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Während Johannes im Gefängnis ausharren musste, wurde Jesus immer bekannter im Land. Seine Wunder waren Gesprächsstoff überall. Wenn es hieß, dass er an einem bestimmten Ort sei, strömten die Menschen dorthin und brachten ihre Kranken mit, damit diese geheilt würden, und je mehr Wunder man berichtete, desto stärker wurde der Zulauf.
Johannes rechnete damit, dass der Messias, über den er selbst dem Volk gesagte hatte, dass »in seiner Hand die Worfschaufel sei, dass er die Spreu mit unauslöschlichem Feuer verbrennen würde«, in absehbarer Zeit mit seinem eigentlichen Wirken beginnen würde. Feuer vom Himmel sollte auf die Unterdrücker und die renitenten Sünder fallen, das Volk würde wieder zu einem freien Königreich werden. Auch das Ereignis bei der Taufe des Messias bestärkte Johannes in dieser Annahme.
Als Johannes eines Tages am Jordan gepredigt und getauft hatte, war Jesus gekommen, um sich taufen zu lassen. Johannes hatte ihn zuerst nicht erkannt, es war ziemlich lange her, dass sie sich gesehen hatten und beide hatten sich verändert. Selbstverständlich wusste Johannes über die sonderbaren Umstände der Schwangerschaft von Maria bescheid, immerhin waren seine Mutter und die Mutter Jesu Verwandte und die Ereignisse, die weit ringsum bekannt geworden waren, kannte man in der Familie natürlich am besten. Aber Johannes hatte sich, wir haben das bereits betrachtet, als Jugendlicher in die Wüste zurückgezogen und daher auch keinen Kontakt zur Verwandtschaft mehr gehabt.
Eines Tages war dann Jesus zu Johannes gekommen, um sich wie all die anderen taufen zu lassen. Als er getauft war und anschließend betete, wurde der Himmel geöffnet und der Heilige Geist stieg in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf ihn herab. Manche Zeugen des Vorfalls hatten andere Erinnerungen, meinten einen Donner zu hören oder etwas wie eine Feuerflamme zu sehen, aber Johannes sah die Taube und hörte eine Stimme aus dem Himmel: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.«
Doch nun saß Johannes im Gefängnis, seine Jünger berichteten ihm über alles, was sie von Jesus hörten, und wir können uns vorstellen, welche Fragen und Zweifel den Täufer umtrieben. Er hatte der Volksmenge diesen Jesus angekündigt: »Er wird seine Tenne fegen …« - aber statt irgendwen mit Feuer zu verbrennen, statt die Spreu nun vom Weizen zu trennen und Gericht zu halten, tat der Messias dem Vernehmen nach allen nur Gutes, ohne Unterschiede. Statt Sünder zu bestrafen, vergab er ihnen ihre Schuld. Er ließ sogar eherne Gesetze außer Acht, zum Beispiel wenn es darum ging, am heiligen Ruhetag einen Kranken zu heilen. Johannes als Sohn eines frommen und untadeligen Priesters hatte damit erhebliche Probleme, denn wie sollte jemand den Thron Davids wieder aufrichten, der die ewigen Gesetze des Bundes seines Volkes mit Gott missachtete?
Johannes grübelte und zweifelte und rätselte, schließlich rief er zwei seiner Jünger herbei und sandte sie zu Jesus. Sie sollten ihm eine simple Frage stellen: »Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?«
Es war nicht schwer, Jesus zu finden, und die beiden Männer sprachen ihn an: »Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und lässt dir sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?«
Eine klare Antwort, ein Ja oder ein Nein, erhielten sie nicht. Jesus heilte an diesem Tag des Zusammentreffens viele Menschen von Krankheiten und Plagen und bösen Geistern, und vielen Blinden schenkte er das Augenlicht. Nun hatten die beiden Boten des Johannes das mit eigenen Augen gesehen und wussten jetzt mit Sicherheit, dass keine Übertreibung in dem zu finden war, was man sich landauf, landab erzählte.
Jesus antwortete ihnen: »Geht hin und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden gereinigt, Taube hören, Tote werden auferweckt, Armen wird gute Botschaft verkündigt! Und glückselig ist, wer sich nicht von mir abwendet, weil er Anstoß daran nimmt.«
Was mag Johannes gedacht haben, als er den Bericht seiner beiden Jünger im Gefängnis hörte? Davon ist uns nichts überliefert, leider.
Er hatte ja seine beiden Boten geschickt, weil er mit dem, was er über Jesus hörte und dem, was er selbst über den Messias gesagt hatte, nicht zurecht kam. Das passte nicht zusammen. Deshalb hatte er eine klare Frage gestellt – und keine klare Antwort bekommen. Natürlich deutete das »glückselig ist, wer sich nicht von mir abwendet« an, dass man nicht auf einen anderen Messias warten musste, und vielleicht reichte das ja auch, um Johannes von seinen Fragen und Zweifeln zu befreien?
Wir wissen nicht, wie und ob Johannes mit der Botschaft zurecht kam. Jedenfalls gab es keine Befreiung für ihn aus dem Gefängnis. Herodes ließ den Täufer hinrichten.
Jesus wirkte weiter und wurde immer bekannter. Die Menschenmassen, die zu ihm strömten, waren größer als die, die zur Taufe im Jordan gepilgert waren.
Das erregte auch die Aufmerksamkeit der Obrigkeiten. Herodes hörte alles, was rings um Jesus vor sich ging. Er geriet in Verlegenheit, weil von einigen gesagt wurde, dass Johannes aus den Toten auferweckt worden sei; von einigen aber, dass Elia erschienen, von anderen aber, dass einer der alten Propheten auferstanden sei. Auf jeden Fall war klar, dass dieser Jesus kein Mensch wie alle anderen war.
Herodes überlegte: Johannes habe ich enthauptet. Wer aber ist dieser, von dem ich solches höre? Und er wünschte sich, ihn zu sehen – zu ihm hinaus pilgern wollte er jedoch lieber nicht.
Es sollte noch eine Weile dauern, bis die Begegnung stattfinden würde.
Vor vielen Jahren hatte ein Engel zu einem alten Priester im Tempel gesagt: »Dein Sohn wird wie damals Elia mit bemerkenswerter Kraft und im Geist Gottes wirken. Die Kinder und die Eltern wird er miteinander versöhnen, den Ungläubigen wird er aufschließen können, wie klug die Gerechtigkeit Gottes ist. Er wird das ganze Volk vorbereiten.«
Hatte sich diese Voraussage erfüllt? Einige meinten, da sei etwas schief gegangen, andere sprachen davon, dass Johannes genau das getan hatte. Dass das Volk von dem Messias zunächst begeistert war, weil er so viel Gutes tat und weil er Sünden vergab, ohne zuerst teure und langwierige Opfer zu fordern – bedurfte das einer Vorbereitung durch einen Täufer, der Buße und Gericht verkündete? Dass das Volk schließlich seinen Messias verwerfen und vom römischen Statthalter »kreuzige ihn!« fordern würde, war das ein Beweis misslungener Vorbereitung?
Es gäbe vielleicht noch so manches zu erzählen, aber was Johannes betrifft, sind dies die Dinge, die von einem der Menschen, die damals, in jener anderen Zeit und in jenem anderen Land, gelebt haben, aufgeschrieben wurden. Dieser Chronist hieß Lukas, er hat seinerzeit für seinen Freund Theophilus einen langen Bericht verfasst. Er hat dann nur noch angemerkt, dass viele Jahre später ein gewisser Paulus, der Jesus nachfolgte, in der Stadt Ephesus, also recht weit weg vom Ort des Geschehens, das wir uns hier angeschaut haben, auf eine Gruppe von Jüngern des Johannes traf. Paulus fragte sie: »Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden seid?«
Sie antworteten etwas ratlos: »Wir haben nicht einmal gehört, ob der Heilige Geist überhaupt da ist.«
Paulus fragte zurück: »Worauf seid ihr denn getauft worden?«
Die Antwort war: »Auf die Taufe des Johannes.«
Wir sehen an diesem kurzen Dialog, dass nach der Hinrichtung des Täufers offenbar einige seiner Jünger seinen Dienst fortgeführt hatten, vermutlich mit der gleichen Botschaft verbunden, dass die Ankunft eines Messias kurz bevor stand, der sollte dann ja bekanntlich mit Geist und Feuer taufen und mit der Worfschaufel für Ordnung sorgen.
Paulus erklärte diesen Menschen in Ephesus: »Johannes hat mit der Taufe der Buße getauft, indem er dem Volk sagte, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm komme, das ist an Jesus.«
Die Gläubigen ließen sich dann auf den Namen des Herrn Jesus taufen; und als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam der Heilige Geist auf sie, es waren insgesamt etwa zwölf Männer.
Mehr ist uns von jenem Lukas nicht überliefert, was den Johannes betrifft. Damals, da hat man über Gefühle, Gedanken und Empfindungen der beteiligten Personen noch ziemlich wenig aufgeschrieben. Schade.
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Fortsetzung? Nein. Oder doch: wer mag, kann diese und weitere Geschichten, die Lukas damals aufgeschrieben hat, in einer Bibel nachlesen und sich seine eigenen Gedanken machen.
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