Montag, 7. November 2016

#LOVEmber 7–Schatten

Put light against light - you have nothing.
Put dark against dark - you have nothing.
It’s the contrast of light and dark
that each give the other one meaning
~Bob Ross

In den Themenvorschlägen der Vorgärtnerin für den heutigen Novemberehrenrettungsbeitrag heißt es lapidar Schatten.

Passt das zum November? Ja, auch. Wie die sprichwörtliche Faust auf das ebenso sprichwörtliche Auge. Denn die tiefstehende Sonne wirft, wenn sie denn einmal durch die novembertypische Wolkendecke bricht, lange Schatten. Das kann zu recht ansehnlichen Bildern beitragen, wie diesem hier:

schatten

Das Bild hat in mehrfachem Sinne mit Schatten zu tun. Aufgenommen habe ich es im Holocaust-Gedenk-Monument hier in Berlin. Das Monument ist ein Feld aus Betonblöcken, zwischen denen man hindurchgehen kann. Schatten der deutschen Vergangenheit … noch heute zu erleben, wenn man sich dem Denkmal mit entsprechender innerer Einstellung nähert.

Der 9. November steht vor der Tür – das ist bekanntlich sowohl der Jahrestag des Mauerfalls, mit dem das Ende der deutschen Teilung begann, als auch der Jahrestag des Beginns der Novemberprogrome aus unserem wohl finstersten Geschichtskapitel.

An den Fall der Mauer erinnerte Berlin im November 2014 mit der Lichtgrenze (ohne Licht übrigens kein Schatten!), die ich unter anderem mit diesem Bild festgehalten habe:

lichtgrenze

Soviel für heute zum #LOVEmber2016 und zum Schatten, den erst das Licht (und auch nur das Licht) zum Vorschein bringt.

So.

Sonntag, 6. November 2016

#LOVEmber2016 6–wem es sich zu folgen lohnt

Die Vorgärtnerin, die mich zu dieser Blogaktion eingeladen und animiert hat, schlägt für den 6. November ein drolliges Thema vor: wem es sich zu folgen lohnt.

Bob_Dylan_in_November_1963Spontan fiel mir angesichts des Themas eine Zeile des widerspenstigen diesjährigen Literatur-Nobelpreisträgers Bob Dylan ein: Don’t follow leaders - watch the parkin’ meters! Der possierliche Reim stammt aus dem Subterranean Homesick Blues aus dem Jahr 1965. Das Lied ist von vorne bis hinten lustig und lohnt durchaus, im November angehört zu werden, denn eventuelle trübe Stimmungen würden unverzüglich weichen.

Doch wem lohnt es sich zu folgen? Wer könnte ein taugliches Vorbild sein? Ich rede hier nicht von Twitter und den »20 Top Tweets, denen jedermann folgen sollte«. Ich meine das Leben, das echte.

Wahrscheinlich muss das jeder für sich selbst entscheiden. Für mich gilt, dass ich versuchen möchte, dem Beispiel des Menschensohnes aus Nazareth zu folgen. Nicht einer Kirche oder einer Religion, wohlgemerkt. Auch nicht Martin Luthers Interpretation oder der des Papstes. Sondern – soweit das für mich als Mensch erkennbar und verständlich ist – dem, was Jesus vorgelebt hat.

Ich kenne liebenswerte und kostbare Menschen, die eher Buddha folgen oder ihrem Gewissen, ohne an einen Gott zu glauben. Das macht sie für mich nicht weniger liebenswert und kostbar. Wir alle suchen die Wahrheit bezüglich Sinn und Gehalt in diesem Leben und nähern uns ihr auf unterschiedliche Weise. Gibt es ein Jenseits? Gibt es einen Gott? Wenn ja, wie dürfen wir uns diesen vorstellen? Wenn nein, warum eigentlich nicht? Wer da eine absolute Antwort parat hält, dem würde ich eher nicht folgen wollen … sondern vorsichtigen Abstand halten.

Für mich lohnt es sich, Jesus zu folgen. Meine geschätzten Blogbesucher folgen möglicherweise anderen Vorbildern. Was das alles mit dem November zu tun hat, weiß ich auch nicht zu sagen.

So.

P.S.: Foto gemeinfrei von WikiCommons

Samstag, 5. November 2016

#LOVEmber2016 5–wovon ich noch mehr haben will

Der Themenvorschlag zur LOVEmber2016-Aktion der Vorgärtnerin für heute ließ mich schmunzelnd an meine Kindheit beziehungsweise meine Mutter denken. Wenn ich in ihrer Gegenwart eine Formulierung wie wovon ich noch mehr haben will ausgesprochen hätte, wäre die mütterliche Antwort wie folgt ausgefallen: »Der Will ist weggegangen, der Möchte Gern ist da!« Das hat sich gut eingeprägt. Noch heute vermeide ich will und benutze möchte gerne – es sei denn, das will ist in seltenen Fällen absolut unumgänglich.

WP_20161026_09_34_59_ProWie auch immer – es gibt etwas, was ich nicht nur im November gerne genieße, sondern das ganze Jahr über. Der November lädt natürlich mit seinen recht kurzen und oft witterungsbedingt eher ungemütlichen Tagen besonders dazu ein, sich dem Genuss hinzugeben: Schallplatten.

Ich möchte gerne noch mehr Schallplatten haben, soweit es sich bei der enthaltenen Musik um hochwertige analoge Aufnahmen handelt. Thelonious Monk, John Coltrane, Miles Davis, die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Herbert von Karajan, das Prager Symphonieorchester mit dem Smetana-Zyklus aus den 60er Jahren … da gibt es großartige Klangerlebnisse noch und noch, die ich schon besitze, und viele weitere, die ich gerne noch hätte.

Ich habe nichts gegen die CD einzuwenden – für digital aufgenommene Musik ist sie die bessere Konserve.

Das komprimierte MP3-Formal taugt für unterwegs – beim Laufen draußen oder im Sportstudio zum Beispiel. Da gibt es sowieso Störgeräusche und Ablenkung zuhauf.

Aber ein Jazz-Album oder ein klassisches Werk oder eine Platte aus der Hochzeit der Rock- Blues- oder Beatmusik über einen hochwertigen Plattenspieler samt hochwertiger Musikanlage genossen, das ist doch ein ganz anderer Genuss. Im November. Nicht nur, sondern auch.

So.

Freitag, 4. November 2016

#LOVEmber2016 4 - was mich satt macht

In der kleinen Blogserie zur Ehrenrettung des November geht es nicht nur um Fotos – obwohl die ersten drei Themen mich veranlasst haben, zu den jeweils drei Bildern nur ganz wenige Worte zu setzen.

Was mich satt macht ist der Themenvorschlag der Vorgärtnerin, die mich zu dieser Serie animiert hat, für heute, und da könnte ich natürlich viele Bilder von sättigenden Mahlzeiten (Kürbisvariationen in Hülle und Fülle zum Beispiel) anbieten … ich will mich aber statt dessen auf ein Foto und das simple Rezept dazu beschränken. Ich habe das Gericht kürzlich so »nach Gefühl« erfunden und gekocht, es gibt also keine weitere Quellenangabe.

Im November findet man in den Wäldern und Hainen allerlei Pilze – essbare genauso wie solche, die man eher stehen lassen sollte. Wer sich unsicher ist, der kann auch im BIO-Laden welche erwerben. Außerdem brauchen wir Bratöl, Gemüsebrühe, Soja-Schnetzel, ziemlich riesige Paprika, Soja-Sahne, halbfesten oder festen würzigen Käse (zum Beispiel Bergkäse), Salz und Pfeffer aus der Mühle und als Beilage zum Beispiel Hirse (oder Nudeln).

  1. Die Pilze säubern, in mundgerechte Stücke schneiden und im heißen Öl etwa fünf Minuten anbraten beziehungsweise schmoren, denn die Pilze sondern Flüssigkeit ab. Anschließend mit Salz und Pfeffer würzen. Dann beiseite stellen, sie dürfen ruhig abkühlen. Die Bratflüssigkeit kommt später in die Soße – also nicht wegschütten!
  2. Die Soja-Schnetzel in kochende Gemüsebrühe (Menge je nach Anleitung auf der Packung) geben und dann fünfzehn Minuten ziehen lassen. Sie dürfen anschließend auch gerne abkühlen.
  3. Die Paprika oben aufschneiden, so dass ein Deckel abgehoben werden kann, innen auswaschen, Kernchen werden dabei entfernt.
  4. Nun füllen wir löffelweise abwechselnd Pilze und Soja-Schnetzel in die Paprika. Als oberste Schicht je zwei Löffel vom grob geriebenen Käse. Anschließend setzen wir die Deckel auf die Paprika und stellen sie in eine ofenfeste Form.
  5. Nun werden die gefüllten Paprika dreißig Minuten bei 200 Grad im Ofen gebacken.
  6. Währenddessen können wir die Hirse oder Nudeln oder sonstige Beilage zubereiten. Ich hatte Hirse gewählt – das schmeckte allen, die an der Mahlzeit teilnahmen, mich eingeschlossen, ausgesprochen gut zur Paprika. Für drei bis vier Portionen reichen 100 Gramm Hirse, die man mit der vierfachen Menge Flüssigkeit zubereitet. Sieben Minuten sprudelnd kochen, dann 15 Minuten bei ca. 90 Grad ziehen lassen.
  7. Und während die Paprika noch im Ofen sind können wir die Soße zubereiten – die Bratflüssigkeit von den Pilzen, etwa 200 Milliliter Gemüsebrühe, einen kräftigen Schuss Soja-Sahne sowie Salz und Pfeffer sind die Zutaten. Wer die Soße dickflüssiger haben will, nimmt entweder mehr Soja-Sahne oder fügt etwas Speisestärke und/oder Mehl hinzu.
  8. Das war es auch schon. Guten Appetit.

schoten

So sah das dann auf dem Tisch aus.

Donnerstag, 3. November 2016

#LOVEmber2016 3 - Morgenlicht

Die Ode an den vernachlässigten Monat, angestoßen von der Vorgärtnerin, geht weiter mit dem Thema Morgenlicht.

Der kürzeste und damit dunkelste Tag des Jahres liegt zwar im Dezember, aber der November, um dessen Ehrenrettung es in dieser kleinen Serie geht, ist wahrlich nicht allzu hell. Man muss aber – alles hat auch seine gute Seite – gerade deswegen nicht mitten in der Nacht aufstehen, wenn man das Morgenlicht genießen oder sogar mit einer Kamera einfangen möchte.

Und ebendieses kann gerade im November spektakulär sein:

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Alle drei Bilder wurden im November 2015 zwischen 8:59 und 9:11 Uhr aufgenommen.

So.

Mittwoch, 2. November 2016

#LOVEmber2016 2–Lieblingstiere

In der Miniserie #LOVEmber, die von der Vorgärtnerin initiiert wurde, geht es heute um Lieblingstiere – die man allerdings sicher nicht nur im November liebhaben darf/kann/soll. Doch sicher hilft es der Aktion, die dem vernachlässigten Monat zu neuen Ehren verhelfen soll, dass die hier dargebotenen die Bilder alle im November (verschiedener Jahre allerdings) aufgenommen wurden. Normalerweise findet man meine Fotografien, wie gestern schon angemerkt, nebenan bei Tumblr – doch heute dominieren hier erneut die Bilder, zu Ehren des vernachlässigten Monats.

Da wäre zum ersten eine Ablichtung von Herr und Hund, wie sie an einem Novembermorgen 2015 den morgendlichen Spaziergang genießen:

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Irgendjemand auf dieser Welt hat bestimmt die Gans an und für sich als Lieblingstier erkoren. Hier zieht sie mit zahlreichen Artgenossen (im November 2015 aufgenommen) in klimatisch freundlichere Gefilde von hinnen:

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Wiederum soll ein drittes Bild die Trinität des Blogbeitrages vervollständigen. Im November 2009 wurde ich in Bad Sassendorf mit einem mir unbekannten Eselbesitzer und seinem Lieblingstier abgelichtet:

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Nicht zu vergessen: wie schon gestern stammen die Aufnahmen ausnahmslos von der besten aller Ehefrauen.

So.

Dienstag, 1. November 2016

#LOVEmber2016 1–ein Blick in den Park

Die Vorgärtnerin hat mich zu ihrer Blogaktion #LOVEmber eingeladen, die dem vernachlässigten Monat November zu neuen Ehren verhelfen soll. Sie begründet das auch stichhaltig:

»… vernachlässigt ist er, weil er auf Kalendern fast immer Oktoberfotos kriegt, und wer mag ihn schon, außer vielleicht die Leute, die da Geburtstag haben? Er kann ja nix dafür, dass die Bäume ihre Blätter runterwerfen und dann alles braun und glitschig wird.«

Na da will ich doch gerne dem Monat was Gutes tun und mich mit ein paar Beiträgen an der Aktion begleiten. Das heutige Thema, Blick in den Park, lädt natürlich dazu ein, Lichtbilder vorzuzeigen. Normalerweise findet man meine Fotografien ja nebenan bei Tumblr, aber der #LOVEmber macht alle Ausnahmen möglich. Also blicken wir in den Park:

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Und noch ein Blick in den Park.

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Und – aller guten Dinge sind dem Volksmund zufolge drei – ein weiterer Blick in den Park.

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Ehre sei allerdings nicht nur dem November, sondern auch der besten aller Ehefrauen, der im November 2015 diese Aufnahmen gelungen sind. Und der Park ist streng genommen kein Park, sondern es handelt sich um den Mauerweg, der auf der ehemaligen Zonengrenze zwischen uns (West-Berlin) und denen (Ostzone, in diesem Fall Teltow) verläuft.

So.

Samstag, 29. Oktober 2016

#LOVEmber2016 – demnächst an dieser Stelle

Möchtest du dich an meiner Blogaktion zu Ehren des vernachlässigten Monats November beteiligen?
Diese Frage stellte mir kürzlich die Vorgärtnerin. Sie hängte einige Themenvorschläge oder Ideen oder Gedankenanstöße mit an den elektronischen Brief. Ich schaute mir das Schlamassel an und beschloss, dass ich mich beteiligen möchte.
Aufgabenzettel LOVEmber-3Ich weiß noch nicht, ob ich alle 30 Tage des vernachlässigten Monats mit Beiträgen füllen werde, aber ich werde mich zumindest darum bemühen. Meine geschätzten Blogbesucher dürfen sich also auf Themen wie Lieblingstiere, wo ich gerade stehe, ein Geheimnis oder auch 11 Fotos von heute freuen. Und das alles, um dem November sein Schicksal erträglicher zu gestalten. Das sieht nämlich so aus:
… vernachlässigt ist er, weil er auf Kalendern fast immer Oktoberfotos kriegt, und wer mag ihn schon, außer vielleicht die Leute, die da Geburtstag haben? Er kann ja nix dafür, dass die Bäume ihre Blätter runterwerfen und dann alles braun und glitschig wird …

Außer mir beteiligen sich noch zahlreiche weitere Blogger (auch weiblichen Geschlechts natürlich) an der Aktion. Na denn. Am 1. November um zwei Uhr zwei in der Nacht wird der erste Blogbeitrag zum #LOVEmber2016 an dieser Stelle erscheinen. Nur so als Vorgeschmack heute schon mal ein recht buntes Novemberbild aus dem Jahr 2004, als wir einer Grundsteinlegung beizuwohnen die Freude hatten.

grundstein
So.

Donnerstag, 27. Oktober 2016

Leonard Cohen: You Want It Darker

Wenn vom Kunst die Rede ist, sei es nun Literatur, Musik oder eine der anderen Erscheinungsformen, dann ist jede Rezension naturgemäß subjektiv. Was mir Freude macht, mag einen anderen Menschen langweilen, was mir missfällt, ist für andere Menschen womöglich ein Hochgenuss. Und das ist auch gut so. Was ich also hier über Leonard Cohens »You Want It Darker« zu sgaen habe, ist eine sehr persönliche Sicht.

Mit Superlativen bin ich zurückhaltend, ich könnte auch nicht sagen, welches Album von Leonard Cohen sein bestes wäre - aber »You Want It Darker« ist auf jeden Fall ein Meisterwerk. Dem 82jährigen ist so etwas wie ein krönender Abschluss seines künstlerischen Schaffens als Musiker gelungen. Es wird zwar aller Voraussicht nach laut Adam Cohen ein weiteres Album, ein orchestrales Werk, geben, aber das bleibt abzuwarten.

14724593_10207683434792001_5442476281373428787_nAuf »You Want It Darker« schließen sich für mich viele Kreise. Zum Beispiel hieß es einst (1969) bezüglich der Geschichte von Abraham und Isaak: »You who build these altars now to sacrifice these children, you must not do it anymore. A scheme is not a vision and you never have been tempted by a demon or a god.« Das war der zornige, gegen Gott und die Welt aufbegehrende Cohen. Auf dem neuen Album kommt er im Titelsong auf diese biblische Geschichte zurück und singt: »Hineni Hineni - I’m ready, my Lord.« Hineni ist das hebräische »Hier bin ich«, mit dem Abraham seinen unbedingten Gehorsam ausgedrückt hat. »Magnified and sanctified be Thy Holy Name« - da schließt sich auch der Kreis zum »broken, very lonesome Hallelujah«. Ohne, dass die Augen vor der Tatsache verschlossen würden, dass Gebete oft genug ohne Antwort bleiben: »A million candles burning for the help that never came.«

Im nächsten Lied, »Treaty«, zeigt sich (für mich, wie gesagt ist das alles sehr subjektiv) die Kluft zwischen Christentum und Judentum und der Wunsch nach einer Brücke, einem Vertrag zwischen den beiden Religionen. »I seen you change the water into wine, I seen you change it back to water too. ... I do not care who takes this bloody hill, I’m angry and I’m tired all the time. I wish there was a treaty between your love and mine.«

Ist es Altersweisheit, die sich in »On The Level« äußert? »Now I’m living in this temple where they tell you what to do. I’m old and I’ve had to settle on a different point of view.« Wir kommen in unseren reiferen Jahren zu anderen Schlüssen als in der Jugend. Und lassen dabei so manche Sichtweise als untauglich hinter uns. »When I turned my back on the devil, turned my back on the angel too.«

Jedes der Lieder ist in gewisser Weise ein Abschied - aber kein weinerlicher, auch kein zorniger oder enttäuschter, sondern das Album atmet Gelassenheit, Ruhe und sehr viel Frieden. Es ist für mich Leonard Cohens religiösestes Werk, abgesehen von seinem literarischen Book of Psalms natürlich. Der Kreis der Auseinandersetzung mit Gott, seinen Wegen und seinem Willen, schließt sich nicht in Resignation, sondern ungefähr so, wie es Johnny Cash ausgedrückt hat, als er sich dem Ende seines langen Lebens näherte: My arms are too short to wrestle with God.«

»You Want It Darker« wird auf jeden Fall eines meiner bevorzugten Leonard Cohen Alben bleiben. Die sparsame Instrumentierung passt so gut zu den Liedern, dass tatsächlich ein Gesamtkunstwerk entsteht, in dem Texte, Musik und Arrangements perfekt zusammenpassen. Ein Abschiedsalbum ohne Sentimentalitäten - traurug durchaus, aber nicht trost- oder hoffnungslos. Beim Anhören von Nick Caves »Skeleton Tree« färbt die Trauer auf mein Befinden ab - bei »You Want It Darker« empfinde ich trotz der innerlichen Auseinandersetzungen mit Gott und der Welt (und dem, was uns in der Welt so alles begegnet) Frieden, wenn die letzten Töne verklingen.

Hier kann man das Album bei Interesse kaufen:

Dienstag, 25. Oktober 2016

Du musst hier raus … – Teil 4 (Ende)

Liebe Blogbesucher, wir haben ja sicher nicht vergessen, dass wir hier eine Geschichte lesen. Falls doch, möchte ich erinnern: Die Handlung und alle handelnden Personen, Bezeichnungen und Lokalitäten sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen oder Lokalitäten und Bezeichnungen wären rein zufällig.
Es wäre übrigens nicht sinnvoll, eine Geschichte mit dem Ende zu beginnen Falls also jemand die zuvor geschriebenen Teile noch nicht gelesen hat: [
Teil 1] // [Teil 2] // [Teil 3]

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Am 8. April 2016 saß er dann beim jährlichen »Mitarbeitergespräch« dem (noch) gut gelaunten, wohl nichts ahnenden Herrn Immermüller gegenüber und ergriff das Wort: »Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie auf meinen Verbleib in der Firma keinen Wert legen. Sie haben es ja schon vor einiger Zeit geschafft, dass ich Ihnen kein Wort mehr glauben kann, wenn Sie etwas versprechen. Daher will ich in diesem Gespräch von Ihnen auch keine Zusagen mehr hören, was Sie eventuell zu tun gedenken. Ich will Ihnen nur mitteilen, dass ich lieber heute als morgen die Firma verlassen würde, um dieser Situation, die mich zunehmend krank macht, zu entkommen …«

Damit war das Leitlinien-Konzept für ein solches Gespräch zunichte gemacht. In den nächsten dreißig Minuten ging es nur noch darum, wie der Ausstieg vonstatten gehen konnte. Eine Kündigung seitens der Firma kam nicht in Frage, da Johannes Matthäus 18 Jahre Betriebszugehörigkeit hatte und schwerbehindert war. Er lehnte es ab, selbst zu kündigen, da ihn das ohne jegliche finanzielle Abfederung hätte dastehen lassen und schlug einen Aufhebungsvertrag aus gesundheitlichen Gründen vor. Sollte diese Einigung nicht zustande kommen, würde er so gut wie möglich durchhalten. Dass er aber zukünftig öfter krankheitsbedingt ausfallen würde, war absehbar. Er erklärte seinem Vorgesetzten die Zusammenhänge zwischen Krebserkrankung, Chemotherapie und Fatigue Syndrom, seine gesundheitlichen Einschränkungen und die Unzumutbarkeit der Zwangsverdunkelungen und mangelnden Frischluftzufuhr zum nunmehr vierten Mal. Erstmals hatte er den Eindruck, dass Herr Immermüller das alles tatsächlich zur Kenntnis nahm.

b13d1dc8832411e1abb01231381b65e3_7Johannes Matthäus hatte alle Varianten des Ausstiegs vorher mit seiner Frau besprochen. Sie hatten die Vorausberechnungen der vorzeitigen Rente bekommen und hin- und hergerechnet, was finanziell noch machbar war und was nicht. Johannes Matthäus hatte sich mit seinem Arzt beraten, der aus medizinischer Sicht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses dringend empfahl. Eine Freundin der Familie, die ihr gesamtes Berufsleben bei der Rentenversicherung verbracht hatte, hatte bei der Entschlüsselung der für Laien unverständlichen Rentenauskunft geholfen und sofort Fehler aufgespürt.

Johannes Matthäus hatte mit sich gehadert, denn er war nun mal ein Mensch, der nicht zum Aufgeben neigte. Er kämpfte eher als zu kapitulieren. Aber er hatte sich auch nichts vorgemacht: Es würde sich nichts bessern an seinem Arbeitsplatz. Absolut nichts. Das machte ihm zusehends mehr zu schaffen. Sich zusammenreißen, sich einen Ruck geben – das funktionierte nicht mehr. »Du musst hier raus!« – die innere Stimme wurde immer lauter und deutlicher.

Johannes Matthäus rechnete, als er nun seinem Vorgesetzten gegenübersaß, aufgrund der in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen nicht damit, dass er mit seinem Vorschlag Gehör finden würde. Es war zwar so manches Gebet um einen Ausweg aus der Lage zum Himmel gestiegen, aber all die Enttäuschungen der Vergangenheit ließen nichts Gutes ahnen. Doch zu seiner großen Überraschung wirkte Herr Immermüller nicht nur ehrlich überrascht, sondern aufmerksam und zugewandt. Damit hatte er offenbar nicht gerechnet. Er sagte keine Ergebnisse zu, versprach lediglich, dass er sich die Sache in den nächsten Tagen durch den Kopf gehen lassen und dann der Geschäftsleitung unterbreiten wollte.

Nach einer Woche signalisierte Herr Immermüller, dass er einverstanden sei und sich bei der Geschäftsleitung für das Modell Aufhebungsvertrag stark machen wolle. Johannes Matthäus war skeptisch. Zehn Tage später allerdings waren dann die Vertragsinhalte ohne Abstriche an den Vorgaben von Johannes Matthäus abgestimmt, und die Aufhebungsvereinbarung wurde unterschrieben. Herr Immermüller hatte sein Wort gehalten. Johannes Matthäus hatte lediglich noch fünf Monate im Hause QVL vor sich.

Schon dieses Wissen war eine Erleichterung, die innerliche Verkrampfung löste sich ein wenig. Er konnte aufatmen. Durchatmen. Beschwerliche Stunden leichter überstehen. Die verbliebene Zeit wurde darüber hinaus durch die glückliche Fügung erträglicher gestaltet, dass Schnepfe 1 für längere Zeit ausfiel – so konnte das Büro in den Sommermonaten ordentlich belüftet werden, Fenster und Tür standen weit offen, es herrschte herrlicher Durchzug. Schnepfe 2 war eine Weile im Urlaub, so dass es Licht an Johannes Matthäus Arbeitsplatz gab. Er brauchte seinen Resturlaub auf und arbeitete schließlich in den letzten vier Wochen seinen Nachfolger ein.

Die Geschäftsleitung organisierte eine Feier zur Verabschiedung und überraschte ihn mit einem großzügigen Geschenk sowie einer gelungenen Ansprache eines Geschäftsführers. Auch die Belegschaft hatte gesammelt und so ein weiteres Geschenk ermöglicht. Auf der begleitenden Karte voller Autogramme fehlten Schnepfenunterschriften, aber das überraschte Johannes Matthäus nicht. Es kamen so gut wie alle Angestellten zur Feier, um sich zu verabschieden, mit vielen lieben Worten, sogar Umarmungen und ein paar Tränen in manchen Augen.

Mit Herrn Immermüller hatte es ein paar Tage zuvor ein letztes ausführliches Gespräch gegeben, bei dem dieser sein Bedauern ausgedrückt hatte, dass es ihm nicht gelungen war, Johannes Matthäus seine Wertschätzung zu vermitteln. Es wurde nicht mehr diskutiert oder gestritten, sondern die beiden gingen in allem Frieden und gutem Einvernehmen darüber auseinander, dass ein Einvernehmen in manchen Punkten nicht möglich war und auch nicht sein würde. So etwas passiert nun mal im Leben. Damit kann man sich arrangieren. So konnten sich die beiden dann bei der Abschiedsfeier in die Augen sehen und mit einem festen Händedruck endete nach achtzehneinhalb Jahren Johannes Matthäus Berufstätigkeit im Hause QVL.

Dieser harmonische und versöhnliche Ausklang nach so langer Zeit in der Firma tat ihm gut. Er wusste noch nicht, wie es finanziell weitergehen würde, da die beteiligten Behörden im ihnen eigenen Tempo arbeiteten. Aber sein Gottvertrauen war gestärkt und von Tag zu Tag erholte er sich mehr. Er wusste, dass er das chronische Fatigue Syndrom nicht loswerden konnte, aber nun gab es keine Umstände mehr, die zur Verschlimmerung der Auswirkungen führten. Das deutliche Plus an Lebensqualität wog schwerer als die voraussichtlichen finanziellen Einbußen.

Niemand weiß, wie lange sein Leben währt. Bitter wäre es, wenn man eines Tages feststellen müsste, dass das, was man für das Stimmen der Instrumente gehalten hatte, schon das Konzert gewesen ist.