Samstag, 18. Mai 2013

Was heißt eigentlich Rippenstoß auf Mesopotamisch?

Vor allem hat mir der Tag gestern einen Rippenstoß meiner Frau – und als Andenken daran einen blauen Fleck – eingebracht, der immer noch schmerzt. Es stimmt ja, dass ich den wohl verdient hatte, denn irgendwie war das eine ernsthafte Angelegenheit, und ich konnte mal wieder meine ironische Ader nicht bremsen.

»Sie sind voll von süßem Wein«, sagte ich, und Sekunden später bekam ich den Ellenbogen zu spüren.

»Das gehört sich nicht, wir sind hier nur zu Besuch«, zischte meine Frau mir ins Ohr. »Nimm dich doch ein mal zusammen!«

Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Also nicht mit dem ein mal – ich nehme mich oft zusammen! Aber es stimmt schon: Als Gast in einer fremden Stadt sagt man nicht solche frechen Sachen, schon gar nicht laut und öffentlich. Doch den Mann, der dann später zum Wortführer wurde, schien das nicht beleidigt zu haben. Gehört haben musste er mich, denn er ging sogar auf meine Boshaftigkeit ein: »Diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage«, erklärte er. Mir lag ja schon wieder etwas auf der Zunge, in etwa »dann ist das noch der Rausch von gestern Abend?« oder »vielleicht war was im Frühstückstee?«, aber das habe ich heruntergeschluckt. Noch so einen Stoß von meiner Angetrauten wollte ich mir nicht einhandeln.
Aber ich greife vor. Der Mann hat ja erst später geredet. Losgegangen war es mit dem Getöse. Es gab schon gestern vor Ort so allerlei Gerüchte und Gerede. Was wirklich passiert war, wusste natürlich keiner von uns Schaulustigen. Wir waren zusammengeströmt, weil es einen gewaltigen Krach gegeben hatte. So etwas wie ein Brausen, Rauschen, also eigentlich wie bei einem Sturm. Allerdings herrschte gestern ziemliche Windstille, allenfalls ging ein laues Lüftchen durch die Stadt, aber jedenfalls nichts, was so einen Lärm hätte verursachen können. Meine Frau und ich sind in der kleinen Herberge untergebracht, die am Ende der Straße liegt. Also etwa 500 Meter vom Ort des Geschehens. Wir sind bei dem Brausen gleich auf die Straße raus gegangen, das war ohrenbetäubend, es hätte ja was Gefährliches sein können, nicht wahr?

Als wir vor dem Haus ankamen, in dem immer noch ziemlicher Lärm herrschte, allerdings nun von menschlichen Stimmen verursacht, kamen schon die Gestalten aus der Tür, die ich dann – der blaue Fleck wird mich noch eine Weile erinnern – vorlaut als morgendliche Trunkenbolde veräppelt habe. Die benahmen sich aber auch wirklich nicht wie nüchterne Menschen.

Les Très Riches Heures du duc de Berry, Folio 186r - Pentecost the Musée Condé, Chantilly.Es waren, soweit ich das weiß, nur Einheimische. Alle redeten durcheinander, aber verstehen konnte man so gut wie niemanden. Ich hörte allerdings nach einer Weile einen eher schmächtigen Typen in unserem römischen Dialekt reden. Wir Römer haben da so eine ganz eigenwillige Betonung in unserer Aussprache, die kriegen noch nicht mal unsere Volksgenossen aus der Umgebung hin. Angeblich hört man das sogar durch, wenn wir Aramäisch reden. Jedenfalls erzählte der Mann in unserer Sprache und unserem Dialekt etwas von den großen Taten Gottes, ohne dass ihn jemand danach gefragt hätte.

Meine Frau ist sehr interessiert an Sitten und Gebräuchen, daher reisen wir auch oft und gerne, und sie hat den Schmächtigen, natürlich in unserer Muttersprache, gefragt, was denn eigentlich los wäre, was das vorhin für ein Lärm gewesen sei. Der hat sie groß angeschaut, mit den Schultern gezuckt, verständnislos gelächelt, und es war ziemlich schnell klar, dass er überhaupt kein Wort verstand. Taub war er aber auch nicht. Auf die gleiche Frage in Aramäisch hat er nämlich reagiert. Das war schon recht gespenstisch, wie der dann weiter von Gott erzählte, in unserem Dialekt, ganz flüssig und fehlerfrei, aber offensichtlich nur seine heimatliche Sprache verstehen konnte.

Schließlich wurde das Durcheinanderreden etwas ruhiger, und einer der Leute aus dem Haus hat eine lange Rede gehalten. Der sei mal Fischer gewesen, raunte jemand neben uns. Für einen Fischer, falls das stimmt, hielt er eine recht ansehnliche Ansprache. Er hat erklärt, dass wir Zeugen eines Geschehens wären, das vor ich weiß nicht wie vielen Jahren oder Jahrzehnten – womöglich noch länger – von einem der jüdischen Propheten angekündigt worden sei. Gott habe, sagte der möglicherweise frühere Fischer, seinen Geist ausgegossen, und das sei wohl verantwortlich für den Krach gewesen. So eine Art Flut von oben, daher das gewaltige Rauschen, obwohl dann auch von kleinen Feuerflammen in dem Zimmer die Rede war, was ja nicht so recht zur Flut passt. Zu einem Sturm auch nicht, wenn man es genau überlegt. Anschließend hat er erklärt, dass ein Prediger, der viele Wunder getan haben soll und der vor unserer Ankunft in der Stadt hingerichtet worden war, keineswegs tot sei. »Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen«, so hat er das formuliert.

Er hat dann gemeint, dass wir uns alle taufen lassen sollten, und dann würden wir den Geist, der da ausgegossen worden sei, ebenfalls empfangen. Dem Aufruf sind gleich gestern so etwa 3.000 Leute gefolgt, habe ich mir sagen lassen. Ich bin da eher etwas zurückhaltend, und ich weiß auch nicht recht, ob ich in einer Sprache reden will, die ich gar nicht verstehe. Wer weiß, was ich da von mir geben würde! Womöglich führt das letztendlich zu noch mehr blauen Flecken, falls meine Frau dann zufällig ausgerechnet meine unverständliche Sprache verstehen sollte …

Wir haben uns aber vorhin überlegt, dass wir ja mal die Versammlung besuchen könnten, die heute am späten Nachmittag stattfinden soll. Im Tempel soll das sein, bei so viel Ansturm gibt es ja auch keinen anderen geeigneten Treffpunkt weit und breit. Wir werden wohl hingehen. Neugierig bin ich schon.

So, das wollte ich Ihnen erzählen, solange ich noch in der Lage bin, meine eigenen Worte zu verstehen. Man weiß ja nicht, wie das hinterher aussehen wird. Vielleicht rede ich heute Abend nur noch mesopotamisch?

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Montag, 13. Mai 2013

Leckereien, Lesungen, Lieder …

Normalerweise, oder zumindest meist, lesen Autoren ihre Texte selbst vor. Nicht so am Pfingstabend und in die Nacht hinein, zumindest nicht in der Wrangelstraße 6/7 in Berlin Steglitz.

Das liegt daran, dass die Autoren tot sind. Die Experten und Forscher meinen, der eine genieße seit rund 1900 Jahren, der andere seit rund 1860 Jahren die ewige Ruhe. Wie sie wirklich hießen ist nicht sicher, man nennt den einen heute übereinstimmend Matthäus, den anderen Johannes. Es ist jedoch unklar, wer wirklich die betreffenden Schriften verfasst hat. Aber ihre Texte werden noch heute gelesen, unter anderem eben am kommenden Pfingstsonntag. Zu Gehör gebracht werden die alten Erzählungen von Frau Gabi Schlag und den Herren Pastor Martin Wahl und Günter J. Matthia – der letztere Name gehört bekanntlich mir. Ich freue mich darauf, mal wieder aus den Werken der beiden Autoren vortragen zu können, deren über Jahrhunderte und nun bald zwei Jahrtausende hinweg in zahllose Sprachen und immer wieder neu übersetzte und an die sprachliche Entwicklung angepasste Schriften noch heute Zuhörer interessieren und faszinieren können.

nok2013Keineswegs tot ist der Liederdichter, der musikalisch zum Programm beiträgt. Johannes Penzlin heißt er und er wird zur Gitarre selbst geschriebene Musik aufführen, die thematisch oft dem Alltag entspringt, aber in die Zukunft und auch in die Vergangenheit durchaus hineinreichen kann. »Nein, nein (ich kenn dich nicht)« lautet beispielsweise ein Titel, »Dreimal alles falsch gemacht« ein anderer.

Die Leckereien, die dem Abend kulinarisch eine besondere Note geben, sind vielfältig. Putenbrust-Spießchen mit Gouda zum Beispiel wird es geben, Wraps mit Rucola-Räucherlachs, Frischkäse-Kresse-Kompositionen … wem liefe da nicht das Wasser im Mund zusammen? Auch etwas in flüssige Schokolade Getunktes, so habe ich mir sagen lassen, steht zum Verzehr bereit.

Das Programm wird anlässlich der Nacht der offenen Kirchen in Berlin-Brandenburg im Gartenhaus der Johannesgemeinde Berlin dargeboten, selbstverständlich kostenlos und ohne jegliche Verpflichtungen. Ab 20:00 Uhr werden die Türen offen sein, um 23 Uhr ist die Veranstaltung zu Ende. In der Zeit dazwischen kann man kommen und bleiben oder gehen, wie es in den persönlichen Zeitplan passt. Herzlich willkommen!

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Samstag, 4. Mai 2013

Vom Betteln, Schnorren und einem echten Wunder

Es ist unter frommen Zeitgenossen häufig besonders in der Mode, zu betteln und zu schnorren, wenn Rechnungen nicht bezahlt werden können. Der auf mich schon jeher sehr gespenstisch wirkende amerikanische Fernsehprediger Benny Hinn braucht aktuell mal wieder 5 Millionen Dollar, um seine Firma (die er natürlich »Dienst« nennt) aus dem Schuldenloch zu holen. Gott selbst hat dem Vernehmen nach Herrn Hinn über einen Dritten erklärt, wie das etwas kompliziert angelegte »Wunder« funktionieren soll:

Gott hat es mir aufs Herz gelegt, einen Samen von 2,5 Millionen Dollar in deinen Dienst zu pflanzen. Aber Gott will, dass ich diese Gabe nur dann gebe, wenn die »Partner deines Dienstes« (also die Anhänger von Herrn Hinn) die Summe innerhalb von 90 Tagen verdoppeln. Ich bin so überzeugt, dass Gott sie zum Bestandteil der übernatürlichen Reichtumsübertragung machen will, die dann auf jeden Gläubigen herabkommen wird, der dem Wort Gottes gehorcht,

soll ein nicht genannter Mensch erklärt haben. (Quelle)

Der Trick ist ganz einfach, auch wenn du nicht 5 Millionen, sondern nur – sagen wir 20.000 Euro brauchst. Erkläre den Christen, dass nicht etwa du Geld ausgegeben hast, das du noch gar nicht verdient hattest, sondern dass Gott ihr Geld haben will, damit er ein Wunder tun kann. Oft wird dann noch eine biblische Geschichte hinzugefügt, zum Beispiel dass die Witwe, die ihr letztes Öl und Mehl spendete, von Gott belohnt wurde. Wer würde es da wagen, sich dem göttlichen Wunderwirken in den Weg zu stellen, indem er eine großzügige Spende verweigert?

Ich zum Beispiel.

Wer Herrn Hinn aus dem Millionenloch helfen möchte, der möge es gerne tun. Ich nicht. Auch anderen, ähnlichen Schnorrern gedenke ich so lange nicht finanziell unter die Arme zu greifen, wie sie mir weismachen wollen, ich könne »Teil eines göttlichen Wunders« werden, wenn ich mein Geld locker mache.

Money! Geld! Her damit!Klar ist, dass alles, wohltätige oder religiöse Aktivitäten eingeschlossen, Geld kostet. Jede Freikirche, jede Moschee, jedes christliche oder humanitäre oder buddhistische Werk muss Spenden sammeln, um überhaupt die Arbeit tun zu können, die man sich jeweils vorgenommen hat. Daran ist absolut nichts auszusetzen. Ob Kleiderspenden für die Stadtmission oder eine Kollekte für die Gemeindearbeit, Schulmaterialien für Kinder aus armem Elternhaus oder Notunterkünfte für Obdachlose … das alles kostet Geld und es ist keine Schande, um Spenden zu bitten (solange sich nicht jemand die privaten Taschen damit füllt).

Es ist auch keine Schande, Freunde und Bekannte um Hilfe zu ersuchen, wenn man im Privatleben finanziellen Schiffbruch erlitten hat. Ob nun verschuldet oder nicht – es kann passieren und manche Freunde helfen gerne, soweit sie es können. Aber das ist dann kein Wunder und Gott hat absolut nichts damit zu tun, egal ob der Schuldner fromm ist oder nicht. Das ist ausschließlich guter Wille und Hilfsbereitschaft von Menschen.

Ein echtes finanzielles Wunder habe ich persönlich erlebt, und das ging so: Wir waren vor etlichen Jahren so verschuldet, dass wir Mühe hatten, überhaupt noch ausreichend Essen auf den Tisch zu bringen. Das finanzielle Unheil war zum Teil selbst angerichtet, zum Teil hatten wir auch keinen Einfluss auf die Entwicklungen gehabt, die zur Notlage führten. Unser finanzielles Leid klagten wir im Gebet unserem Gott. Nicht irgendwelchen Menschen, schon gar nicht öffentlich. Es wäre uns auch nicht in den Sinn gekommen, göttliche Belohnung für diejenigen zu versprechen, die uns etwas spenden.

Wir arbeiteten und sparten stattdessen, so gut und so viel wir konnten. Allerdings reichte unsere Arbeit und Mühe nicht, um an der Misere wirklich etwas grundlegend zu ändern. Und siehe da: Gott schickte uns eine Person, die unsere Schuldenlast buchstäblich auf die eigenen Schultern nahm und bis zum letzten Cent bezahlte. Ohne Gegenleistung. Einfach so. Und das auch noch, ohne dass wir die Person überhaupt um Geld gebeten hatten.

Das ist inzwischen Jahre her – aber das nenne ich noch heute ein Wunder.

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Dienstag, 30. April 2013

Neues zum Joggathon

joggathon-logo_2013Auf die Veranstaltung am 2. Juni und meine Teilnahme habe ich bereits im vorigen Beitrag hingewiesen, inzwischen gibt es (endlich!) weitere Informationen sowie das Einladungsfaltblatt vom Veranstalter.

Zunächst zum guten Zweck, der durch die Veranstaltung unterstützt wird. Die Einnahmen werden zu je 50 Prozent zwei Projekten zugute kommen:

  • Projekt 1 ist Veritas Sighisoara in Rumänien. Veritas bietet durch ehrenamtliche Helfer soziale Dienste und Bildungsprogramme für Menschen am Rande der rumänischen Gesellschaft an, darunter Vorschulkindergruppen für Roma, Hilfsprogramme gegen häusliche Gewalt und Hausbesuche bei gebrechlichen Menschen.
  • Projekt 2 ist das Sozialwerk in Mahlow gleich vor den Toren Berlins. Dort wird unter anderem durch den Betrieb einer Küche Suchtkranken und Suchtgefährdeten, Obdachlosen und Haftentlassenen geholfen, wenn möglich wieder Fuß zu fassen und den Weg in eine verantwortliche Lebensgestaltung mit regelmäßiger Arbeit zu finden.

Nun zum Tagesablauf. Um 10:15 beginnt der Open-Air-Gottesdienst der gastgebenden Lydia-Gemeinde, zu dem auch Läufer und Gäste herzlich willkommen sind. Der Besuch des Gottesdienstes ist natürlich keine Voraussetzung für die Teilnahme am Lauf und/oder anschließenden Fest.

Um 12:30 Uhr startet der Joggathon rund um den Tümpel mit dem drolligen Namen Lolopfuhl. Während des Laufes wird für die Läufer am Startpunkt Wasser ausgegeben, jede Runde ist 1,1 Kilometer lang. Der Lauf dauert eine Stunde, die letzte innerhalb der 60 Minuten angefangene Runde darf zu Ende gelaufen werden und zählt mit.

Ab 13:30 sind dann alle, Läufer, Gäste und Gemeindemitglieder, zum Joggathon-Fest auf dem Grundstück der Lydia-Gemeinde willkommen. Es gibt (gegen einen geringen Betrag) Leckeres vom Grill und kostenlos kalte Getränke, Kaffee und Kuchen. Salate, Baguette und ähnliches kann jeder nach Belieben selbst mitbringen. Neben vergnügten Gesprächen am Tisch kann Volleyball, Streetball und Gartenschach gespielt werden. Gegen 16:00 oder etwas später werden dann die Ergebnisse des Laufes bekanntgegeben und um 17:00 Uhr ist Ende der Veranstaltung.

Und wo findet das alles statt? Die Lydia-Gemeinde ist in 12355 Berlin (Rudow) in der Ursulinenstraße 35 zu finden. Google malt das so auf den Bildschirm: [Laufstrecke und Lydia-Gemeinde bei Google Maps]

Als Zuschauer und zum Mitfeiern ist jedermann herzlich eingeladen. Wer will, kann auch mitmachen, nämlich so oder so:

Der Joggathon ist ein Sponsorenlauf, bei dem man sich als Läufer und/oder Sponsor beteiligen kann. Jeder Läufer, also auch meine Wenigkeit, sucht sich Sponsoren, die einen Geldbetrag eigener Wahl pro gelaufener Runde spenden. Natürlich für den guten Zweck, nicht für den Läufer. Ich freue mich, dass sich bereits zwei Menschen als »meine« Sponsoren gemeldet haben. Wer hat noch Lust, durch meine Beinarbeit Gutes zu tun? Schickt mir eine E-Mail an gjmatthia@gmail.com - dann setze ich euch auf meine Liste. Voraussichtlich werde ich acht oder neun Runden schaffen. Ich brauche neben dem Betrag, der pro Runde zugesagt wird auch Namen und Anschrift, denn nach dem Lauf erhalten alle Sponsoren eine Sponsorenrechnung mit der erlaufenen Summe und der Bankverbindung, an die überwiesen werden soll. Anfang 2014 gibt es dann vom Veranstalter noch eine Spendenquittung für die Steuererklärung.

Wer noch als Läufer dabei sein will, kann sich per E-Mail an joggathon@johannesgemeinde-berlin.de anmelden. Es gibt leider keine Duschen, daher empfiehlt es sich, neben der Sportbekleidung zum Wechseln auch Handtuch und Deospray, Erfrischungstücher oder sonst geeignet erscheinende Utensilien gegen allzu viel Ausdünstungen nach dem Laufen mitzubringen.

Weitere Details findet man im Faltblatt, das hier als PDF heruntergeladen werden kann: [Joggathon 2013 Einladung]

Na denn! Sehen wir uns am 2. Juni?

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Sonntag, 14. April 2013

2. Juni: Ich laufe mit

Der 2. Juni 2013 dürfte für viele Menschen ein ganz normaler Sonntag sein. Für mich wird allerdings ein besonderes Ereignis stattfinden, wenn nichts Gravierendes mehr dazwischen kommt: Ich werde zum ersten Mal in meinem bald 58 Jahre währenden Leben beim Joggathon mitlaufen. Was ein Joggathon ist, erkläre ich ein Stückchen weiter unten.

Eigentlich wollte ich 2012 teilnehmen. Im März des vergangenen Jahres landete ich dann jedoch im Krankenhaus, erfuhr die Krebsdiagnose, wurde operiert ... regelmäßige Leser kennen meine Erlebnisse.

Im Dezember 2012, als die Chemotherapie zwei Monate zurück lag, die ständige Übelkeit sich verflüchtigte und aus tauben Füßen nach und nach wieder Füße wurden, mit denen ich auch einen Dauerlauf wagen konnte, beschloss ich dann, wenn möglich 2013 zu den Teilnehmern beim Joggathon zu zählen. Also wechselte ich im Fitnesstudio vom Ergometer zum Laufband. Und schaffte immerhin glorreiche 10 Minuten.

Ohne Fleiß, das wissen der Volksmund und ich schon lange, kein Preis. Also schwitzte ich Woche für Woche jeweils am Dienstag und am Donnerstag auf dem Laufband ... und siehe da, drei Monate nach dem ersten Versuch hatte ich mein selbst gestecktes Ziel erreicht: 60 Minuten Dauerlauf bei durchschnittlicher Geschwindigkeit von 8 Stundenkilometern.

Jopggathon 2010Der oder das Joggathon, das sei nun endlich enthüllt, ist ein jährlicher Benefizlauf, der eine Stunde dauert. Daher mein Ziel, 60 Minuten zu schaffen. Die Runde, die in dieser Stunde gelaufen wird, ist etwa einen Kilometer lang. Da ich acht Runden schaffen möchte, war mein zweites Ziel die Ende Februar im Sportstudio erreiche Durchschnittsgeschwindigkeit. Inzwischen trainiere ich mit Woche für Woche leicht erhöhtem Tempo, so dass ich – wie gesagt, wenn nichts Gravierendes dazwischen kommt – am 2. Juni auch neun Runden schaffen könnte.

Ein Benefizlauf ohne Geldeingänge wäre ja kein Benefizlauf. Daher sucht sich jeder Läufer Sponsoren, die einen Betrag eigener Wahl pro bewältigter Runde zusagen. Ich laufe auf jeden Fall, selbst wenn ich keine Sponsoren finden sollte, denn die Teilnahme ist für mich ein weiterer Etappensieg über den Krebs beziehungsweise seine Folgen. Selbst wenn ich nur sieben Runden schaffen würde ... ein Sieg ist es allemal, denn vor zwölf Monaten war es noch nicht einmal klar, ob ich den Juni 2013 überhaupt erleben darf.

Mit Sponsoren macht so ein Benefizlauf natürlich noch viel mehr Spaß. Daher meine Frage und Einladung: Wer hat Lust, mein Sponsor oder meine Sponsorin zu werden? Ob nun mit zwei Euro pro Runde, oder mit fünf, sieben, zehn ... welcher Betrag auch immer, das darf jeder Sponsor selbst festlegen. Ich werde voraussichtlich acht Runden schaffen, unter Umständen neun, vielleicht auch nur sieben. So kann sich jeder ungefähr ausrechnen, wie hoch der Beitrag für den guten Zweck aufgrund meines Laufes voraussichtlich sein wird.

Wer mein Sponsor sein möchte, schickt mir am besten eine Email (oder klassisch eine Postkarte) oder eine persönliche Nachricht auf Facebook, denn benötigt wird neben der Spendenzusage pro gelaufener Runde auch die komplette Anschrift, und die will nicht jeder ins Internet schreiben. Die Sponsoren erhalten nämlich nach dem Joggathon vom Veranstalter eine »Sponsorenrechnung« mit der Bankverbindung, auf die der Betrag überwiesen werden soll. Und Anfang 2014 eine Spendenquittung, die sie beim Finanzamt steuermindernd vorlegen können.

Ein Benefizlauf ohne guten Zweck wäre natürlich auch kein solcher. Sämtliche Einnahmen gehen auch dieses Jahr zu 50 Prozent andas international tätige Hilfswerk Helping Hands und zu 50 Prozent an das lokal aktive Sozialwerk Ichthys in Mahlow bei Berlin. Weder die Läufer noch der Veranstalter erhalten auch nur einen Cent. Und das ist auch gut so.

Joggathon 2010Ich bin gespannt, ob sich Sponsoren finden, deren Geld für den guten Zweck ich durch meinen Lauf locker machen kann. Ich freue mich natürlich auch über alle, die mich vom Rand der Strecke aus anfeuern wollen, mit Pauken und Trompeten oder ganz still und schüchtern mit einem ermunternden Lächeln. Ein Freund will sogar an meiner Seite mitlaufen – als ermunternder Begleiter. Tolle Idee, Jens, und darauf freue ich mich ganz besonders!

Die genauen Informationen über Ort und Zeit folgen, sobald der Veranstalter mit den Einladungszetteln und Postern fertig ist. Den 2. Juni, später Vormittag bis mittlerer Nachmittag in Berlin Rudow (es gibt für alle Kaffee, Kuchen, Gegrilltes, Salate …) können sich ja schon mal alle freihalten, die dabei sein möchten.

(Die Fotos stammen vom Joggathon 2010)

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Sonntag, 7. April 2013

Mit Lingammassage die Impotenz überwinden …

Ein Erfahrungsbericht

Ich hatte in meinen regelmäßigen Berichten vom Krankheits- und Genesungsverlauf einmal erwähnt, dass die Chemotherapie auch bei mir zur Impotenz geführt hatte und dann etliche Monate später angemerkt, dass es mir gelungen war, dem Zustand wieder zu entkommen. Dabei wollte ich es eigentlich belassen. Doch dann haben mich Zuschriften von ebenfalls unter Impotenz leidenden Lesern erreicht, die mich bewogen haben, nun doch auf das Thema ausführlich einzugehen. Vielleicht kann ich ja damit dem einen oder anderen Menschen beziehungsweise Paar Mut machen und helfen. Es wird ja diesbezüglich viel zu viel geschwiegen, was oft genug dazu führt, dass die (völlig fehl am Platz befindlichen) Schuld- und Schamgefühle noch verstärkt werden.

Wie schreibt man über Potenz und Impotenz, ohne dass es anstößig wird? Wie viel Offenheit verträgt ein solcher Artikel? Ich habe mich entschieden, auch dieses Thema so persönlich und authentisch zu schildern wie andere Aspekte meiner Krebserkrankung und der Folgen. Um Betroffenen überhaupt eventuell helfen zu können, blieb mir auch nichts anderes übrig, als kein Blatt vor den Mund zu nehmen.

Wer es anstößig findet, etwas über das Berühren des Gliedes, Penismassage, Erektionen und Ejakulationen zu lesen, möge an dieser Stelle die Lektüre des Artikels beenden und sich anderen Aktivitäten widmen. Wer am Thema interessiert ist, möge sich anhand der Lektüre ein eigenes Bild machen, ob es ist mir gelungen ist, den richtigen Ton zu treffen.

 

Impotenz durch Chemotherapie

Es gibt 1000 Krankheiten, aber nur eine Gesundheit. -Arthur Schopenhauer

Es ist so eine ganz spezielle Sache mit dem männlichen Geschlecht und der Potenz. Das geht schon früh los; ein pubertierender Junge ist gleichermaßen irritiert und fasziniert, wenn die schon seit dem Babyalter vorhandene Erektionsfähigkeit seines Gliedes sich durch Ejakulationen und Orgasmusgefühle zu einem Phänomen entwickelt, mit dem umzugehen erst gelernt werden muss. Die Pubertät, in der Regel noch voller Peinlichkeiten und Unwägbarkeiten, hat man irgendwann hinter sich und ist dann daran gewöhnt, dass sich eine Erektion ohne große Mühe einstellt, wenn sie für Masturbation oder Liebesspiel gebraucht wird. Es gibt natürlich Zeiten in jedem Leben, in denen wegen Übermüdung oder Krankheit oder seelischen Nöten Sex so ziemlich das letzte ist, woran man denkt und wozu man fähig wäre. Aber normalerweise kann ein Mann sich bis ins fortgeschrittene Alter auf seine Potenz verlassen.

Ich habe nie zu denjenigen gehört, die (oft vermutlich ziemlich übertrieben) mit ihrer Potenz protzen – solche Geschlechtsgenossen gibt es haufenweise. Wenn allerdings dauerhaft keine Erektion möglich ist, herrscht weithin das große Schweigen. Man kommt sich minderwertig vor, schämt sich … die Impotenz drückt auf das Gemüt, bei Paaren auf das Gemüt beider Partner. Der Verstand weiß vielleicht, dass es keinen Grund gibt, sich zu schämen oder als Versager zu empfinden, aber dieses Wissen ändert nichts am seelischen Unwohlsein. Und das ist gar nicht gut so.

Als mich wenige Wochen nach der Krebsoperation in der Rehabilitationsklinik beim Aufnahmegespräch einer der Ärzte fragte, ob ich eine Beratungsstunde bezüglich der möglicherweise eintretenden erektilen Dysfunktion (ein anderer Name für die Impotenz) wünschte, lehnte ich ab. Innerlich ging ich wohl davon aus, dass das Thema kein Thema für mich werden könnte. Ich war in jenen Tagen noch so von der Operation geschwächt und von Medikamenten (darunter das libidodämpfende Morphin) beeinträchtigt, dass Sex nicht allzu weit oben auf der Prioritätenliste stand; konnte (oder wollte) mir aber auch nicht vorstellen, dass es durch die Chemotherapie zu dauerhaften gravierenden Beeinträchtigungen kommen würde.

Dabei hätte ich es wissen können und müssen. Der Onkologe hatte mir umfangreiches Material über alle Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen, die im Falle der Behandlung mit Oxaliplatin und Xeloda auftreten können, zur Kenntnisnahme mit eigenhändiger Unterschrift gegeben. Unter anderem war da zu lesen:

… können Nerven und Blutgefäße schädigen, die für die Erweiterung der Schwellkörper und die erhöhte Blutzufuhr in den Penis zuständig sind. Die Erektionsfähigkeit wird dadurch vermindert oder zerstört. Oft bleibt die Berührungsempfindlichkeit der Haut und die Fähigkeit zum Orgasmus erhalten.

Die Behandlungen insbesondere bei Prostata- , Blasen-, Darm- und bei Hodenkrebs können auch den Samenerguss beeinträchtigen. Je nach therapeutischer Maßnahme kann es zu einem verminderten oder fehlenden Samenerguss kommen. Die Zeugungsfähigkeit des Patienten ist in diesen Fällen vermindert oder geht ganz verloren. …

Die meist starke allgemeine Beeinträchtigung durch die Chemotherapie (Übelkeit und Erbrechen, Schleimhautschäden, Erschöpfung) reduziert das sexuelle Lustempfinden. Zytostatika können Samen und Eizellen sowie Nervenbahnen schädigen. …

Da die Therapie zur Zeugungsunfähigkeit führen kann, besteht für jüngere Patienten mit Kinderwunsch die Möglichkeit, dass vor der Behandlung Samen tiefgefroren werden. Kommt es dann tatsächlich zur dauerhaften Unfruchtbarkeit, kann der Samen zur künstlichen Befruchtung genutzt werden. (Quelle: Informationen der Deutschen Krebsgesellschaft)

Libidoverlust und Potenzstörungen waren also aufgeführt, wie so vieles andere von der Appetitlosigkeit über das Erbrechen bis zur Kälteüberempfindlichkeit und deutlichen Veränderungen im Blutbild. Einige der möglichen Nebenwirkungen trafen mich sofort und mit erheblicher Stärke, andere gar nicht oder abgeschwächt. Dass mir die Erektionsfähigkeit abhanden gekommen war, merkten meine Frau und ich im Juni 2012, als trotz andauernder Chemotherapie meine körperlichen Kräfte wieder so weit hergestellt waren, dass Fahrradtouren, Sport und Ausflüge wieder gut gelangen. Es lag nahe, sich endlich auch wieder Sex zu gönnen. Die Liebe war uns nämlich durch den Krebs nicht abhanden gekommen, im Gegenteil, aber mein Penis reagierte auf nichts. Die Impotenz, mit der ich nicht ernsthaft gerechnet hatte, war eine Tatsache und sie wurde zunehmend zum Problem.

 

Rat suchen

Ich wünschte mir nun, ich hätte seinerzeit mit dem Therapeuten in der Rehabilitationsklinik das Thema besprochen. Doch wie so oft im Leben: der Blick zurück auf das Hätte und das Wäre und das Könnte ist nicht hilfreich. Die Impotenz ignorieren, nichts tun und abwarten schien mir am wenigsten Erfolg versprechend. Es galt vielmehr, das Problem zur Kenntnis zu nehmen und Abhilfe zu finden: Wie wird der Penis wieder steif? Gelingt jemals wieder ein Orgasmus?

Also überwand ich das Gefühl der Peinlichkeit und erklärte meinem Onkologen (der natürlich keineswegs überrascht war, denn wie gesagt ist Impotenz keine seltene Nebenwirkung) den Sachverhalt. Ich wollte wissen, ob ich irgendwie schon während oder wenigstens nach der Chemotherapie gegensteuern könnte. Viagra oder vergleichbare chemische Produkte kamen erst einmal nicht für mich in Frage (und wurden vom Arzt auch nicht vorgeschlagen). Ich wollte so wenig wie möglich Tabletten zu mir nehmen. Mein Körper hatte genug damit zu tun, mit den Zytostatika fertig zu werden. Vermutlich hätte ich mir bei anhaltender Impotenz irgendwann nach einem oder zwei Jahren auch Pillen verschreiben lassen, aber das war keine Option, die ich im Juni 2012 bereits ernsthaft in Erwägung gezogen hätte.

Stattdessen begann ich, auf vorsichtig zurückhaltenden (weil es keine schulmedizinische Behandlung war) Rat des Onkologen, ein für vergleichbare Fälle von manchen Therapeuten empfohlenes Programm, die Lingammassage. Die Übungen entstammen dem indischen Sanskrit, einer traditionellen Gesundheitslehre, die seit Jahrhunderten angewendet, aber hierzulande nicht als »medizinische Therapie« anerkannt wird.

 

Lingammassage versus Impotenz?

An dieser Stelle, bevor Sie weiterlesen, will ich deutlich auf drei Punkte hinweisen.

Erstens: Ich habe eingangs darum gebeten, nicht weiter zu lesen, wenn das Berühren der Geschlechtsorgane, die Massage des Penis in diesem Fall, von Ihnen als anstößig empfunden wird. Daran sei hier noch einmal erinnert.

Zweitens: Die Methode war zwar bei mir erfolgreich, aber bei anderen Betroffenen nicht, jedenfalls meinte mein Arzt, dass der Versuch mit der Lingammassage bei vielen Patienten vergeblich war. Ihr Onkologe oder Urologe wird Ihnen, falls Sie Krebspatient sind, sicher reinen Wein eingeschenkt haben: Es kann durchaus sein, dass die Impotenz nach einer Chemotherapie von Dauer ist. Es kann genauso gut sein, dass bei Ihnen ganz andere Therapieansätze erfolgreich sind.

Drittens: Ich bin weder Psychologe, noch Arzt oder Therapeut. Ich kenne Sie und Ihre Situation überhaupt nicht. Ich berichte nur, was ich und wie ich es erlebt habe, weil das vielleicht dem einen oder anderen Leser Mut machen und helfen kann. Ob die Lingammassage für Sie geeignet ist, lieber Leser, kann ich nicht wissen.

Sie lesen also weiter? Dann hoffe ich sehr, dass Ihnen meine Erfahrungen helfen können, wir gehen auch gleich in medias res. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, aber dies sei doch der Vollständigkeit halber vorweg noch erwähnt: Schalten Sie alle »normalen« Ihre Potenz dämpfenden Ursachen aus, indem Sie

  • das Rauchen aufgeben (falls Sie dem Laster trotz Krebs noch frönen sollten);
  • Alkohol meiden;
  • für reichlich Aminosäuren in der Nahrung sorgen (also viel Obst und Gemüse essen);
  • grundsätzlich Lebensmittel kaufen, die weitgehend frei von chemischen Stoffen (zur Konservierung, Rückstände chemischer Düngemittel und Insektenvertilgungsmittel) sowie bei Fleisch, Wurst, Milchprodukten und Eiern frei von Hormonen und Antibiotika sind. Geeignete Produkte tragen im Laden die Aufschrift BIO oder kommen direkt vom ökologischen Bauernhof;
  • einen weiten Bogen um »Softdrinks« wie Fanta, Cola, Sprite und ähnliches machen (lesen Sie die Etiketten: wenn E 150 a bis d aufgezählt ist, begünstigt das Getränk den Krebs und dämpft gleichzeitig die Libido);
  • sich viel bewegen (Dauerlauf, zügige Spaziergänge, Treppe statt Fahrstuhl, Schwimmen, wenn finanziell möglich am besten in einem Sport- und Fitnessstudio regelmäßig trainieren).

So, nun aber zum Lingam (das indische Wort für Penis), der auch dann schlaff herunterhängt, wenn er steif in die Höhe zeigen sollte und zu den Übungen, die vielleicht auch Ihnen hilfreich sein könnten. Mein Arzt hatte mich auf eine Webseite hingewiesen, die Anleitungen und Videos zur Lingammassage enthält und mir gesagt, welche Teile der kompletten Massage zur Therapie von Impotenz in Frage kommen. Ich werde auf jene Seite nicht verlinken, da die Darstellungen vor allem im Video zwar verständlich und nachvollziehbar sind, aber die Grenzen des Jugendfreien aufgrund der erotischen Orientierung der Seite überschreiten. Statt dessen beschränke ich mich auf die Beschreibung der mir empfohlenen und erfolgreich angewandten Übungen und unkritische Abbildungen.

 

Alleine oder zusammen?

Das Programm wäre auch als Paar durchführbar, aber die Therapeuten raten ab. Die Übungen können nämlich ziemlich frustrierend sein oder werden, wenn sie über viele Wochen keinerlei sichtbare Wirkung haben. Es war auch für mich kein sonderlich beglückendes Erlebnis, meinen schlaffen Penis zu streicheln und zu massieren, während dabei noch nicht einmal ein Hauch von Erektion zustande kam. Die Impotenz belastet eine Beziehung unweigerlich, sie muss dem Partner nicht auch noch anhand des täglichen Programms über Monate vorgeführt werden. Außerdem, so die Therapeuten, geriete ein Mann, wenn er nicht alleine wäre, psychisch unweigerlich unter Leistungsdruck (ich muss jetzt sofort eine Erektion bekommen!), selbst wenn der Verstand darüber erhaben sein sollte. Und gerade der Abbau des Leistungsdrucks ist ein nicht unwesentlicher Zweck der Übungen.

Etwa eine halbe Stunde sollte man täglich einplanen. Ich fand die Zeit nach dem Aufstehen und vor dem Duschen am ehesten geeignet, da ich mich nicht extra wieder aus- und anziehen musste; aber die Tageszeit spielt keine Rolle. Hauptsache man kann es einrichten, rund 30 Minuten ungestört und ohne Eile die Übungen durchzuführen.

 

Übung 1 - Fingerspitzen

t1Im Sitzen oder im Liegen streicht man mit den Fingerspitzen sanft, kaum spürbar, vom Ansatz des Penis bis zur Eichel und zurück. Ohne Druck, sehr zart, auf und ab, die Seiten entlang, oben und unten ... Man beobachtet, was die Finger tun und erspürt, ob überhaupt und gegebenenfalls wo die Berührungen von der Penishaut wahrgenommen und an das Gehirn gemeldet werden.

Wozu das gut sein soll? Ganz einfach: Die Sensibilität der durch Zytostatika geschädigten Nerven kehrt nicht so ohne weiteres und manchmal leider überhaupt nicht zurück. Wer wie ich eine Chemotherapie mit Xeloda und Oxaliplatin hinter sich hat, weiß vermutlich, dass taube Finger und Zehen auch über das Ende der Behandlung hinaus »normal« sind. Bei mir sind seit dem Ende der Chemotherapie inzwischen Monate vergangen, aber das Gefühl in Fingerspitzen und Zehen ist noch nicht wieder in vollem Maße zurückgekehrt. Vermutlich bleibt es dauerhaft bei der Taubheit.

Chemischen Stoffen ist es egal, ob sie Nerven in den Fingern, den Zehen, im männlichen Geschlechtsorgan oder sonst irgendwo im Körper lahmlegen oder zerstören. Im Penis enden bekanntlich erheblich mehr Nerven als in Fingern oder Zehen – es ist nur logisch, dass die angerichteten Schäden sich nicht schamhaft auf Hände und Füße beschränken, sondern dass auch das männliche Glied Empfindsamkeit einbüßt. Aber, und darum geht es bei diesen Übungen, der Körper oder die Psyche – oder beide im Zusammenspiel, da sind sich die Experten nicht einig – lernt »Umwege«. Es dauerte in meinem Fall viele Wochen, bis ich sehr sanfte Berührungen überhaupt spüren konnte und Monate, bis sich eine Erektion einstellte.

Bei dieser ersten Übung kommen nur die Fingerspitzen zum Einsatz, nicht die Handflächen, und nur der Penis wird gestreichelt, nichts ringsherum. Selbst wenn man weder mit den Fingerspitzen noch mit dem Geschlechtsorgan etwas spürt, fährt man vier bis fünf Minuten fort und beobachtet die Finger und den Penis aufmerksam. Dass dies ziemlich frustrierend sein kann, hatte ich ja bereits gesagt.

Wenn es zur vollen Erektion kommt, kann man die Übung auch vor Ablauf der Zeitspanne beenden, das muss aber nicht sein. Nun wartet man, bis der Penis wieder weich ist, bevor man fortfährt.

 

Übung 2 - Ringförmiger Druck

t2Dies lässt sich am besten im Sitzen durchführen, es geht aber auch im Liegen. Daumen und Mittel- oder Zeigefinger umfassen den Penis an der Wurzel und üben ringförmig zwei bis drei Sekunden spürbaren Druck aus. Ein Finger und der Daumen der anderen Hand werden direkt darüber platziert und drücken ihrerseits, während die erste Hand weiter in Richtung Penisspitze zugreift ... der ringförmige Druck wandert langsam vom Penisansatz zur Eichel hin. Dann greift man wieder am Penisansatz zu, direkt darüber … das geht natürlich auch mit nur einer Hand, die nach jedem Druck ein wenig weiter rückt. Nach zweieinhalb Minuten wechselt man die Richtung – der Druck wandert nun immer wieder von der Eichel zum Bauch.

Wie die erste Übung führt man auch diese ohne Hektik durch. Das Ziel ist kein schneller Effekt, sondern der Bau von Brücken oder Umleitungen, die an den geschädigten Nerven vorbei die Durchblutung der Schwellkörper wieder möglich machen. Der Brücken- oder Umleitungsbau erfordert nun einmal Zeit und Ausdauer. Mein Arzt - wie immer bei irgendwelchen Prognosen sehr vage - meinte, dass mancher Mann innerhalb von sechs bis acht Wochen erste Erfolge sieht, mancher nach ein paar Monaten, mancher auch nie. Aber wenn überhaupt, dann sind aller Erfahrung nach Ruhe, Entspannung und sehr viel Beharrlichkeit Voraussetzungen für die Besserung. Der immer wieder am Penis entlang wandernde Druck durch den Finger-Daumen-Ring soll die Schwellkörper stimulieren.

Auch diese Übung wird vier bis fünf Minuten durchgeführt (egal ob der Penis hart wird oder nicht) oder auf Wunsch dann beendet, wenn eine volle Erektion auftritt. Natürlich kann man auch mit steifem Penis fortfahren – es wird im Gegensatz zur ersten Übung auch nicht abgewartet, bis das Glied wieder erschlafft, sondern man fährt auch im Falle der Versteifung gleich fort.

 

Übung 3 - Handflächen

t3Dies ist wieder eine Phase des leichten und sanften Streichelns. Mit den Fingerspitzen und jetzt auch Handflächen. Von oben und unten, die Seiten entlang … jeder Zentimeter des Penis wird berührt, auch Hoden und Perineum und der Unterbauch rings um das Glied.

Bei Übung 3 geht es darum zu erspüren und zu trainieren, dass Berührungen der Haut anders und leichter an das Gehirn gemeldet werden, wenn die Schwellkörper (mit der Übung 2) aktiviert wurden und sich – mehr oder weniger deutlich – gefüllt haben.

Auch wenn nichts zu spüren ist, auch wenn sich bei der vorherigen Übung gar kein Blut in den Schwellkörper gesammelt hat (also keinerlei auch nur angedeutete Versteifung passiert ist), sollte das Streicheln wiederum vier bis fünf Minuten durchgeführt werden, ganz entspannt im Sitzen oder Liegen. Wichtig ist, dass es bei zarten Berührungen bleibt und kein Druck auf den Penis ausgeübt wird. Man muss sich immer wieder daran erinnern: Es geht nicht darum, eine Leistung zu vollbringen (eine Erektion herbeizuzaubern), sondern es geht darum, Umleitungen und Brücken, mental und physisch, zu bauen.

Im Falle der vollen Erektion sollte diese Übung nicht vor Ablauf der fünf Minuten beendet werden – allerdings auch nicht zur Masturbation werden. Es geht ja auch nicht darum, eine Ejakulation herbeizuführen, sondern um das Empfinden, das dann letztendlich, wenn die Impotenz überwunden wird, die Schwellkörper über längere Zeit gefüllt lässt.

Anschließend wird gewartet, bis die Versteifung, wenn das Glied sich aufgerichtet hat, wieder abgeklungen ist.

 

Übung 4 - Ziehen

t4Der vierte und letzte Teil des Brückenbauprogramms funktioniert nicht mit einem völlig steifen Glied (ein halb steifer Penis ist okay) und auch nicht mit trockener Haut. Man geht entweder unter die Dusche oder es ist eine Lotion, Öl oder Creme notwendig (Babypflegemilch ist bestens geeignet und kostet kaum Geld).

Daumen und ein Finger bilden einen Ring am Penisansatz und ziehen nun mit leichtem Druck am Penis entlang gleitend das Glied in die Länge. Wenn die eine Hand an der Eichel ankommt, greift die andere bereits am Ansatz zu. Am ehesten ist das mit einer Melkbewegung vergleichbar.

Empfohlen wird, den Penis auf diese Weise 150- bis 200-mal ruhig, nicht hektisch, in die Länge zu ziehen, was etwa vier bis fünf Minuten dauert. Natürlich nicht so fest, dass es weh tut, aber doch spürbar. Wie gesagt, das geht am besten unter der Dusche mit nasser Haut und etwas Schaum vom Duschgel oder mit einer Lotion oder Creme oder Öl und auch nur dann, wenn die Schwellkörper nicht völlig gefüllt sind. Eine leichte bis mittlere Versteifung des Gliedes hindert nicht an der Fortführung der Übung, aber bei einem wirklich hart gewordenen Penis funktioniert das in die Länge Ziehen nicht mehr. Dann sollte man unterbrechen oder das Programm beenden.

Diese Übung kombiniert die Durchblutung der Schwellkörper mit dem Erspüren von Berührung und soll gleichzeitig ein Training für das »Aufrechterhalten des sexuellen Energieflusses« sein, wie es die indische Sanskritlehre ausdrückt. Dies war übrigens der einzige Teil des täglichen Programms, den ich bereits als angenehm empfand, als mein Penis noch keine Anstalten mache, sich zu versteifen.

 

Und nun? Langer Atem ist gefragt!

Soweit die vier Bestandteile der »manuellen Lingamtherapie gegen erektile Dysfunktion«, wie indische Mediziner das Verfahren nennen.

Eine Anmerkung will ich hier nicht versäumen beziehungsweise den Hinweis noch einmal deutlich wiederholen: Sobald es bei einer der vier Phasen (oder mehreren) zur Versteifung des Gliedes kommt, liegt es natürlich nahe, zur Masturbation überzugehen. Das richtet zwar keinen Schaden an, aber es ist nicht der Sinn des Unterfangens. Zwei oder drei Mal, als die Erektionsfähigkeit langsam wiederkehrte, habe ich während den Übungen den Höhepunkt angesteuert und erreicht ... aber man sollte als Betroffener von erektiler Dysfunktion nicht vergessen, dass ein Samenerguss nicht Ziel und Sinn dieser Übungen ist, sondern das dauerhafte Überwinden der mentalen und körperlichen Schäden – was dann später Erektion und Orgasmus wieder einigermaßen steuerbar machen soll. Wer masturbieren oder sich wieder an das Liebesspiel zu zweit wagen möchte, sollte das daher zusätzlich zum Übungsprogramm tun.

Ein entscheidender Punkt bei dieser Therapie ist, dass man sich überhaupt und zärtlich und vor allem ohne Ärger über die Impotenz mit dem Penis beschäftigt. Das ist nicht leicht, denn wie gesagt: Wenn und solange sich keinerlei Reaktion des Gliedes zeigt, liegt es nahe, frustriert aufzugeben, sich anzuziehen und etwas anderes zu tun, was wenigstens gelingt.

Der Brückenbau funktioniert, so die indische Gesundheitslehre, aber gerade durch das beharrliche »Trotzdem!«. Beim Sport, wo man auch nicht nach der ersten Übungswoche als Muskelprotz aus dem Studio stolziert, ist das ja genauso. Es spielt sich sowieso eine ganze Menge, mehr als man wohl vermutet, im Kopf, im Unterbewusstsein ab, anstatt direkt vor Ort da unten am Bauch. Daher: »Trotzdem! Mein Penis wird nicht mehr steif? Ich werde ihn trotzdem 30 Minuten streicheln und massieren. Ich habe keinerlei Lust auf Sex? Ich werde mir trotzdem Zeit für mein Glied nehmen.«

Wie lange, mag nun mancher fragen, muss oder soll man das Programm durchhalten? Mir wurde zu Beginn empfohlen, mindestens sechs bis acht Monate nicht aufzugeben, auch wenn sich nichts zu bessern scheint. Nur falls auch dann noch keine zumindest leichte Erektion möglich sei, könne ich den Versuch als gescheitert betrachten und alternative Behandlungswege in Betracht ziehen. Und auch wenn sich die erhofften Erfolge der Lingammassage einstellen, sollte der Patient langfristig, also über mehrere Jahre, alle zwei bis drei Tage zumindest Teile des Trainingsprogramms beibehalten.

Der Rat passt recht gut zur erlebten Wirklichkeit. Nach einigen Wochen bemerkte ich erste Besserungen. Noch keine Erektionen, aber immerhin füllten sich die Schwellkörper bei der zweiten Übung ein wenig mit Blut, der Penis fühlte sich etwas weniger weich an. Rund drei Monate nach dem Beginn des Programms wurde der Penis wenigstens so steif dass er sich halb aufrichtete, allerdings war er sofort nach den Übungen wieder blutleer.

Die ersten Ejakulationen, als es endlich wieder zu richtigen und anhaltenden Versteifungen kam, waren mit enttäuschend wenig Gefühlen verbunden, aber immerhin konnte ich etwa ein halbes Jahr nach dem Start des Programms überhaupt wieder so etwas wie einen Höhepunkt herbeiführen, wenn er sich auch seltsam gedämpft und anders anfühlte als vor der Chemotherapie. Nach sieben Monaten bemerkte ich die ersten morgendlichen Erektionen beim Aufwachen, also die Wiederkehr der natürlichen Funktion unabhängig vom Übungsprogramm, und schließlich, etwa neun Monate nach dem Eintritt der Impotenz, war ich wieder zum Geschlechtsverkehr in der Lage.

Der Orgasmus fühlt sich nach wie vor anders an als vor der Krebserkrankung, gedämpft irgendwie; er ist auch nicht garantiert – trotz meist stabiler Erektion. Ob sich alles irgendwann wieder völlig normalisiert, weiß ich nicht zu sagen. Ob es auch ohne die manuelle Lingamtherapie zur Besserung gekommen wäre, genauso wenig. Wenn ich allerdings das Trainingsprogramm ein paar Tage auslasse, schwindet die Erektionsfähigkeit und –stärke deutlich. Also bleibe ich beim inzwischen zeitlich reduzierten Training alle drei oder vier Tage, denn Sex ist nun einmal gut für Körper, Seele und Geist – und nicht zuletzt für eine glückliche Ehe.

 

Probieren geht über Studieren

Es ist schon so eine Sache mit dem männlichen Geschlecht und der Potenz. Die erektile Dysfunktion ist mehr als ein körperliches Phänomen, sie drückt auf das Gemüt und das Selbstbewusstsein. Obwohl mir die beste aller Ehefrauen keinen Anlass dazu gab, empfand ich meine Unfähigkeit zum Sex als Schmach und mich als minderwertig. Ich konnte ja nichts dafür, aber dennoch schämte ich mich der Tatsache, dass mein Glied nur noch zum Wasserlassen taugte. Dass mir die Besserung des Zustandes gut tat, dürfte nachvollziehbar sein.

Vergleichbaren Erfolg mit dem hier beschriebenen Übungsprogramm oder einer anderen Behandlung wünsche ich von Herzen jedem Mann, der bei der Chemotherapie die gleiche Nebenwirkung unter der Gürtellinie wie ich erleidet oder erlitten hat. Reden Sie unbedingt mit Ihrem Arzt oder einem Therapeuten, suchen Sie Rat von Fachleuten. Es fühlt sich peinlich an, das Thema anzuschneiden, aber durch Schweigen und Verdrängen kommen Sie mit größter Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht weiter. Mit ärztlichem Rat oder therapeutischer Hilfe, ob nun indisch oder auf andere Weise, immerhin vielleicht.

Probieren Sie ein paar Monate das, was mir geholfen hat – was kann schon passieren? Vielleicht hilft die tägliche halbe Stunde auch Ihnen. Wenn nicht, dann wissen Sie wenigstens, dass Sie diese Chance nicht ausgelassen haben.

Dieser Beitrag zum Weitergeben oder Drucken als PDF: [Lingammassage gegen Impotenz]

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Mittwoch, 20. März 2013

Und heute vor einem Jahr ...

... war mein Zustand besorgniserregend. Die Operation, die am 21. 3. 2012 bevorstand, stand unter schlechten Vorzeichen. Der künstliche Darmausgang war mir sicher.
Dass sich in jener Nacht vom 20. zum 21. März 2012 so ziemlich alles änderte, ist nach wie vor menschlich nicht zu erklären.
Von mir an diesem Tag daher nichts als ein herzlich und ernst gemeintes Gott sei Dank!
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Freitag, 15. März 2013

12 Monate später

infHeute vor einem Jahr brachte mich am Abend die Berliner Feuerwehr mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus … die folgenden Tage, Wochen und Monate werden unvergesslich bleiben. Ich habe ja ausführlich berichtet, wer noch einmal die ganze Geschichte lesen oder Teile daraus in Augenschein nehmen möchte, kann dies nebenan auf dem textlastigen Blog tun: [Mein Leben mit dem Darmkrebs]. Immer wieder und immer noch erreichen mich Zuschriften von Krebspatienten oder deren Angehörigen, die aus meinen Berichten Kraft und Hoffnung schöpfen konnten, ermutigt wurden … aber auch oft genug Fragen an mich haben, die ich leider nicht beantworten kann.

Ich würde ja, wenn es sinnvoll wäre, gerne Anleitungen verfassen und denjenigen, die Rat und Hilfe suchen, zur Verfügung stellen. Zum Beispiel ...

  • wie man angesichts der Diagnose »Krebs« nicht verzweifelt und kapituliert
  • wie man nach einer Krebsoperation zügig wieder auf die Beine kommt
  • wie man aus den Lektionen einer Rehabilitationsmaßnahme sinnvolle Lehren für den künftigen Alltag zieht
  • wie man trotz Chemotherapie am Leben teilnimmt und keine weiteren Kräfte verliert
  • wie man nach der Chemotherapie ins Leben ohne Medikamente zurückkehrt
  • wie man schließlich doch noch hartnäckige Schäden los wird oder mindert und sich mit bleibenden Schäden arrangiert
  • ... und manches mehr.

Aber es wäre töricht, solche Ratgeber aufzuschreiben, denn wir Menschen sind und reagieren und fühlen und denken unterschiedlich. Keiner der Ärzte, mit denen ich es seit jenem 15. März 2012 zu tun hatte und noch zu tun habe, würde derartige Patentrezepte verkünden.

Natürlich gibt es Erfahrungswerte und Forschungsergebnisse, die bestimmte Verhaltensweisen oder Behandlungen aussichtsreicher machen als andere, aber Garantien sind damit niemals verbunden.

  • Zum Beispiel hat sich in meinem Fall bewahrheitet, dass regelmäßige und hauptsächlich auf Ausdauer abzielende sportliche Betätigung die Nebenwirkungen der Chemotherapie mindern beziehungsweise erträglicher machen kann. Aber das muss beim nächsten Patienten deshalb nicht zwangsläufig ebenso zutreffen.
  • Zum Beispiel hat mir vor allem meine Frau dabei geholfen, mit den psychischen Belastungen durch eine solche Diagnose weiter zu leben anstatt zu verzweifeln, daneben der Zuspruch und das Mittragen von vielen Menschen weltweit, die ich zum Teil noch nicht einmal persönlich kannte. Aber das hilft dem nächsten Patienten, der womöglich alleine lebt, gar nichts.
  • Zum Beispiel hat mir ein zunächst etwas mühseliges Programm geholfen, die durch geschädigte Nervenbahnen verursachte Impotenz zu überwinden. Aber beim nächsten Patienten kehren womöglich Libido und Erektionsfähigkeit nicht zurück.

Nein, es wäre nicht sinnvoll, solche oder ähnliche Anleitungen zu verfassen. Sachbücher aus seriöser Quelle gibt es genug zum Thema Krebs, zum Beispiel die [blauen Ratgeber], die mir zum Teil sehr hilfreich waren.

Aber nicht nur mir, sondern auch der besten aller Ehefrauen, die durch die schlimmen Zeiten hindurch mein fester Halt war, obwohl die psychische und emotionale Belastung für sie ja keineswegs geringer war, haben Menschen mitgeteilt, dass ihnen durch ihre entsprechenden Berichte und Äußerungen via Facebook und E-Mail viel Gutes widerfahren ist. Das hat zu unserem Entschluss geführt, ein Buch aus unserem Erleben und den Reaktionen darauf zusammenzustellen. Das kann zwar noch etwas dauern, aber wir wollen das Projekt angehen.

Wir wissen ja beide nicht, ob ich in einem, in zwei, in drei Jahren noch leben werde. Wenn in den nächsten vier Jahren kein Krebs auftritt, habe ich wieder die gleichen Chancen wie der Bevölkerungsdurchschnitt auf Gesundheit und Lebenserwartung. Aber einstweilen gilt es, sich mit der ungeheuren Bandbreite von 30 bis 70 Prozent Heilungschancen abzufinden. Es liegt nicht in meiner, in unserer Hand. Ich kann durch eine gesundheitsbewusste Lebensweise nur sicherstellen, dass ich mir nicht eines Tages sagen muss: Hättest du nur ... - aber das ist auch alles. Der Rest ist Gnade und Geschenk. Voller Dankbarkeit kann ich heute wieder meiner Arbeit nachgehen, lebe so gut wie beschwerdefrei und bin guter Hoffnung, dass die Gesundung in eine dauerhafte Heilung münden wird.

Und seien wir mal ehrlich: Wer von uns kann dafür garantieren, morgen noch am Leben zu sein? Eigentlich hätten wir doch alle Grund genug, unser Hiersein und Verweilen nicht für eine Selbstverständlichkeit zu halten…

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Mittwoch, 6. März 2013

Vom steten Tropfen und von acht Kilometern in 62 Minuten

Steter Tropfen, behauptet der Volksmund, höhlt den Stein. Auch dass es ohne Fleiß keinen Preis gibt und dass gut Ding Weile haben möchte.

Der Volksmund, so widersprüchlich er sich auch in vielen Dingen zu äußern weiß, spricht jedenfalls Wahres bezüglich der Tatsache, dass mancher Erfolg zu erreichen ist, wenn dauerhaft und zielstrebig daran gearbeitet wird. Vorausgesetzt natürlich, es kommt kein Schicksalsschlag dazwischen, der alle Pläne vereitelt.
Schon letztes Jahr hatte ich vor, mich am Benefizlauf »Joggathon« zu beteiligen, fing auch an, neben anderer sportlicher Betätigung im Fitness-Studio das Laufband zu probieren, aber dann, regelmäßige Blogleser wissen es, landete ich am 15. März 2012 im Krankenhaus, wurde bald auf die Intensivstation verlegt, operiert ... und beim »Joggathon« war ich dann im Juni nur als Zuschauer dabei, dem es trotz gelungener Krebsoperation aufgrund der Chemotherapie nicht sonderlich gut ging.

Der Fortschritt von Anfang Januar bis gesternAm 2. Juni 2013 findet der diesjährige Benefizlauf statt. Im Dezember 2012 habe ich die ersten 10 Minuten auf dem Laufband trainiert, im Januar 2013 schaffte ich 30 und nun, im März 2013, hat sich die eingangs erwähnte Volksmundweisheit als zutreffend erwiesen, denn ich schaffe inzwischen wieder eine Stunde Dauerlauf bei 7,5 bis 8 km/h. Und gestern, das unterste Bild beweist es, waren acht Kilometer in 62 Minuten geschafft.

Dass ich schon vor der Krebsdiagnose sportlich aktiv war hat, wenn man den Ärzten und Therapeuten Glauben schenken mag, dazu beigetragen, dass ich mich von der Operation relativ zügig erholt habe und die Chemotherapie (verglichen mit anderen, inaktiven Patienten) relativ gut durchstehen konnte. Trotz Übelkeit, Schwäche, Lustlosigkeit und oft genug bleierner Müdigkeit war ich seit der Entlassung aus der Rehabilitation (wo körperliche Betätigung natürlich zum Programm gehörte) stur genug, regelmäßig dass Fitness-Studio aufzusuchen und so gut es jeweils ging zu trainieren. Zunächst nur im Schonprogramm ... dann etwas leistungsfähiger ... dann gingen schon 30 Minuten Ergometertraining am Stück ... dann 40 Minuten ...

Ganz offensichtlich trägt die Regelmäßigkeit und Hartnäckigkeit dazu bei, weitere Fortschritte zu machen. Nicht nur bei der Leistungsfähigkeit, sondern auch bei der Gesundung. Inzwischen sind die Nebenwirkungen und Schäden fast vollständig verschwunden. Ich habe fast ständig wieder Gefühl in Zehen und Fingern, das Fatigue Syndrom ist so gut wie überwunden und selbst die Impotenz hat sich verflüchtigt.

Nun bin ich gespannt, ob es mir dieses Jahr tatsächlich vergönnt sein wird, als Läufer für den guten Zweck am Benefizlauf teilzunehmen. Selbstverständlich, das habe ich begriffen, ist nichts im Leben. Dass ich lebe und dass ich zu Kräften komme verdanke ich in erster Linie göttlicher Gnade und Hilfe, nur in zweiter Linie dem eigenen Training. Ohne Ersteres gelänge das zweite nicht.
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Sonntag, 10. Februar 2013

Aller Anfang ist …

… unterschiedlich. Die erste Woche zurück im Berufsleben war einerseits anstrengend, was nicht anders zu erwarten war, andererseits dank der sehr herzlichen und freundschaftlichen Begrüßung und Begleitung durch Kollegen innerhalb und außerhalb der eigenen Abteilung eine ganz erfreuliche Zeit.

Solch eine lila Krawatte besitze ich übrigens nicht.Einiges hat sich am Arbeitsplatz geändert, zum Beispiel hat unsere Abteilung ein neues, größeres Büro bezogen, es gibt neue Software im Einsatz und Betriebsvereinbarungen, die ich noch nicht kannte, daneben zahlreiche neue Gesichter und Namen … langweilig ist das alles schon mal nicht. Im Gegenteil.

Die ersten beiden Tage waren sehr anstrengend, doch nach fünf Tagen meine ich ziemlich sicher zu sein, dass – vorausgesetzt es geht mir gesundheitlich weiterhin so wie jetzt oder besser – einer dauerhaften Rückkehr ins Arbeitsleben nichts im Wege steht. Das wäre schon gut so.

Die nächsten Untersuchungen stehen bald bevor, am 19. Februar Computertomographie, am 6. März Ultraschall. Natürlich hoffen und beten wir, danach »ohne Befund« zu lesen und zu hören. Aber genauso natürlich ist wohl das mulmige Gefühl der Ungewissheit, das abzuschütteln kaum gelingen dürfte in den nächsten Jahren. Ich versuche, wir versuchen positiv zu denken, das Gute zu erwarten, mit Gottvertrauen in die Zukunft zu blicken, doch das gelingt nicht ständig. Wir sind nun mal nur Menschen, keine Wohlfühlautomaten. Und das ist auch gut so. Was bleibt, ist Dankbarkeit für jeden neuen Tag.

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