohl tatsächlich völlig wieder hergestellt. Der Bademantel war nirgends zu sehen, aber da Jessika mich zehn Tage lang gepflegt und gestern zum Klo getragen hatte, abgesehen von unserem nächtlichen Bad im See zuvor, gab es sowieso nichts an mir, was sie nicht schon gesehen hatte. Sie hatte mir am Vorabend auf meine Frage, wie sie mich denn so lange sauber gehalten hatte, unbekümmert erklärt, dass sie einen Katheder gelegt habe (»ich war auch mal ein paar Jahre, dreißig oder so, Krankenschwester«), ansonsten habe sie mich täglich gewaschen, abgetrocknet und die Haut eingekremt, außerdem regelmäßig umgelagert, um einem Dekubitus vorzubeugen, das sei ja wohl selbstverständlich.
Als ich unter der Dusche stand und das Prasseln des heißen Wassers auf der Haut genoss, kam mir plötzlich ein Gedanke, aus heiterem Himmel, ein Gedanke, der bereits ein kleines Stück Erkenntnis in sich barg: Jetzt bist du Jessika so hilflos ausgeliefert wie sie dir ausgeliefert war, als sie deine literarische Figur war. Und wie fühlt sich das an?
Es fühlte sich nicht gut an. Natürlich nicht. Den Personen in meinen Erzählungen konnte ich ihren Weg vorschreiben, selbst wenn sie mich manchmal überraschten – letztendlich war ich der Autor und hatte das letzte Wort. Und nun wurde auf einmal mit mir nach Gutdünken verfahren, seit sich Jessika vor dem Hotel Klika an meinen Tisch gesetzt hatte. Selbst mein Experiment mit dem Schwarzen Turm war nicht so ausgegangen, wie ich es mir vorgestellt hatte, sondern hatte zum Tod eines kleinen Mädchens geführt.
Mir fiel der Schluss der Erzählung über Jessika in Italien ein, während ich mit dem handlichen Rasierer die Stoppeln entfernte. Damals hatte ich geschrieben:
Jessika nahm ihre Zigaretten aus der Handtasche. Sie zündete sich eine Pall Mall an und spielte gedankenverloren mit dem Feuerzeug in der rechten Hand.
»Du sagst mir nicht, was ich zu tun und zu lassen habe«, sprach sie in die kühle Morgenluft. »Du nicht, Johannes – oder wie immer du auch heißen magst. Ich bin nicht dein Geschöpf, mit dem du nach Belieben umspringen kannst.«
Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette und schritt dann zielstrebig auf die Tankstelle zu.
»Aber das war eine Erzählung. Und jetzt stehe ich hier in ihrer Wohnung in der Dusche«, belehrte ich die Kachelwand vor meiner Nase.
Bob Dylan fiel mir ein. How does it feel? How does it feel? To be without a home, with no direction home, like a complete unknown?
»Das fühlt sich Scheiße an«, erklärte ich der Wand. »Entschuldige den vulgären Ausdruck, liebe Duschkabine, aber so ist es.«
Ich drehte das Wasser ab und schob die gläserne Trennwand auf. Neben dem Waschbecken stand eine kleine Kommode, auf der ein Stapel flauschiger Handtücher bereit lag. Ich trocknete mich ab und überlegte erst dann, wo eigentlich meine Kleidung sein mochte. Mir jetzt züchtig ein Handtuch um die Hüften zu schlingen wäre albern gewesen, also ging ich im Adamskostüm zurück ins Schlafzimmer. Das Bett war gemacht, auf der Tagesdecke lagen Jeans, T-Shirt und Unterwäsche bereit. Ich zog mich an und folgte dann dem Duft von frischem Kaffee in die Küche.
Auf dem Tisch standen eine Thermoskanne, eine Tasse, eine Karaffe mit Milch und es lag ein Zettel für mich bereit.
Solltest du wider Erwarten Hunger haben, bedien dich aus dem Kühlschrank. Normalerweise frühstückst du ja nicht, aber nach der langen unfreiwilligen Fastenzeit …
Ich bin gegen Mittag zurück.
Falls du nicht auf mich warten willst: Dein Gepäck steht im Wohnzimmer neben dem Kamin bereit, der Autoschlüssel ist im Reißverschlussfach. Dein possierliches Nitromonstrum steht in der Tiefgarage, das Tor öffnet sich beim Ausfahren automatisch.
Wenn du auf mich wartest: Danke!
Liebe Grüße, J.
Ich schenkte mir Kaffee ein und schaute aus dem Küchenfenster. Die Umgebung war mir fremd, aber ich kannte von Budweis ja auch nicht viel mehr als die Altstadt. Ich befand mich offenbar in einem ruhigen Neubaugebiet, auf der Straße unten war kaum Verkehr, die drei- bis vierstöckigen Häuser in meinem Blickfeld waren zum Teil noch nicht fertig.
Mit der Tasse in der Hand spazierte ich ins Wohnzimmer. Wie versprochen stand mein Koffer dort, mein Telefon lag darauf. Ich schaltete es ein, der Akku war frisch geladen. In der Außentasche des Koffers befanden sich meine Brieftasche und der Autoschlüssel. Ich öffnete das Gepäckstück, es schien alles drin zu sein, was mit gehörte. Allerdings waren die Kleidungsstücke ordentlicher zusammengelegt als ich es zu bewerkstelligen vermochte, und meine gebrauchte Wäsche war frisch gewaschen. Mein Notebook samt Ladegerät war ordentlich im Extrafach verstaut.
Sollte ich abreisen? Wollte ich abreisen? War dies der Weg zurück in ein normales Leben, in dem keine erdachten Figuren leibhaftig ihr Unwesen mit mir treiben konnten?
Vielleicht. Womöglich. Unter Umständen.
Ich ging zurück in die Küche und schenkte mir Kaffee nach. Dann las ich noch einmal Jessikas Zeilen und beschloss, auf sie zu warten. Sie hatte mir immerhin, wenn alles so geschehen war wie sie es mir erzählt hatte, das Leben gerettet. So ohne Abschied einfach verschwinden – nein, das wollte ich nicht.
Du willst gar nicht fort von ihr.
Stimmte dieser Gedanke? Ja. Wenn ich ehrlich zu mir selber war, dann wollte ich nichts weiter als das Leben künftig mit Jessika zu teilen. Doch gleichzeitig hatte ich Angst, eine unbestimmte Furcht nagte an mir, vor etwas Unbekanntem, Unbestimmbaren. Ich hatte mir das Überleben der Nephilim bis heute und ihre Fähigkeiten ausgedacht, Nitzrek war meine Erfindung, aber wenn meine ebenso erfundene Jessika auf einmal Realität war, wie konnte ich dann sicher sein, dass der Rest Fantasie bleiben würde? Zumal ich mit eigenen Augen gesehen hatte, wie Jessika ein kleines Mädchen tötete. Nicht in einer Erzählung, nicht in einem Traum, sondern ein paar Schritte von mir entfernt auf dem Turm über den Dächern von Budweis.
Trotzdem willst du nicht fort von ihr.
Als Jessika gegen 12:30 in ihre Wohnung zurückkehrte, saß ich auf dem Sofa und las in einem spannenden Buch. Die umfangreiche Bibliothek hatte ich entdeckt, als ich neugierig die Räume inspizierte, die ich noch nicht gesehen hatte. Neben der Eingangstür lag links ein Gäste-WC, daneben eine Art Büro oder Arbeitszimmer mit zwei Schreibtischen und einer ganzen Regalwand mit Aktenordnern. Die Beschriftungen verrieten mir nichts über den Inhalt, es waren nur Zahlen-Buchstabenkombinationen. So weit, einen Ordner zu öffnen, reichte meine Neugierde nicht. Auch den PC rührte ich nicht an. Die nächste Tür führte in die Küche, und geradeaus mündete der Flur ins Wohnzimmer. Rechts gab es das Schlafzimmer, das Badezimmer und einen Raum, dessen Wände mit Bücherregalen bis zur Decke ausgestatten waren, auch links und rechts des Fensters, das der Tür gegenüber lag. Über dem Fenster hing ein Gemälde, darunter stand ein Tisch, auf dem weitere Bücher lagen. Ich versuchte, zu schätzen, es mussten weit über 2000 Bücher in diesem Raum untergebracht sein. Tschechische, deutsche, englische, italienische Titel, eine ganze Menge ältere Lederausgaben in Latein und mehrere Regalmeter in einer Schrift, die hebräisch oder arabisch sein mochte. In einem Regal lagen Schriftrollen, die ich vorsichtshalber nicht anrührte, so zerbrechlich wirkte das Pergament. Manche Werke waren uralt, einiges auf dem Tisch hatte ich kürzlich bei den Neuerscheinungen auf Amazon gesehen.
Ich stand lange vor den Regalen, schmökerte in zahlreichen Büchern, schließlich nahm ich »Das Kind« von Sebastian Fitzek mit ins Wohnzimmer und machte es mir gemütlich. Als Jessika zurück kam, hatte ich das halbe Buch gelesen. So manche Formulierung, wie immer bei Fitzek, verursachte ein Stirnrunzeln, aber spannend erzählt war die Geschichte allemal. Die Idee, die der Handlung zu Grunde lag, war ähnlich der, die mein Freund Günter J. Matthia für seinen Roman »Sabrinas Geheimnis« verwendet hatte, aber die Geschichte war doch eine ganz andere.
Jessika warf einen Blick auf das Buch. »Spannend, nicht wahr?«
»Ja. Durchaus spannend.«
»Du bist also noch hier. Hast auf mich gewartet.«
»Offensichtlich.«
Ich legte das Buch weg, stand auf und nahm sie fest in die Arme. »Ich gebe es zu«, sagte ich. »Ich liebe dich.«
Sie drückte mich an sich. Die Welt ringsherum wurde unwichtig. Hätte einer der biblischen Autoren unsere Geschichte erzählt, wäre seine Wahl der Formulierung an dieser Stelle vermutlich auf »und er erkannte sie und sie wurden ein Fleisch« gefallen.
-- -- --
Eine Frage an die geschätzten Leser gibt es ausnahmsweise nicht, denn es ist ja in der Fortsetzung noch die Entscheidung der Abstimmung aus Teil 9 umzusetzen, nachdem hier endlich das Abstimmungsergebnis von Teil 8 mit den letzten paar Worten verwirklicht wurde. Die Angelegenheit mit dem Bund soll dann in Teil 11 passieren – wie, weiß ich selbst noch nicht.
Fortsetzung folgt, irgendwann.
Sonntag, 31. Juli 2011
Wir fühlen keine Salbungswellen …
Wir sind ausgesperrt, gehören nicht dazu, Fremdkörper sind wir und wollen gar nichts daran ändern, denn es ist gut so, wie es ist. Ihr Gehabe ist uns fremd, unangenehm mitunter. Nicht, dass wir es für unecht halten, nein! Es mag schon wahrhaft so empfunden sein, was sie uns als Normalzustand beschreiben, ohne es doch wirklich zu erläutern. Sie schwelgen, schweben in emotionalen Höhenflügen über uns hinweg, sind ganz verzückt, sind überwältigt, stöhnen, weinen, schmachten, jubeln, jauchzen und fallen überwältigt auf den Boden.
Wir haben das schon hundert mal gesehen, gelesen, gehört. Wir schämen uns mitunter fremd, wenn sie im Überschwang das eine oder andere der Welt entgegenjubeln. Doch können sie ja wohl daran nichts ändern, sind so entrückt, dass wir und unsere Wirklichkeit ihrem Blick schon weit entzogen wurden.
Wir sind für sie nicht wirklich echt genug. Sie pflegen sich gerne mit Vokabeln zu schmücken, die beschreiben, dass sie weiter, tiefer, weiser, erleuchteter und eben dadurch irgendwie auch besser sind: »Wiedergeboren«, »geisterfüllt« oder »geistgetauft«, als wären Geist und Rettung ihnen vorbehalten. Sie nennen sich auch »bibeltreu« und kennen doch in weiten Teilen nicht einmal das Buch, dem treu zu sein sie sich so ernst geschworen haben. Sie halten ihre frommen Übungen peinlich genau ein, am Morgen eine »Stille Zeit« mit ausgelosten Häppchen aus der Bibel, den sonntäglichen Gottesdienst versäumen sie auf keinen Fall, im wöchentlichen Hauskreis dürfen sie höchstens bei schwerer Krankheit fehlen. Und sind sie krank, dann plagt schon das Gewissen, weil ganz offenbar der Glaube an die Heilung fehlt.
Sie sind schon eine ganz besondere Rasse, der so manches eigentümlich ist, was uns die Stirn in Falten legt. Der Herr hat ihnen Arbeitsplätze oder Wohnungen versprochen - und wohl so gut versteckt, dass sie nur schwer zu finden sind. Der Herr schenkt ihrem Sommerfest bestimmt das beste Wetter, weshalb sie keine Regenschirme oder überdachte Plätze brauchen. Der Herr wird ihnen ganz bestimmt das Konto mit genügend Euros füllen, weil sie ja treu den »Zehnten« in die Opfersammlung legen.
Und doch gehören wir zusammen, allemal. Wir teilen nicht den Überschwang der Emotionen, doch sind wir gleichermaßen Gottes Kinder. Wir schauen uns den gleichen Jesus an und kommen wohl zu anderen Erkenntnissen, doch ist und bleibt der Nazarener ungeteilt. Wir brauchen kein Gemeindezentrum, finanzieren keine Institution, und sind doch gerne mal zu Gast in einem Gotteshaus, obwohl uns Gott auch sonst ganz nahe ist, meist außerhalb sakraler Räume. Wir hören keine Stimmen, die uns Arbeitsplatz und Wohlstand zusagen, wir mühen uns statt dessen selbst, das Leben zu bestreiten. Wir fühlen keine Salbungswellen über uns zusammenschwappen, und doch sind Geist und Friede uns zu eigen, in unserer Seele, mitten im Sturm des Lebens. Wir wollen nicht die Welt in unsere Gemeinden holen, statt dessen sind wir den Menschen zugewandt, um nachzuahmen, was von Jesus überliefert ist. Wir singen nicht mit hoch gestreckten Händen sieben mal die gleiche Strophe, und dennoch klingt in unseren Herzen manche frohe Weise, die dem Allerhöchsten dankt.
Haben wir Recht? Haben sie Recht? Ja und ja. So unterschiedlich, wie wir Menschen sind, so ganz verschieden darf sich auch gebärden, wie wir und sie und alle anderen dem einen Gott zu folgen sich anschicken. Im Überschwang Zentimeter über dem Boden schwebend der eine, ernsthaft und still in sich gekehrt der andere. Und würden wir gar eines Tages damit aufhören, den anderen so formen zu wollen wie wir selber sind, dann könnten wir womöglich gar begreifen, dass wir zusammen gehören.
Samstag, 30. Juli 2011
Ich weiß ...
... dass so manche Leser und Leserinnen ungeduldig auf die Fortsetzung der Jessika-Geschichte warten. Aber ich bin mit dem Text noch nicht zufrieden.
Geduld, so sagt der Volksmund, ist die Mutter aller Tugend.
Donnerstag, 28. Juli 2011
Einigermaßen klar ...
... sollte das Ergebnis werden. Jessika und Johannes sind zufrieden und schreiben weiter.
Demnächst dann die Fortsetzung.
Mittwoch, 27. Juli 2011
Dylan Morrison: The Prodigal Prophet
While reading this book I often thought: How come the author knows my story so well? How come he wrote about my very personal experience? How come I didn't notice him, he must have been right there when this and that happened in my life ...
But he wasn't there, of course not. He is Irish, I am German. We have never met. We probably won't ever meet. And still this book is my book, too. Growing up in a "Christian, born-again, charismatic-Pentecostal" surrounding, getting mixed up in stuff that was clearly labelled "sinful", being lost in substance abuse – and then re-emerging to find Jesus. Then there were the Jesus People, followed by ministry in a church ... – but let's not talk about my life, this is about "The Prodigal Prophet", after all!
"Life is indeed a strange journey, the spiritual life an even stranger one. If I'd known where mine would take me I'm not sure I would have voluntarily set out on it at all." With these words Dylan Morrison starts sharing his life with us, the readers. His writing captured me from the very first sentences and didn't let me go until I had finished reading the last page. The story unfolds and does not get boring, not even once was I tempted to skip a paragraph. From the first encounter with God as a child ("He seemed to be a nice kind of God to know when the going got tough") until the speaking in tongues and the first glimpse of a prophetic gift everything seems to develop into the typical charismatic testimony: There is a God who will provide for everything, if your faith is big or strong enough.
But this story goes on, where such a book would surely end. Because God is not as simple as that. Life is not as simple as that.
"The cracks begin to show" when Ben, Dylan Morrison’s first son, falls ill after a few months on this earth. "God, God, God, you've got to help us!", they pray, the whole church involved in spiritual warfare – but God does not intervene. The child dies. The well balanced and theologically elaborated religious system fails.
"Full time ministry" in God's kingdom turns out to be full time, but Dylan Morrison starts to notice, that he is so tangled up in institutions and hierarchies that there is little room for actually ministering to people. Is this, what God has planned, what God has gifted him for? The cracks multiply and grow wider - will his (spiritual) life crash?
I won't say any more about the content of this book, because I don't want to spoil the suspense any further. Maybe I said too much already? Forgive me.
This is one of the few books with spiritual topics that I devoured breathlessly. Like in a good Stephen King or John Grisham story there are all the unexpected turns and twists, hopes and disasters. Rise and fall and get back on your feet again – if you can. But this book is not fiction, this is a real life journey. And the absent God is not really absent, after all. He just isn't where one would expect him to be. "I was shocked that I'd been sent a Divine email in the midst of a Prague concert hall."
Dylan Morrison comes to a conclusion that I share with all my heart: "The Nazarene is the one I wish to follow to my journey's end, the one whose love and spirituality I wish to share with the outcasts from the Christian camp. The scapegoated, abused and persecuted have a right to have the religious spin reversed."
If you are at the verge of a spiritual breakdown or if it already happened to you: Go ahead and buy this book. I am convinced it will touch you like it touched me.
If you are still young and wonder about all the stuff you hear about ministry and church and Spirit and faith: Go ahead and buy this book. It will help you to avoid mistakes that have already been made by others.
If you don't believe in God and muse about the fact that all Christians seem to be narrow minded and limited by tons of rules and laws: Go ahead and buy this book. You might be surprised to find out that God is not what some people make him look like.
If you are a hard-core Christian who has all the answers and knows exactly how God's promises can be set to work for everyone: Don't buy this book, don't read it. Stay away. Don't touch it. You hear me? What are you doing! I said don't! Why would you risk your reliable set of rules ...
--- --- ---
You can find the book on Amazon.com (international customers): Paperback / Kindle
For German customers (Amazon.de): Kindle / Paperback
.
Außenseiter und Abenteurer
Die angekündigte Rezension aus meiner englischsprachigen Feder verzögert sich … kommt aber.
Ach ja, weil wir gerade über das Lesen und Englisch plaudern …
Kürzlich las ichdie Gesamtausgabe der Short Stories von Ernest Hemmingway, was ich als junger Mensch (so mit 12 oder 13 Jahren etwa) schon einmal getan hatte. Es war ein interessantes Leseerlebnis; mit so viel Abstand zwischen der ersten und nunmehr zweiten Lektüre des umfangreichen Werkes eigentlich fast wie ein erstmaliges Lesen. Als Kind hatte ich nur Zugriff auf eine deutsche Hemmingway-Gesamtausgabe, jetzt habe ich die Geschichten in der Sprache gelesen, in der sie geschrieben wurden. Für mich hat sich die Lektüre gelohnt, denn die Erzählungen gefallen mir (fast alle) noch heute ausnehmend gut.
Was unser aller Büchernörgele MRR über Hemmingway zu sagen weiß, steht in der F.A.Z. und sei den geschätzten Blogbesuchern hiermit herzlich zur Lektüre empfohlen: [Außenseiter und Abenteurer]
Montag, 25. Juli 2011
Dieser Blog bleibt ...
... ein überwiegend deutschsprachiges Exemplar. Morgen allerdings wird ein weiterer Beitrag in engelischer Sprache erscheinen, denn die Rezension eines englischen Buches auf Deutsch ist zwar möglich, aber ich habe es in diesem Falle vorgezogen, auch diese in der Sprache des rezensierten Buches zu verfassen.
Sobald die beste aller Ehefrauen Korrektur gelesen hat, kann die geschätzte Leserschaft hier in Erfahrung bringen, wie mir "The Prodigal Prophet" von Dylan Morrison gefallen hat.
Apropos Dylan: Mein Versuchsprojekt "Theme Time Radio Hour" ist hier zu finden: http://ttrh.posterous.com/
Sonntag, 24. Juli 2011
The answer to violence, is even more humanity
The fact that Norway is the country with the highest quality of living & education, one of the wealthiest of the world and ranks among the top with the other Scandinavian countries when it comes to social fairness & equality makes it hard to understand what reason there possibly could be to drive someone to such actions: A right-wing conservative guy killed more than 90 people in Norway, most of them kids & teenagers.
The one thing giving hope is to see the sane reactions of the Norwegians. The title of this post is a quote from Norway’s Prime Minister Jens Stoltenberg.
In the safest, most boring country, the worst lone gunman shooting happens. The worst in the world, in history. But it will not make our country worse. The safe, boring democracy will supply him with a defense lawyer as is his right. He will not get more than 21 years in prison as is the maximum extent of the law. Our democracy does not allow for enough punishment to satisfy my need for revenge, as is its intention.
We will not become worse, we will be better. We lived in a land where this is possible, even easy. And we will keep living in a land where this is possible, even easy. We are open, we are free and we are together. We are vulnerable by choice. And we will keep on like that, that’s how we want to live. We will not be worse because of the worst. We must be good because of the best. (-Ola)
Freitag, 22. Juli 2011
Jessika–die Konfrontation /// Teil 9
Wir erinnern uns, liebe Leser? Wenn nicht, dann kann man hier noch mal nachschauen: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4] [Teil 5] [Teil 6] [Teil 7] [Teil 8]
So. Also wird nun, da die Leser mehrheitlich so abgestimmt haben, ein Paar aus Jessika und Johannes? So ganz leicht ist das nicht, wie wir sehen werden:
------ ------ ------
»Jana Nováková war meine Vertraute, seit vielen Jahren«, erzählte Jessika. »Sie war geachtet unter uns, vielen gab sie Rat und Hilfe aus ihrem großen Schatz von Erfahrungen und Erlebnissen. Ich hatte nicht geahnt, dass ich dich in Gefahr bringen würde, als ich dich mitnahm. Das tut mir leid, Johannes.«
Ich saß mit Jessika auf ihrem außerordentlich bequemen Sofa. Vor aus auf dem Tisch stand eine Karaffe mit einer gelblichen Flüssigkeit, die sie als Nektartrunk bezeichnet hatte. Das Getränk würde mich, hatte sie mir versichert, zügig wieder zu Kräften bringen helfen. Ich war erst etwas zögerlich, dachte an den Wein, den die alte Frau kredenzt hatte, aber wenn ich Jessika nicht vertrauen konnte, dann war es sowieso um mich geschehen. Offenbar hatte sie mich aus der Gefahr befreit und zu meiner Genesung beigetragen. Genaueres wusste ich nicht, hoffte aber, nun zu erfahren, was mit mir geschehen war. Ich nahm einen weiteren Schluck zu mir – die Flüssigkeit schmeckte nur ganz leicht süßlich, aromatisch irgendwie, und Durst hatte ich noch immer.
Ich fragte: »Du hast sie falsch eingeschätzt, obwohl sie deine Vertraute ist?«
»Sie war. Sie ist nicht mehr. Auch die Nephilim leben nicht ewig.«
»Ach so. Ich höre das nicht ohne Erleichterung.«
»Ich hatte sie falsch eingeschätzt, das stimmt. Aus Dummheit. Wir sind nicht einschätzbar, nicht von euch Menschen und auch nicht von unseresgleichen. Womöglich hat die Liebe mich zu leichtsinnig werden lassen.«
Die Liebe. Meinte sie mich? Ich hatte es längst aufgegeben, irgendwelchen Sinn und Verstand in den Erlebnissen hier in Budweis zu suchen. Jessika war nicht real, sondern ein von mir ersonnenes Geschöpf, zu Hause nur in meinen Geschichten. Wenn ich es nun hier mit einem Wesen aus Fleisch und Blut zu tun hatte, dann konnte es sich weder um »meine« Jessika handeln noch um eine Nephilim, denn diese Rasse gab es nicht. Nicht mehr. Seit tausenden von Jahren. Doch dann konnten auch die Geschehnisse der letzten Tage, einschließlich der zehn, die ich laut Jessika in Bewusstlosigkeit verbracht hatte, nicht geschehen sein. Die logische Folgerung war, dass ich den Verstand verloren hatte.
Jessika blickte mich aufmerksam an. Ich schwieg. Sie griff nach den Zigaretten, die neben der Karaffe lagen und zündete zwei an, eine reichte sie mir: »Wenn dir schwindelig wird, mach sie aus. Aber ich meine, dass du es versuchen kannst.«
Ich nahm einen Zug, einen zweiten. Kein Schwindel, keine Übelkeit. Wir heilen schnell hatte sie damals gesagt, am See in Italien, diese Fähigkeit schien sich nun auf mich übertragen zu haben. Ich fühlte mich von Minute zu Minute besser und kräftiger.
»Habe ich jetzt irgendwie dein Blut – also ich meine Nephilimblut – in meinen Venen?«
Sie lächelte. »Ein paar Tropfen mit Sicherheit. Das alleine war nicht ausschlaggebend, aber es gehörte dazu. Sonst wärest du jetzt nicht mehr hier, sondern auf der anderen Seite. Dort ist es schön, doch deine Zeit hier war noch nicht zu Ende. Sonst hätte Nitzrek niemals zugestimmt.«
Ich rauchte in Ruhe, trank einen weiteren Schluck Nektar. Meine Seele war friedlich, mein Körper entspannt, es ging mir gut. Ich musste nicht verstehen, was hier geschah, aber ich war doch neugierig, was vorgefallen war.
»Ich saß am Tisch in Jana Novákovás Wohnzimmer und trank von ihrem Roséwein. Das ist das letzte, was ich weiß. Was ist dann passiert?«
»Liebst du mich eigentlich?«, fragte Jessika. Abrupte Themenwechsel hatte sie ja schon immer gerne vorgenommen.
»Ich glaube schon, aber das geht gar nicht. Ich habe dich doch erfunden, in gewisser Weise bist du mein Kind.«
»Kann man sein Kind nicht lieben?«
»Natürlich! Aber das ist eine andere Liebe als die zwischen Mann und Frau. Von Autor und erfundener Protagonistin ganz zu schweigen.«
»Vertraust du mir?«
»Ja.«
»Na gut, das ist ein Anfang. Ich erzähle dir, was passiert ist. Alles.«
»Danke, Jessika.«
Ich beugte mich zu ihr hinüber und gab ihr einen schüchternen Kuss auf den Mund. Ihre Lippen waren sanft und warm, sie drängte nicht, wich aber auch nicht zurück. Ganz sacht tastete ihre Zunge meine Lippen ab. Der Kuss blieb kurz, weil ich noch einen Rest Vernunft zusammenkratzen konnte.
Ihre Augen strahlten glücklich, sie strich mir mit den Fingerspitzen liebevoll über die Stirn und Wangen. Sie flüsterte: »Wir haben Zeit, viel Zeit. Ich liebe dich, Johannes, aber ich will nichts erzwingen, was du nicht möchtest.«
Und dann erzählte sie mir von den verlorenen Tagen und Nächten, seit ich Frau Novákovás Wein gekostet hatte.
Die alte Frau war eine der ältesten Nephilim auf der Erde. Eine zurückgezogen, unauffällig lebende Künstlerin mit einem einzigen Sujet. Sie zeichnete und malte, bevor die Fotografie erfunden war, stellte auch Skulpturen her. Seit ungefähr 18XX hatte sie sich dann überwiegend des Fotoapparates bedient, in den letzten Jahren auch mehrere digitale Kameras besessen und die Computertechnik zum Bearbeiten ihrer Aufnahmen genutzt.
Ihr aktuelles Projekt, bei dem ich die Nummer 250 werden sollte, nannte sie »Das Paradies«. Es sollte eine Collage von 250 Menschen in einem Garten werden, jeweils 125 Männer und Frauen, die sie mit dem Computer aus dem Originalfoto löste und in ihre Landschaft platzierte.
»Nicht pornografisch«, sagte Jessika, »nichts, was man nicht am Strand oder in der Sauna zu sehen bekäme. Dort hat sie auch die meisten Bilder gemacht. Keine einzige Aufnahme zeigt Erotisches, nichts, was in irgend einer Weise anstößig wäre, es sei denn, jemand hält den menschlichen Körper an und für sich für anstößig. Du kannst, falls du Lust hast, nachher mal in die Sammlung schauen, ich habe Janas Festplatte an mich genommen.«
Das Kunstprojekt sollte Gleichheit in der Verschiedenheit der Schöpfung symbolisieren. Große, kleine, mittelgroße Menschen, von Kindern bis zu Greisen, dick und dünn, allerlei Rassen … die Vielfalt des Lebens vereint im Paradies.
Jana Nováková hatte viele künstlerische Erfolge gehabt im Lauf der Jahrhunderte, allerdings war sie nie selbst in Erscheinung getreten, stets hatte sie wechselnde Pseudonyme benutzt. Ihre Arbeiten, so vielgestaltig sie auch waren, hatten immer den unbekleideten Körper gezeigt, ob nun in Landschaften, als Statuen, im historischen oder religiösen Kontext oder schlicht als Portrait.
»Jana hat dich narkotisiert mit dem Wein«, berichtete Jessika, »ohne dass ich es rechtzeitig gemerkt habe. Das Mittel, welches auch immer, muss in deinem Glas gewesen sein, denn weder sie noch ich sind auch nur müde geworden. Plötzlich warst du bewusstlos. Ich geriet in Streit mit ihr, aber das half ja auch nichts mehr, das Unheil war schon angerichtet.«
Es existiere eine Hierarchie bei den Nephilim, erzählte Jessika, die unumstößlich war. Die alte Jana Nováková war wesentlich höher gestellt, daher sah Jessika zunächst keine Chance, mir zu helfen. In ihrem Streit war ihr schnell klar geworden, dass Jana mich nicht überleben lassen würde. Ihr war auch klar, dass sie die Alte nicht töten konnte, denn Nephilim sind für einander unantastbar, es sei denn, Nitzrek war auf ihrer Seite. Jessika erinnerte sich sehr genau an die Hausmeisterin, deren Dasein sie damals auf Nitzreks Geheiß beendet hatte. Immerhin meinte sie, ein paar Stunden Zeit zu haben, denn erst sollte ich ja noch fotografiert werden.
Ich wurde in einem Gästezimmer untergebracht, Jessika diskutierte noch eine Weile mit Jana in deren Wohnstube, jedoch führten ihre Argumente keine Änderung herbei. Die alte Nephilim wollte meinem irdischen Dasein nach dem Fototermin am Morgen ein Ende bereiten. Schließlich gab Jessika auf und beschloss, in der Nacht mit mir aus Budweis zu verschwinden.
»Als ich ins Gästezimmer kam, um ein paar Stunden bei dir zu warten, bis Jana tief genug schlief, um unseren Aufbruch nicht zu bemerken, hast du kaum noch geatmet. Was sie dir eigentlich für ein Mittel verabreicht hat, weiß ich nicht, aber ich habe vergeblich versucht, dich zu wecken. Nun war es ja kein Problem, dich zu tragen, aber ich bekam Angst um dich. Womöglich war die Dosis tödlich. Um zwei Uhr habe ich dich dann aus der Wohnung gebracht, in dein possierliches Automobil verfrachtet und bin mit dir in meine Wohnung gefahren.«
Ich fragte: »Warum hat sie dich eigentlich nicht ebenfalls betäubt?«
»Ich war auf der Hut. Ich habe die Weinflasche und mein Glas keinen Augenblick unbeobachtet gelassen. Als sie eine zweite Flasche holte, habe ich nichts mehr getrunken.«
»Das war sehr umsichtig, Jessika. Danke. Ich war also noch in der gleichen Nacht in deiner Wohnung, und da bin ich immer noch. Vorhin hast du was von zehn Tagen und Nächten gesagt. Stimmt das wirklich?«
Sie hatte mich auch am Morgen nicht wachbekommen und hatte dann schließlich am Vormittag Jana Nováková angerufen, um zu erfragen, womit sie mich betäubt hatte. Sie bekam keine Antwort. Statt dessen erfuhr sie, dass das Gift innerhalb von zwei bis drei Tagen tödlich sein würde, wenn sie, Jana Nováková, nicht ein Gegenmittel verabreichen würde.
»Ich rief dann einen Freund in München an, der ist Arzt und Nephilim – er ist zwar erst etwa 300 Jahre alt, aber er kennt sich sehr gut mit unserer Geschichte aus. Und vor allem mit den Kräutern, Pflanzen und chemischen Wirkstoffen, die von den Nephilim erforscht und entwickelt wurden. Er meinte, er müsse dich sehen und untersuchen und war auch gleich bereit, zu kommen.«
»Es gibt offensichtlich mehr von euch, als ich mir vorstellen konnte.«
Jessika lächelte versonnen und meinte: »Dafür, dass es uns nicht gibt, sind wir tatsächlich so selten nicht.«
Ich sei, erzählte sie weiter, immer bleicher geworden, keinen Moment zu Bewusstsein gekommen, sie hatte mir die Lippen mit Wasser benetzt, versucht, mir etwas Flüssigkeit einzuflößen, aber vergeblich. Sechs Stunden nach dem Telefonat war der Arzt da, er legte sofort eine Infusion, um die Dehydrierung aufzuhalten. Er nahm eine Blutprobe, die er allerdings erst zu Hause in seinem Labor würde untersuchen können.
»Dann ist es vielleicht zu spät, siehst du das nicht? Bitte, hilf ihm irgendwie!«, flehte Jessika.
Doktor Axel Matthäus, so hieß der Mann, runzelte die Stirn und fragte: »Kennst du jemanden hier in Budweis, der ein medizinisches Labor hat?«
»Nein, leider nicht, aber mit Geld kann man ja alles kaufen, auch ein Labor für ein paar Stunden.«
»Hier lebt doch irgendwo die legendäre Jana Nováková«, sagte der Arzt, »die könnte man fragen, ob sie ein geeignetes Labor kennt. Dem Vernehmen nach verlässt sie schon lange ihr Haus nicht mehr, aber sie kennt ja diese Stadt und ihre Bewohner wie kein anderer.«
»Das geht nicht«, antwortete Jessika, »denn ausgerechnet sie trachtet meinem Johannes nach dem Leben.«
Als er das hörte, war Doktor Matthäus nicht mehr bereit, weiter zu helfen. Er war immerhin so entgegenkommend, die Infusion und mehrere Reservepäckchen bei Jessika zu lassen, aber er erklärte kategorisch: »Ich reise ab, Jessika. Gegen Jana Novákovás Willen werde ich nicht handeln, immerhin ist sie eine Landesfürstin. Ich bin nur ein Stadtfürst, und das in einem anderen Land. Die Regeln unserer Art kann und werde ich nicht missachten. Auch du solltest lieber aufgeben, als einen derartigen Akt der Missachtung weiter zu führen.«
Und dann war er tatsächlich nach Hause gefahren. Als ich in der fünften Nacht aufhörte, zu atmen, hatte Jessika schließlich – was nur bei allergrößter Gefahr für ein Nephilimleben erlaubt war – von sich aus Nitzrek gerufen.
»Ich konnte dich mit Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassage zurückholen, aber stabil warst du nicht. Ich wusste nicht, ob Nitzrek kommen würde. Aber es war meine letzte Hoffnung, denn heilen darf ich nur mit Nitzreks Einverständnis, genauso wie ich nur dann töten darf, wenn ein Auftrag gegeben wurde. Zuerst spürte ich nichts …«
Ich unterbrach Jessika: »Wir ruft man denn den oder die oder das Nitzrek?«
»Mental. Durchaus auch mit gesprochenen Worten, aber die machen es nicht aus. So etwa, wie bei den Menschen ein Gebet, ein inbrünstiges Gebet gesprochen wird. Die Seele ist beteiligt. Ob dann Nitzrek allerdings reagiert, weiß man nicht.«
»Ganz wie beim menschlichen Beten also.«
»Ganz genau so. Jedenfalls war dann plötzlich Nitzrek da und wollte wissen, warum ich aus nichtigem Anlass seine Gegenwart herbeigerufen hatte.«
»Also hast du dich seinem oder ihrem Ärger ausgesetzt, um mich zu retten? Danke, Jessika.«
Jessika lächelte und fuhr fort: »Ich plädierte, bettelte, kämpfte. Nitzrek ließ sich schließlich erweichen, allerdings zu seinen Bedingungen. Vermutlich war mein Argument ausschlaggebend, dass Jana Nováková deinen Tod herbeigeführt hatte, ohne einen Auftrag zu haben. Deine Zeit, das wusste Nitzrek, war noch nicht gekommen, und wir Nephilim töten nicht ohne die Gewissheit, dass eben dies der Fall ist. Er erlaubte mir schließlich, dich zu heilen, wenn ich dir den Rest meines Lebens angehören und dich zu unseresgleichen zählen will.«
»Aber ich bin doch …«
Sie unterbrach mich: »Hör mir jetzt einfach zu, okay? Fragen und Einwände dann später.«
Jessika hatte das Ritual, das ich in meiner Italien-Erzählung geschildert hatte, ausgeführt. Ein Schnitt in ihren und meinen Arm, damit Blut zu Blut kommt, ihr Körper auf meinem mit so viel Hautkontakt wie möglich. Allerdings ging diese Heilung über das, was ich mir seinerzeit für die Szene am See ausgedacht hatte, hinaus, denn das »zu unseresgleichen zählen« bedeutete das Einswerden der Körper im Moment des Blutsbundes. Daher hatte ich, als ich in einem Zustand des beinahe Bewusstseins war, Spermaspuren an mir entdeckt.
Nitzreks Gegenwart war erst aus dem Raum verschwunden, nachdem der Bund geschlossen war und die Heilung einsetzte. Jessika noch hatte gefragt, wie sie sich nun künftig Jana Nováková gegenüber verhalten sollte, aber nur gehört, dass es auch den Nephilim bestimmt sei, einmal zu sterben.
Am übernächsten Tag war sie am Haus der Greisin in der Branišovská gewesen und hatte beobachtet, wie ein Sarg hinausgetragen wurde. Ein Nachbar erzählte, man habe die alte Dame tot aufgefunden, als ihr Lebensmittel geliefert werden sollten. Sie sei wohl friedlich im Schlaf gestorben und habe ja schließlich ein gesegnetes Alter erreicht.
»Und jetzt«, erklärte Jessika und sah mir in die Augen, »liegt es in deinem Ermessen, ob du den Bund annimmst oder nicht. Du warst nicht bei Bewusstsein, sondern so gut wie tot, daher ist die Entscheidung noch nicht getroffen. Nur von meiner Seite, aber du bist völlig frei.«
------ ------ ------
Immerhin – wie es die von mir selbst festgelegten Spielregeln verlangen, sind die beiden ein Paar geworden, mit Sex und drum und dran. So ging die Abstimmung bei der letzten Folge eben aus. Und ein »richtiges« Paar ist ja noch nicht ausgeschlossen zum jetzigen Zeitpunkt.
Nun können die geschätzten Leser mir das Autorenleben schwer oder leicht machen, je nach Antwort auf die Frage:
Ein Bund zwischen Johannes und den Nephilim? |
Nein. Kommt nicht in Frage. |
Ja. Wie sollen die beiden sonst überleben? |
Schubi-dubi-du. Scha-la-la-la-la. |
Auswertung |
Fortsetzung? Folgt, sobald die Abstimmung ein einigermaßen klares Ergebnis hat und ich dann weitergeschrieben haben werde.