Samstag, 18. September 2010

ONE – Der Baby-Protest

Lieber Blogbesucher,

Werde jetzt aktiv: Unterzeichne die Petitionich möchte dir gerne den ONE Baby-Protest vorstellen. Mit dieser lustigen Aktion wollen wir eine sehr ernste Botschaft verbreiten—und ich hoffe, du hilfst uns dabei.

Am heutigen Tag kommen über 1000 Kinder HIV-positiv zur Welt. Das ist eine erschütternde Zahl. Am schlimmsten daran ist aber, dass das völlig unnötig ist. Die HIV-Übertragung von der Mutter auf ihr ungeborenes Baby wäre nämlich mit einer einfachen Behandlung vermeidbar.

Wir können das ändern. Gemeinsam können wir sicherstellen, dass Dank wirksamer Behandlung bis 2015 kein Kind mehr mit HIV geboren wird. Babies mit HIV können nicht für sich selbst sprechen, also tue du es für sie—mach mit beim ONE Baby-Protest!

Klicke hier, um die Petition zu unterzeichnen

http://one.org/de/mitmachen/babyprotest/o.pl?id=1941-3579593-a0A0FSx&t=3

Die Petition im Wortlaut:

Sehr geehrte Staats- und Regierungschefs,

wir können bis 2015 sicherstellen, dass kein Kind mit HIV geboren wird. Der erste Schritt auf dem Weg dahin ist ein Abkommen zur Bekämpfung extremer Armut bei den Vereinten Nationen. Jede Nation muss ihren Teil beitragen. Bitte tragen auch Sie Ihren Teil bei. Vielen Dank!

Gemeinsam können wir bis 2015 eine Welt schaffen, in der kein Kind mit HIV geboren wird.

Vielen Dank!

Freitag, 17. September 2010

Schreibtipp Nummer Zwölf: Bilder provozieren

Heute gibt es - nach langer Pause - mal wieder einen Tipp zum Schreiben. Die Inspiration beschlich mich bei der Lektüre eines »Textertipps« von Herrn Gottschling von der Textakademie. Dort geht es zwar um Marketingformulierungen, aber das Prinzip lässt sich leicht auf das literarische Schreiben übertragen.
Es geht darum, Bilder im Kopf des Lesers entstehen zu lassen. Man könnte, angenommen ein Herr Wegemann geht durch eine Stadt, folgenden Satz schreiben:
Herr Wegemann geht durch die Stadt.
Daran ist nichts falsch. Wenn es aber für das Erzählte von Belang sein sollte, dass im Kopf unserer Leser ein etwas anschaulicheres Bild des Vorganges entsteht, ersetzen wir das Verb »geht« und das Substantiv »Stadt«:
Herr Wegemann schlendert durch die Fußgängerzone.
Herr Wegemann hetzt durch die Einkaufsstraße.
Herr Wegemann stolpert durch Betonschluchten.
Da sieht man den guten Herrn Wegemann schon etwas deutlicher. Wie es ihm dabei ergeht, wissen wir allerdings nicht so recht zu sagen. Das kann man durch das Hinzufügen von Adjektiven anklingen lassen.
Herr Wegemann eilt durch dunkle Betonschluchten.
Herr Wegemann stolpert müde durch das Stadtviertel.
Herr Wegemann schlendert durch anheimelnde Vorstadtstraßen.
Ist das Herr Wegemann?In den meisten Fällen sollte man es dabei belassen, um die Sätze nicht zu überfrachten. Attribute zu den Adjektiven können jedoch in manchen Fällen eine Stimmung noch verstärken:
Herr Wegemann eilt durch bedrohlich dunkle Betonschluchten.
Herr Wegemann stolpert durch ein übermäßig schmuddeliges Stadtviertel.
Herr Wegemann schlendert durch die phantasievoll begrünte Fußgängerzone.
Ob das jeweils notwendig ist, sollte ein Autor sorgfältig abwägen, denn die »dunkle Betonschlucht« reicht meist schon aus um zu wissen, dass da etwas Bedrohliches in der Luft liegt.
Man könnte - ich sage nicht dass man sollte - aber man könnte natürlich noch darüber hinaus gehen:
Herr Wegemann eilt mit gehetztem Blick durch bedrohlich dunkle Betonschluchten.
Herr Wegemann stolpert planlos durch ein übermäßig schmuddeliges Stadtviertel.
Herr Wegemann schlendert vergnügt durch die phantasievoll begrünte Fußgängerzone.
Man könnte. Meist sollte man jedoch nicht. Auch der leckerste Kuchen wird weniger attraktiv, wenn man zehn Stücke hintereinander weg essen soll. Dass Herr Wegemann einen gehetzten Blick hat, beziehungsweise gehetzt ist, kann man in anderen Sätzen drum herum ansiedeln. Am besten so, dass der Leser selbst darauf kommt:
Herr Wegemann eilt durch dunkle Betonschluchten. Seine Augen suchen nach einem Ausweg. Ein Blick zurück - die Verfolger sind nicht zu sehen.
So. Das war es für heute. Der eine oder die andere unter meinen Blogbesuchern will ja nicht immer nur lesen, sondern ist selbst kreativ. Also was schreibst du, lieber Leser, anstelle des folgenden Satzes?
Frau Müller schreibt einen Text.

Donnerstag, 16. September 2010

Neuland – Teil 7

Ohne lange Vorreden geht es nach dem Hinweis auf die bereits erschienenen Teile weiter. Der Hinweis: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4] [Teil 5] [Teil 6]

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Die Bank

Anron erzählte Bersan nichts von dem Traum. Er hatte keine Ahnung, ob er ihn und wie er ihn deuten sollte, ob möglicherweise eine Wüste vor ihnen lag, oder etwas, was durch die Wüste symbolisiert wurde. Er beschloss, wachsam zu sein und aufmerksamer als bisher die Gegend zu beobachten, durch die sie wanderten. Mehr mit dem Traum anzufangen fiel ihm nicht ein.

Sie wuschen sich im Bach und brachen früh auf, weiter auf die Berge zu. Der Abstand war größer, als sie beim Beginn ihrer Wanderung angenommen hatten. Die nur gelegentlich durch Hügel unterbrochene Ebene zog sich schier endlos hin. Da sie keine Eile hatten, genossen sie ihre Reise durch eine unberührte Natur, die mit nichts auf ihrer vergangenen Welt vergleichbar war.

Sie unterhielten sich gelegentlich darüber, wer wohl der versprochene nächste Führer sein würde, von dem bisher keine Spur zu sehen war. Bersan vermutete einen weiteren Wächter, Anron tippte auf etwas Neues, Unbekanntes.

Sie hatten bisher in dieser Welt kein schlechtes Wetter erlebt, nur strahlend blauen Himmel und angenehm warme Nächte, aber am vierten Tag nach Yondils Abschied sahen sie dunkle Wolken am Horizont aufziehen. Sie waren seit dem Morgen ungefähr zwei Stunden gewandert, nun blieben sie in der Nähe eines größeren Hügels stehen, um den Himmel zu mustern.

Kein nettes Wetter.»Meinst du, es wird regnen?« fragte Bersan.

»Muss es wohl gelegentlich, sonst könnten die Pflanzen hier nicht so gedeihen. Es sei denn, die Biologie geht hier andere Wege.«

Die Wolkenwand wuchs in geradezu atemberaubendem Tempo. Sie sahen sich vergeblich nach einem Schlupfwinkel um. Nicht einmal Bäume gab es hier, nur Buschwerk, unter das man nicht kriechen konnte.

»Wächter dieses Ortes, wo bist du?« fragte Anron versuchsweise.

»Hier, Anron, Freund des Waldes.«

Ein graugekleideter Wächter, der Yondil sehr ähnelte, kam den Hügel hinab auf sie zu. »Willkommen auch du, Bersan, Freund der Höhen.«

»Ach, das bedeutet also mein Name«, sagte Bersan überrascht.

»Ja, wusstest du das nicht?«

»Nein, es ist mir neu. Sei gegrüßt, Wächter dieses Ortes. Wie dürfen wir dich nennen?«

»Yimanel ist mein Name.«

»Yimanel, wird es Regen geben?«

Das Wesen nickte. »Regen und Gewitter. Fürchtet euch nicht.«

»Nein, direkt Angst haben wir nicht, aber es wäre angenehmer, wenn wir an einem geschützten Ort abwarten könnten. In der Welt, aus der wir kommen, waren Blitze auf freiem Feld nicht unbedingt gut für die Gesundheit.«

»Folgt mir.«

Er führte sie ein Stück den Hügel hinauf. Vor ihnen tat sich eine Lücke im Buschwerk auf, die Augenblicke zuvor nicht dagewesen war, das waren sich die Männer ganz sicher. Sie traten hindurch und sahen sich fassungslos um.

Sie standen in einem Gebäude, wie sie es aus ihrer Welt gekannt hatten. Yimanel hatte ihnen zwei Fackeln gereicht, die er mit einem kurzen Kopfnicken entzündet hatte wie Yondil damals das Lagerfeuer. Sie erkannten eine große Halle mit Schreibtischen, Sitzgruppen, verglasten Schaltern.

»Was ist das hier?«, fragte Bersan ungläubig.

»In eurer Welt nannte man es eine Bank. Man tätigte dort Geschäfte.«

»Moment mal, sind unter diesen Hügeln überall Gebäude begraben?« fragte Anron überrascht.

»Ja, unter den meisten. Nicht viele sind erhalten, es ist viel Zeit vergangen, aber wir haben den Auftrag, einige zu bewahren.«

»Das ist unglaublich«, sagte Bersan erschüttert, »das müsste längst alles verrottet sein, wenn die Zeitrechnung von Yondil stimmt. Kein Gebäude hält tausend Jahre, ganz zu schweigen von der Einrichtung.«

Yimanel lächelte das den Wächtern eigene geheimnisvolle Lächeln und erklärte nur: »Wir haben einige bewahrt, wie sie waren. Bevor du fragst, Freund der Höhen, kann ich dir gleich sagen, dass ich den Grund dafür nicht kenne.«

Anron und Bersan begannen, Schreibtische zu untersuchen, Türen zu öffnen, Schriftstücke zu betrachten. Es war alles polnisch geschrieben und in einem Zustand, als sei die Bank gestern erst verlassen worden.

»Gibt es in der Nähe auch ein gut erhaltenes Kaufhaus?«, fragte Bersan.

»Ihr sucht Kleidung.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

»Ja,« sagte Bersan, »es wäre mir nach wie vor unangenehm, nackt den Frauen zu begegnen, die wir treffen sollen.«

Die Wächter stellten niemals wirkliche Fragen, sie schienen keine Auskunft nötig zu haben, das hatten sie bereits festgestellt. Auch Yimanel hinterfragte nicht weiter sondern erklärte: »Die Frauen haben keine Kleidung, aber wenn ihr später welche haben wollt, wird sich das machen lassen. Allerdings dürft ihr nichts aus den bewahrten Häusern mitnehmen, falls sich eines, wie jetzt, vor euch öffnet. Ihr müsst euch selbst anfertigen, was ihr haben wollt. Aber ihr schämt euch doch auch jetzt nicht.«

Das stimmte allerdings. Die beiden Männer hatten ihre Blöße zu keinem Moment vor einander zu verbergen gesucht, seit sie in jener Nacht des Gerichtes nackt in den See gerannt waren. Auch eine morgendliche Erektion des Kameraden wurde nicht kommentiert, das gehörte zum Mannsein nun einmal dazu. Für das große Geschäft gingen sie nach wie vor ein paar Schritte hinter ein Gebüsch, aus dem Blickfeld des Gefährten, aber das hatte weniger mit Scham zu tun als mit Rücksichtnahme.

Nun war allerdings die Begegnung mit Frauen womöglich doch etwas anderes. Womöglich. In jener anderen, vergangenen Welt gingen ein Saunabesuch oder der Aufenthalt an einem textilfreien Badestrand unverkrampft vonstatten, warum sollte es hier eigentlich anders sein? Weil das meine Frau sein – werden – soll, überlegte Anron. Aber warum sollte ich mich dann ausgerechnet vor ihr schämen? Oder habe ich Scheu vor Bersans Frau? Wie werde ich überhaupt erkennen, welche mir und welche ihm zugedacht ist? Wenn wir nun beide die gleiche…

Anron verwarf die nichtigen Überlegungen und nickte. »Gut, dann werden wir abwarten. Ein Kaufhaus würde auch nichts nützen, wenn wir uns nicht aus den Vorräten bedienen dürfen. Wann treffen wir die Frauen?«

»Wenn die Zeit gekommen ist. Nun folgt mir, ihr habt sicher Hunger. Nach dem Essen könnt ihr weiterwandern, das Gewitter wird dann vorüber sein.«

Yimanel führte sie in einen Nebenraum, in dem ein reich gedeckter Tisch stand. Wer die Kartoffeln, das Gemüse und den dampfenden Braten zubereitet hatte, woher das alles stammte, hinterfragten die beiden Männer nicht. Die Antworten würden sie sowieso genauso gut verstehen wie die Tatsache, dass ein Bankgebäude, das tausend Jahre unter einem Hügel begraben war, aussah wie neu. Sie genossen die Speisen, es gab sogar Wein dazu.

Als sie gesättigt waren, führte Yimanel sie wieder hinaus. Der Eingang verschwand vor ihren Augen, nur noch Gras und Buschwerk waren zu sehen. Die Erde war nass, es roch angenehm frisch, Wasser tropfte von den Zweigen. Die letzten Wolken eilten davon und die Sonne wärmte die beiden Männer, die erst jetzt bemerkten, dass es in der Bank deutlich kühler gewesen war.

Sie bedankten sich bei Yimanel für die Gastfreundschaft und wanderten durch das feuchte Gras weiter auf die Berge zu. Ein neuer Führer war nicht in Sicht.

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Fortsetzung? Folgt.

Mittwoch, 15. September 2010

Neuland – Teil 6

Herzlich willkommen, lieber Stammgast und regelmäßiger Leser. Es geht gleich weiter mit der wunderlichen Geschichte von Fritz Wegemann, auch bekannt als Anron. Doch zuvor sei für diejenigen, die neu dazu stoßen oder sich nicht recht erinnern, dem Wunsch einer hochgeschätzten Stammleserin gemäß, auf die bereits erschienenen Teile verwiesen. Bittesehr: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4] [Teil 5]

So. Nun aber. Auf geht’s.

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Der Traum

Am Abend des nächsten Tages verabschiedete sich Yondil von ihnen. Er erklärte, dass sie in der bisherigen Richtung auf die Berge zu weiterwandern sollten, zu gegebener Zeit würden sie einen anderen Führer haben, er selbst müsse nun zurückkehren zu seinem Wald.

Anron und Bersan bedankten sich für alle Hilfe, Auskünfte und seine Freundlichkeit. Sie wären gerne weiter mit ihm gewandert, aber sie begannen, sich an die Gesetzmäßigkeiten dieser Welt zu gewöhnen und selbst zurechtzufinden. Man musste einiges einfach akzeptieren, ohne lange nach dem Grund zu fragen. Man konnte getrost davon ausgehen, dass alles seinen Sinn hatte und gut war. Anron dachte an ein Lied von Van Morrison aus jener vergangenen Welt. It ain’t why why why why why, it just is hieß es darin.

Yondil winkte ihnen noch einmal zu und wanderte dann der untergehenden Sonne entgegen. Die beiden Männer sahen ihm lange nach. Sie hatten sich an sein merkwürdiges Äußeres, an seine überlange Körpergröße, gewöhnt, sie hatten ihn als zuverlässigen und sorgenden Begleiter geschätzt, der ihnen die ersten Schritte in dieses neue Leben leicht gemacht hatte.

Yondil hatte geduldig ihre Fragen beantwortet, aber vieles hatten sie dennoch nicht begriffen. Manche Antworten, die er gegeben hatte, brachten keine Klarheit. Weil sie noch zu sehr in ihrer vergangenen Welt verhaftet waren? Sie dachten noch immer in Begriffen wie Tagen, Stunden, Minuten, obwohl die Zeit hier keine wichtige Rolle zu spielen schien. Weil sie immer nach einem Grund für etwas suchten, nach Gesetzmäßigkeiten, Regeln? Womöglich, nein sicher gab es hier solche Dinge, aber sie blieben einstweilen zum Teil unverständlich.

Auf eine Frage, die Anron am letzten Nachmittag mit Yondil gestellt hatte, gab es jedoch keine Antwort: »Warum wir? Fritz Wegemann alias Anron und Robert Stock alias Bersan. Warum sind wir übrig geblieben? Durch jenes Tor gegangen? Von Milliarden Menschen ausgerechnet wir?«

Yondil hatte die Frage wohl erwartet, denn er entgegnete ohne Zögern: »Es obliegt mir nicht, das zu wissen. Ihr beide und die beiden Frauen seid hier angekommen, das weiß ich. Vier Menschen. Ich frage nicht nach dem Warum.«

Als die Sonne unterging, legten sie sich in einem kleinen Birkenhain zum Schlafen nieder. Sie hatten für die Abendmahlzeit Früchte gesammelt, Wasser gab es genügend an einem munter sprudelnden Bach. Sie schliefen schnell ein, und Anron träumte zum ersten Mal in seinem neuen Leben einen Traum, der ihn beunruhigte.

Kein Weg ist zu sehen.Er hatte sich in einer endlosen Wüste befunden, nicht vergleichbar mit der paradiesischen grünen Welt, in der sie gelandet waren. Er blieb ihm rätselhaft, was der Traum bedeuten sollte, falls er überhaupt eine Bedeutung hatte. Da er sich sonst nie an Geträumtes erinnert hatte, weder in diesem noch in jenem Leben, vermutete er, dass es nicht verkehrt sein konnte, sich Gedanken darüber zu machen.

Wie hatte sein Traum begonnen? Richtig, er fühlte sich müde und erschöpft. Seine Kräfte schwanden. Die gleißende Sommersonne brannte unbarmherzig auf ihn herab, der weiße Staub der unendlichen Wüste hatte, vermischt mit seinem Schweiß, eine schmerzende Kruste auf der Haut gebildet. Seine Augen brannten von der Anstrengung, in der schattenlosen Helligkeit einem Weg zu folgen, von dem er nichts wusste. Er suchte. Aber wonach er suchte, das war ihm nicht klar.

War er vom Weg abgekommen, ohne es zu bemerken? Nein, der Weg war richtig. Er spürte, dass er auf dem Weg war. Es gab allerdings keinen Weg, keinen Pfad, keine Spur. In dieser menschenfeindlichen Landschaft gab es nur Sonne, Sand und Staub.

»Ich wüsste gerne, wie lange es noch so weitergeht«, teilte er der Stille der leblosen Wüste mit. Kein Tropfen Wasser war in Sicht, weit und breit gab es nichts, was ihm hätte Schatten spenden können. Schlimmer als der drängende Durst war jedoch die Ungewissheit, wohin er eigentlich ging. War er in diese Einöde gekommen, um zu sterben? Etwas zu finden? Jemanden zu treffen?

Er schloss die Augen vor der stechenden Glut der Sonne und stolperte blind weiter. Was machte es noch aus, ob er den rieselnden Sand und die flimmernden Hitzewellen sah oder nicht. Welche Rolle spielte es am Ende seiner Kräfte, ob er im Kreis ging oder geradeaus? Er verdurstete und kannte das Ziel ohnehin nicht. Der Sand verbrannte seine Fußsohlen. Wahrscheinlich gab es gar kein Ziel. Entkräftet sank er in den heißen Staub, die verklebten Augen blieben geschlossen. Sein ausgedörrter Mund atmete kleine Staubwölkchen, es war totenstill.

Dann fiel ein Schatten auf ihn. Mühsam öffnete er die Augen und sah in ein fremdes Gesicht. Ein freundliches Gesicht, ein wettergegerbtes Cowboygesicht wie aus einem alten Western. Der Mann streckte ihm eine Feldflasche entgegen und sagte: »Trink. So viel du willst.«

Als er nach der Flasche greifen wollte, war er plötzlich von Eiseskälte umgeben und durchdrungen. Er wollte etwas sagen, und dann –

– wachte er auf.

Neben ihm schlief Bersan, tief und friedlich. Anron zitterte vor Kälte. Er brauchte eine Weile, bis ihm wieder warm wurde. Er war sich zunächst nicht einmal sicher, ob er noch träumte oder wach war.

Dann lag er neben seinem schlafenden Freund und überlegte, was der Traum bedeuten mochte. Träume sind Schäume, nomen est omen, ging es ihm durch den Sinn. Sinnlose Gedanken, womöglich aus einem anderen Leben.

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Fortsetzung folgt.

Montag, 13. September 2010

Neuland – Teil 5

Ich habe gezögert und gezaudert. Diese Geschichte könnte ich eigentlich besser erzählen, manches ganz neu schreiben… – die Änderungen und Verbesserungen, die ich an diesem über 20 Jahre alten Text durchführe, scheinen nicht weitgehend genug.

Doch andererseits ist dies hier ja eine kostenlose Lektüre für meine geschätzten Blogbesucher, und einem geschenkten Gaul sollte man nicht allzu tief ins Maul schauen. Oder, wenn man doch schaut, kein makelloses Gebiss erwarten. Falls ich diese Erzählung mal in einem Buch verkaufen wollte, müsste noch sehr viel Arbeit investiert werden. Womöglich wäre sogar Potential für einen Roman auffindbar, mich deuchte es zumindest so zu sein.

Jedenfalls habe ich die gröbsten Holprigkeiten entfernt, die schlimmsten stilistischen Ausrutscher beseitigt und wünsche nun –Interesse vorausgesetzt – viel Vergnügen mit der Fortsetzung. Die ist verhältnismäßig lang, aber dafür ein komplettes Kapitel.

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Angekommen

Abgesehen von der Stille nach dem Lärm der Explosionen und Schüsse, waren es die Farben. Klare, saubere, angenehme Farben, die ganz anders, viel freundlicher wirkten, als die auf der Welt, die sie hinter sich gelassen hatten. Fritz erinnerte sich an Ferien in seiner Kindheit, im Allgäu. An den Anblick der Landschaft nach einem Sommergewitter. Alles wirkte dann wie reingewaschen, befreit vom Grauschleier des Alltags. Nicht nur sauber, sondern rein – ein Werbespruch aus seiner Kindheit. Hier, jenseits des Tores, wirkte alles noch eine Spur reiner, lebendiger, wirklicher als damals, vor so vielen Jahren, in einer anderen Welt. Die Stille und die Farben. Beide Männer waren wie betäubtdavon.

Die Sonne war nicht zu sehen, der Himmel mit einem hellen Schleier überzogen, angenehmes Licht erhellte die Umgebung. Es mochte ein Morgen sein, wenn vertraute Zeitabläufe noch galten. Diesbezüglich waren sich beide nicht sicher, denn eben war es noch Nacht gewesen. Die Temperatur war wohltuend, nicht kalt, nicht heiß; Wohlfühltemperatur für ihre bloßen Körper. Alles wirkte angenehm, genau richtig, vollkommen.

Sie waren noch in dem gleichen kleinen Tal, möglicherweise. Hinter ihnen, durch das Baumtor betrachtet, lag der See ruhig, von Bäumen umstanden. Weit und breit keine brennenden Hubschrauber oder das, was von ihnen übrig bleiben mochte. Keine verkohlten Baumstümpfe, kein verbranntes Gras. Leise Vogelstimmen waren zu hören statt der gierigen Wut des prasselnden Feuers.

»Was würde passieren«, fragte Robert, »wenn wir die wenigen Schritte zurück gingen? Würden wir wieder in unsere Welt treten? Gibt es die überhaupt noch?«

Sie gingen nicht zurück, natürlich nicht, sondern tiefer in den Wald, dann einen leichten Hang hinauf, aus dem Tal heraus. Was sie in der Nacht des Grauens und des Gerichtes gesehen und empfunden hatten, lockte sie wahrlich nicht zurück. Sie wanderten vielleicht zehn Minuten, dann brach Robert erneut das Schweigen: »Was meinst du, wo wir sind?«

»In Sicherheit.«

»Ja, das stimmt. Vermutlich. Man weiß ja nie… Aber wo? Was ist das hier?«

»Wir werden es herausfinden, vermute ich. Ich habe keine Ahnung. Sind wir tot, erschossen oder verbrannt? Dann ist das hier so etwas wie das Paradies. Wie die Hölle sieht es jedenfalls nicht aus. Einstweilen nennen wir es vielleicht Zuflucht?«

»Zuflucht. Neuland. Paradies. Wie auch immer. Es gefällt mir hier jedenfalls, bisher.« Robert runzelte die Stirn und fügte hinzu: »Obwohl mir meine Armbanduhr abhanden gekommen ist. Die hatte ich anbehalten, als wir in den See stiegen.«

Das freudlich zutrauliche RehAls sie das Tal hinter sich hatten, endete auch der Wald. Sie blickten auf ein weites, leicht hügeliges grünes Land. Am Horizont erhoben sich halbrechts hohe Berge; soweit sie es erkennen konnten, waren die Gipfel mit Schnee bedeckt. Fritz und Robert ließen sich am Waldrand nieder, um den Anblick der unberührten Natur ringsherum zu genießen und sich über ihre weitere Wanderung Gedanken zu machen. Ihre neue Welt war irritierend. So vieles war anders hier als dort, wo sie herkamen.

Im Wald war ihnen ein Reh begegnet, das sich ungewöhnlich benommen hatte. Es schaute auf, als sie in seine Nähe kamen, aber es hatte keinerlei Furcht und floh nicht vor ihnen. Es ließ sich sogar von den beiden Männern streicheln und stupste sie freundlich mit seiner feuchten Nase. Jetzt sahen sie ein Rudel von etwa 30 Tieren, die am Waldrand irgendwelche Köstlichkeiten verspeisten. Kein einziges der Reh zeigte Furcht.

Die Sonne brach durch den Dunstschleier. Ein kleiner bunter Vogel einer ihnen unbekannten Art flatterte zu ihnen herab und begann, von den hohen Grashalmen winzige Samenkörner abzupflücken. Sie hätten das Tier mit der Hand greifen können.

Robert schaute fasziniert zu. Er sagte: »Wenn das nicht das Paradies ist, dann will ich nicht mehr Robert heißen.«

Hinter ihnen sagte eine freundliche Stimme: »Du wirst auch nicht mehr Robert heißen, Freund des Freundes des Waldes.«

Fritz und Robert wandten sich um. Er? Sie? war hochgewachsen, etwa 3 Meter groß, hatte ein freundliches Gesicht, dem man nicht ablesen konnte, ob es weiblich oder männlich war. Lange, weiße Haare fielen bis über die Schultern, die schlanke Gestalt war in ein hellgraues, knielanges Gewand gehüllt. Die Hautfarbe glich der eines europäischen Menschen, der sich überwiegend im Freien aufhält.

»Wer sind Sie?«, fragte Fritz.

»Ich bin ein Wächter des Waldes und zunächst euer Führer.«

»Wo sind wir?«

»Ihr habt den Ort nicht gewechselt, als Ihr hierher gekommen seid, nur die Zeit ist eine andere. Eure Welt ist vergangen.«

Fritz überlegte, aber seine Gedanken sträubten sich gegen das Undenkbare. Waren sie in die Zukunft gesprungen? Und wenn ja, wie weit? Oder in eine ferne Vergangenheit? Das Auftauchen der Gestalt hatte ihn nicht beunruhigt oder irritiert. Seit der ersten Begegnung mit den Säulen? hatte er ausreichend Zeit gehabt, sich an Sonderbares zu gewöhnen. Robert dagegen war deutlich zusammengezuckt, als plötzlich die Stimme hinter ihnen laut wurde. Nun fragte er unsicher: »Ich verstehe Sie – dich nicht ganz. Sind wir in Polen?«

»Es gibt hier keine Länder, Freund des Freundes des Waldes. Hier wäre Polen, und hinter Euch läge Deutschland, aber das war vor eurem Wechsel.«

Also war es keine Vergangenheit, in der sie sich befanden, sondern eine parallele Welt oder die Zukunft. Fritz stellte sich vor, in einem Science-Fiction Film zu sein – allerdings gab es dort in der Regel irgendwelche Kameratricks, die dem Zuschauer den Zeitsprung begreiflich machten. Nun gut, das Rennen hinein ins Feuer zwischen den Baumriesen und das Heraustreten in diesen friedlichen Morgen mochte als Überblendung durchgehen. Das ganze Geschehen war ja ohnehin irrational. Er hatte Science-Fiction nicht sonderlich viel abgewinnen können.

Roberts nächste Frage war naheliegend. »Wie viele Jahre sind wir denn von unserer Welt entfernt?«

Die Führer-Wächter-Gestalt lächelte. »Nach Eurer Zeitrechnung würden wir das Jahr 3057 schreiben.«

Mehr als 1000 Jahre. Unvorstellbar für den menschlichen Verstand. Ratlos sahen sie das graugewandete Wesen, genauso unvorstellbar außerhalb eines Kinos, an und hofften auf weitere Erklärungen.

Er? Sie? schwieg.

»Bist du ein Mensch wie wir?« fragte Fritz schließlich. »Etwas größer als zu unserer Zeit üblich? Oder sind wir die einzigen, die es von unserer Art noch gibt?«

»Ihr seid die beiden männlichen Vertreter der Menschheit. Ich werde euch zu euren beiden Frauen führen. Darum bin ich hier. Ihr könnt von vorne anfangen, eine neue Geschichte beginnen.«

»Du bist also kein Mensch?«

»Nein, ich bin ein Wächter, wir haben viele Formen. Ich hielt es für angemessen, Euch so zu begegnen, wie ich jetzt erscheine, damit Ihr keine Furcht bekommt.«

»Ich versuche mal, das zu sortieren«, antwortete Fritz. »Robert und ich, und zwei Frauen, die wir noch nicht kennen, sind die einzigen Menschen. Auf dem ganzen Erdball oder nur in Europa? Sind die Frauen hier geboren oder auch aus unserer Welt – also ich meine per Zeitsprung – du verstehst schon was ich meine, oder? Und hast du einen Namen? Und wie alt bist du? Ein – äh – männlicher Wächter oder eher eine Dame?«

Das feine Lächeln auf den gütigen Zügen des Wächters machte einem herzhaften Lachen Platz. Er erklärte: »Dein Name ist Anron, das bedeutet Freund des Waldes, und der deines Freundes ist Bersan. Und ihr habt beide viele Fragen. Aber gut, das ist ja in eurer Lage verständlich. Ich werde versuchen, so einfach wie möglich Auskunft zu geben.

Es gibt hier vier Menschen, die durch drei Tore gekommen sind. Ihr habt zusammen das eine Tor durchschritten. Die beiden Frauen werden sich bald treffen, noch bevor ihr sie kennenlernt. Ihre Tore liegen weit auseinander, aber sie sind unterwegs zu einem Punkt, an dem sie sich begegnen werden.

Euer Kontinent war der erste, der im Feuer verging, aber es dauerte dann nicht lange, verhältnismäßig betrachtet, bis die Menschen sich endgültig ausgelöscht hatten. Ein Teil starb an der Strahlung, die ihr freigesetzt hattet. Ein Teil brachte sich andernorts gegenseitig um. Viele verhungerten, kamen durch Naturkatastrophen ums Leben. Ungefähr 50 Jahre nach eurem Übergang, gemäß eurer Zeitrechnung, war der letzte Mensch tot.

Mein Name ist Yondil, und ich habe kein Alter; seit der Schöpfung bin ich einer der Wächter des Waldes. Bevor Du fragst: Ja, es gibt noch andere Wächter, in den Ebenen, auf den Höhen, ihr werdet sie kennenlernen, wenn es jeweils notwendig ist. Und ein Geschlecht in eurem Sinne haben wir nicht, da wir uns nicht fortpflanzen. Aber wenn es euren Gedanken, eurem gewohnten Sprachverständnis bequemer ist, könnten wir als männlich gelten.«

»Warum heiße ich Bersan?«, wollte der ehemalige Robert auf diese lange Rede hin wissen.

»Es ist dein Name.«

»Aha, alle Rätsel werden also nicht gelöst.«

»Nicht sofort. Habt ihr Hunger, Anron und Bersan?«

Sie hatten Hunger. Anron fand das nicht weiter verwunderlich in Anbetracht der Tatsache, dass sie seit mehr als zehn Jahrhunderten nichts gegessen hatten.

»Gibt es ein empfehlenswertes Restaurant in der Nähe, Yondil?«, fragte er lächelnd.

»Kommt einfach mit«, lud der Führer sie ein und wies mit dem Finger auf die schneebedeckten Bergspitzen in der Ferne. »Dies ist eure Richtung. Ein Stück weiter könnt ihr den Hunger stillen.«

Sie wanderten in das Land hinein, das einmal Polen gewesen war, steuerten auf das Gebirge zu. Die beiden Menschen konnten sich nicht erinnern, dass es in Polen solche Berge gegeben hatte, aber in dieser Welt war offenbar nichts unmöglich und alles anders. Warum sollte es dann also keine Alpen in Polen geben? Anron schätzte, dass sie vier bis fünf Tage wandern würden, falls ihr Ziel jene Berge waren und der Weg zu Fuß zurückzulegen war. Er fragte nicht danach, ihr Führer würde ihnen schon den rechten Weg weisen und Eile schien nicht geboten.

Etwa dreißig Minuten später, falls sie ihrem Zeitgefühl hier überhaupt noch trauen konnten, erreichten sie einen Hügel, der mit üppiger Vegetation bewachsen war.

Yondil ging ihnen ein paar Schritte voraus und blieb dann vor einem dichten Gebüsch stehen. Vor ihren Augen verwandelte einer der Sträucher seine Form und nahm die Gestalt eines rundlichen, etwa einen Meter großen, in ein grünes Gewand gehüllten Wesens an, dessen Gesicht und Hautfarbe dem ihres Führers sehr ähnlich war.

»Ich bin ein Hüter dieser Ebenen«, stellte sich der Kleine vor. »Herzlich willkommen in meinem Reich, Yondil, Anron und Bersan.«

»Äh, danke, ja, sehr erfreut...« stotterte Anron.

Auf Yondils Zügen zeigte sich sein stilles Lächeln, als er dem kleinen Gastgeber erklärte: »Sie sind gerade angekommen und kennen die Welt noch nicht. Wir müssen Geduld mit ihrer Verwirrung haben. Die beiden Menschen haben Hunger. Dürfen sie deine Gäste sein?«

»Gerne, Hüter des Waldes, folgt mir.«

Er führte sie den Hügel hinauf und bat sie, auf einer prächtigen Wiese Platz zu nehmen, die auf halber Höhe in der Sonne lag.

Dann verschwand er und kehrte kurz darauf mit vier weiteren Gestalten seiner Art zurück, die Tonschalen mit Wasser und eine Vielfalt von Früchten und Gebäck herbeibrachten. Sie nickten den Menschen freundlich zu und breiteten die Speisen vor ihnen aus.

Bersan hob ein Teighörnchen auf, es war warm und duftete. »Woher habt ihr das Gebäck?«, wollte er wissen.

Yondil antwortete: »Die Hüter dieses Ortes wussten, dass ihr kommt; wir alle kennen euren Weg. Wir kennen auch eure Nahrung. Ihr werdet lernen, selbst für euch zu sorgen, nach und nach. Einstweilen wollen wir euch anbieten, was euch vertraut ist. Doch merkt euch bitte: Bevor ihr etwas esst, was ihr am Wegesrand, in den Wäldern, in den Ebenen, in den Bergen, an den Wassern findet, fragt zunächst die Hüter, ob es euch gehört. Es ist genug für alle da, aber wiederholt nicht den Fehler der Menschen aus eurer Zeit, anzunehmen, alles gehöre nur euch.«

Bersan verteidigte tapfer die gewesene Menschheit: »Die Menschen kannten die Hüter nicht.«

»Sie hatten vieles verlernt und vergessen. Sie sahen nur noch sich selbst. Die Hüter waren immer da.«

Anron fragte: »Was ist mit Fleisch? Gibt es auch Hüter der Tiere?«

»Fleisch gibt es, und ihr könnt fragen, wenn ihr welches essen wollt. Meist werden euch aber die Schätze genügen, die aus dem Reich der Pflanzen stammen.«

»Ich weiß noch immer nicht, wie man die Hüter erkennen kann. Unser Gastgeber hier schien mir ein normaler Busch zu sein…«

»Ihr werdet es lernen. Doch nun genießt die Speisen, euer Weg ist noch weit.«

Sie griffen herzhaft zu, die Hüter saßen still dabei und betrachteten die beiden Männer. Sie selbst schienen keine Nahrung zu brauchen, zumindest nicht in der den Menschen gewohnten Weise. Möglicherweise verwandelten sie gegebenenfalls ihre Form und nahmen über Wurzeln das Notwendige zu sich, obwohl, falls das mit der Alterslosigkeit stimmte, Stoffwechselvorgänge eher unwahrscheinlich schienen. Aber man konnte die früheren Forschungsergebnisse und Naturgesetze wohl allesamt getrost vergessen. Jedenfalls schmeckte ihnen das Mahl vorzüglich, wo immer auch der Backofen versteckt sein mochte.

Als sie satt waren, verabschiedete sie der kleine grüngewandete Gastgeber. »Ich wünsche euch Erfolg auf eurem Weg«.

Sie bedankten sich und zogen mit ihrem grauen Führer weiter.

Bald darauf wurde Bersan unruhig. Er blickte sich immer wieder um, sagte aber nichts. Schließlich meinte Yondil beiläufig: »Du kannst hinter diesem Gebüsch verschwinden und dich dann mit seinen Blättern abwischen. Die Verdauung ist doch nichts, was man verschweigen muss.«

Bersan grinste verschämt. »Ein Campingklo wäre mir ja lieber, aber ich fürchte, das ist hier nicht vorrätig.«

Auch Anron musste sich ziemlich dringend erleichtern. Er hatte sich in den sieben Jahren seines Einsiedlerlebens daran gewöhnt, dies in der Natur zu tun, allerdings hatte ihm dabei niemand zugeschaut. Er wartete, bis Bersan sichtlich entspannter wieder auftauchte und verschwand dann selbst hinter den Büschen.

Als sie weiter wanderten, sagte Yondil: »Ihr beide braucht euch nicht zu schämen. Scham und Schuld liegen nicht auf euch, es gibt also keinen Grund, sich zu verbergen. Eure Körper sind gesund. Eure Organe funktionieren.«

Mittags rasteten sie in einem kleinen Birkenwäldchen, es gab wieder reichlich Nahrung von einem ähnlichen Wesen, kühles Wasser in Tonschalen und freundliche Worte und Wünsche für ihren Weg. Sie fühlten sich überall herzlich willkommen und gaben sich Mühe, nach und nach diese merkwürdige Welt zu verstehen.

Yondil erklärte ihnen gerne, was sie wissen wollten. Einige seiner Aussagen waren rätselhaft, aber meist begriffen sie, was er ihnen sagte.

Als am Abend die Schatten länger wurden, erreichten sie einen kleinen See, der von Bäumen umstanden war.

Anron wird nassYondil ließ sich am Ufer nieder und beobachtete schmunzelnd, wie sie ins Wasser sprangen und ein paar Runden schwammen. Es war angenehm erfrischend, nach der langen Wanderung.

Sie setzten sich anschließend in die Abendsonne, um zu trocknen.

»Können wir eigentlich Kleider bekommen, bevor wir die Frauen treffen? Du hast zwar gesagt, wir sollten uns nicht schämen, aber es wäre mir etwas – äh – unangenehm, so im Adamskostüm, wenn du verstehst, was ich meine«, sagte Bersan nach einer Weile.

»Kleider? Nun, wenn ihr welche haben wollt, wird sich das machen lassen, aber es ist nicht notwendig. Die Frauen haben keine.«

Bersans Mine zeigte sich bedenklich nach dieser Auskunft. Er hatte eine Frage auf der Zunge, ließ sie aber einsteilen beiseite, um nicht wie ein Tollpatsch zu wirken.

Anron überlegte: »Im Paradies gab es ja wohl auch keine Kleidung, soweit ich mich an die biblischen Geschichten erinnern kann.«

»Du erinnerst dich recht«, sagte Yondil. »Der Zustand der Schöpfung ist jetzt wieder wie am Anfang. Die Nacht wird euch nicht mit Kälte quälen und die Sonne wird euch nicht verbrennen. Ihr seid aber frei und könnt mit euren Frauen entscheiden, ob ihr Kleider haben möchtet. Ihr könnt sie herstellen, sobald ihr die Fertigkeiten lernt, die man dazu braucht. Aber notwendig wird es nicht sein.«

»Gut, wir werden sehen«, sagte Anron. Er war sich überhaupt nicht sicher, dass er überhaupt eine Frau kennenlernen und mit ihr zusammenleben wollte, aber er beschloss, abzuwarten. Er wechselte das Thema. »Ich habe leider schon wieder Hunger.«

»Dann frag den Hüter, der hier herrscht«, empfahl Yondil.

Die beiden sahen sich um. Sie konnten beim besten Willen nicht erkennen, ob irgendeines der Gewächse ringsum als sich verwandelndes Wesen in Frage kam.

Bersan versuchte es einfach. »Hüter dieses Platzes, wo bist Du?«

Neben ihnen tauchte eine Gestalt in menschlicher Größe aus dem See auf, gekleidet in ein silbriges Gewand, von dem das Wasser hinunterperlte.

»Hier bin ich, Bersan. Herzlich willkommen in meinem Reich. Willkommen auch du, Anron, und du, Yondil, Hüter des Waldes.«

Er bot ihnen an, Fisch zu essen, wenn sie es wünschten. Yondil erklärte, dass ein kleines Feuer für die Zubereitung kein Problem sei und forderte sie auf, trockene Zweige zu sammeln. Sie folgten den Anweisungen, schichteten die Hölzer, und waren gespannt, wo das Feuer herkommen sollte.

Yondil betrachtete den Holzstapel kurz und nickte dann. Augenblicklich brannte das Holz. Die beiden Männer starrten ihn entgeistert an.

»Ihr werdet ein Feuer bekommen, wenn ihr Eure Heimat erreicht. Bis dahin werden eure Führer für euch sorgen.«

Sie akzeptierten auch diese Angelegenheit, wie sie war, und der silbrige Hüter forderte sie auf, in der Bucht zwei Fische zu fangen, mehr nicht. »Der morgige Tag wird für sich selber sorgen«, erklärte er. »Vorräte braucht ihr nicht zu sammeln.«

Es ging ganz leicht, die Fische aus dem Wasser zu greifen. Anron hatte auch die notwendige Erfahrung aus seinem Hüttenleben, was man nach dem Fang mit der Beute zu tun hatte, und schließlich konnten sie ihr Abendessen zu sich nehmen, gegrillten Fisch und verschiedene Früchte. Das klare Wasser aus dem See war genießbar, »wie alles Wasser, das ihr findet«, erklärte Yondil. Der silbrigschimmernde Hüter des Ortes reichte ihnen Tonschalen von der Art, die sie schon kennengelernt hatten. Sie wurden satt und schliefen bald ein, erschöpft von dem Tagesmarsch, aber zufrieden und zuversichtlich. Es gab nichts auf dieser Welt, was ihnen Angst gemacht hätte.

Sie kannten noch nicht alles, was es zu kennen galt.

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Fortsetzung folgt

Samstag, 11. September 2010

Kann ein Pastor, Priester, Pfarrer sich irren?

[Michelangelo - Hands of God and Adam] Ich kann eigentlich überhaupt nicht mitreden. Weder habe ich Theologie studiert, noch Philosophie, Kirchengeschichte oder Sozialwissenschaften. Ich bin kein Pastor, Pfarrer oder Priester, noch nicht einmal Diakon, Ältester oder Kirchenhelfer. Dennoch rede ich mit, wenn es um Gott geht.

Vielleicht gerade, weil ich all das nicht studiert habe, keine derartigen Ämter bekleide. Wenn Glaube und Unglaube eine Frage der Berufswahl, der Ausbildung, der Herkunft wird, dann kann der Gott, an den da jeweils geglaubt wird, nicht sonderlich überzeugend sein. Dann braucht er Fachleute und Spezialwissen, um wahrgenommen und erklärt zu werden. Dann ist er nicht alltagstauglich.

Es wäre ein törichter Kurzschluss, zu meinen, dass Fachleute entbehrlich sind. Das gilt für alle Disziplinen. Wenn wir keine Ärzte und Fachärzte hätten, ginge es uns lange nicht so gut, ohne Architekten würden wir in Lehmhütten hausen und ohne Politiker womöglich mit Holzkeulen auf unsere Nachbarn losgehen. Spezialisten sind notwendig, auch in Fragen der Religion.

Doch muss man ihnen, nur weil sie sich nach einem entsprechenden Studium mit Ewigkeitsfragen auseinanderzusetzen versuchen, blind vertrauen? Darf man ihnen nicht widersprechen? Stehen ihre Aussagen über jeglicher Kritik? Wohl kaum, dafür sorgen sie ja schon selbst, indem sie oft genug Thesen und Argumente liefern, die mit denen von anderen Theologen unvereinbar sind.

Auch ein Pastor, Priester, Pfarrer kann und darf sich irren. So wie ich für mich selbst das Recht auf Irrtum in Anspruch nehme - aus Erfahrung in Anspruch nehmen muss - so dürfen andere etwas verkünden, was nicht richtig ist. (Ich rede hier vom Irrtum, nicht von bewusster Irreführung und Manipulation.) Und dem irrenden Fachmann darf widersprochen werden. Es darf debattiert und diskutiert werden. Auch wenn das gerade mancher Gottesdiener nicht gerne hat. Dagegen wehren sie sich mit einem altbekannten Standardargument. Aus Bob Dylans (leider seit Jahren nicht verfügbarem) Film »Renaldo & Clara« ist mir eine Szene in Erinnerung geblieben, in der ein Prediger, dessen Predigt bei den Zuhörern nicht auf Wohlwollen trifft, ausruft: »Whatever you say to a man of God, you say it direct to God!« - und die Szene blendet über in eine wunderbar aggressive Version von »A Hard Rain's A Gonna Fall«.

Was habe ich nicht schon alles als »vom Geist Gottes eingegeben«, »Wort vom Herrn«, »göttliche Inspiration« gehört, was sich als hanebüchener Unsinn herausgestellt hat. Was habe ich nicht schon alles an abstrusen Ideen und Vorstellungen in »christlichen« Büchern und Zeitschriften gelesen. Und - einigen Lesern wird jetzt der Kragen platzen, also vor dem Weiterlesen lieber aufknöpfen! - was steht nicht alles in der Bibel, was Menschenmeinung und Menschendeutung ist und nichts mit Gottes Wort zu tun hat.

Huch? Wie bitte? Die Bibel ist doch Gottes Wort?

Über diese Definition ließe sich trefflich disputieren...

Donnerstag, 9. September 2010

Neuland – Teil 4

Wer zu den regelmäßigen Lesern (und Kommentaren) gehört, weiß, warum der letzte Absatz von Teil 3 hier in veränderter Form noch einmal auftaucht: Polen ist längst NATO-Mitglied.

Wir sind immer noch im zweiten Kapitel, aber das findet heute zu seinem Abschluss. Ansonsten keine Vorrede, sondern gleich in medias res:

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Um 9 Uhr mitteleuropäischer Zeit erklärte die polnische Regierung den Verteidigungsfall und bat die NATO, das polnische Gebiet zu verteidigen. Obwohl der Vorgang nicht verfassungskonform war, wurde das polnische Militär durch die Regierung des Landes ohne Vorbehalte dem NATO-Kommando unterstellt.

Die Bevölkerung bejubelte den Entschluss. Die Verantwortlichen der NATO waren ratlos, da ein solcher Fall nicht vorgesehen war, erklärten aber zögernd, dass man die Möglichkeiten prüfen werde, die das internationales Recht zuließ.

Der Russische Präsident drohte mit der sofortigen Okkupation von ganz Polen, wenn dort auch nur ein einziger Soldat des westlichen Bündnisses auftauchen sollte.

Obwohl keiner auftauchte, begann bereits um 13 Uhr der Vormarsch der Russen durch Polen auf die deutsche Grenze zu.

Fritz Wegmann und Robert Stock wurden in ihrem Versteck nicht gestört. Zwar wachten sie öfter auf, weil Hubschrauber und Flugzeuge das Gebiet überflogen, aber es schienen keine Bodentruppen in der Nähe zu sein. Am Abend teilten sie sich erneut eine karge Mahlzeit und warteten dann ab, bis der letzte Rest Tageslicht verschwunden war. Sie unterhielten sich leise über ihre Kindheit und Jugend. Robert Stock erzählte vieles aus dem politischen Geschehen der letzten Jahre und Monate, was Fritz Wegmann unbekannt geblieben war. Er hatte in der Abgeschiedenheit seines Lebens in den Wäldern kein Interesse mehr am Treiben der Welt gehabt. Aber nun war er doch neugierig, wie es zu dem Wahnsinn kommen konnte, in dessen Mittelpunkt sie sich zu befinden schienen. Er zweifelte nicht an der Möglichkeit, dass in Kürze tatsächlich die Vernichtung allen Lebens, zumindest auf diesem Teil des Globus, hereinbrechen konnte.

Vorsichtig schlichen sie schließlich im Schutz der Dunkelheit aus der Höhle und setzten ihren Weg fort. Sie achteten aufmerksam darauf, ob es irgendwo einen Hinweis auf jenen Übergang in die andere Dimension gab, von dem sie nichts wussten. Eine Tür, ein Tor im herkömmlichen Sinne erwarteten sie nicht, aber was sie konkret suchten, war ihnen auch nicht klar. Das ganze Erlebnis mit den Säulen? wurde immer irrationaler, je länger sie unterwegs waren. Sie unterhielten sich über die Möglichkeit, in einem Traum gefangen zu sein, konnten aber nicht ernsthaft daran zweifeln, dass sie nicht schliefen. Hatten sie dann womöglich irgendwelche Drogen zu sich genommen, ohne es zu wissen? Gab es Kampfstoffe, die bei Menschen Halluzinationen auslösten?

»Ich weiß nur, dass unsere Begegnung mit diesen merkwürdigen Metallzylindern nicht stattgefunden haben kann«, meinte Robert Stock, »denn solche Dinge existieren nicht.«

»Und was tun wir dann hier mitten in der Nacht?«

»Das wüsste ich auch gerne.«

Aus der Ferne hörten sie Detonationen, die aber auch, wenn man sich Mühe gab, als Gewittergrollen durchgehen konnten.

Fritz Wegmann murmelte: »Ich würde jetzt eigentlich gerne aufwachen. In einer normalen Welt, in meiner Hütte. Ohne den Ring von nicht existierenden Wesen oder Gebilden ringsherum.«

Sie durchwanderten eine Gegend, die Fritz Wegmann nicht kannte. Vermutlich hatten sie die polnische Grenze inzwischen überschritten. Sie kamen über einen Hügel in ein kleines Tal. Im spärlichen Mondschein konnten sie nicht viel mehr erkennen, als dass sie vor einem See standen.

»Meinst Du, ich kann die Taschenlampe benutzen?«, fragte Robert Stock.

»Kurz, ja, vielleicht, denke ich. Aber mach sie aus, sobald wir einen Überblick haben.«

Sie hatten sich am Morgen für das Du entschieden, es machte wenig Sinn, beim förmlichen Sie zu bleiben, wenn sie schon in diesem sonderbaren Abenteuer zusammengefügt waren und die theoretisch-wahnvorstellungsbedingte Möglichkeit bestand, dass in Kürze nur noch sie beide als Vertreter der Menschheit übrig bleiben würden. Wo auch immer, in irgendeiner Dimension oder Welt. Falls alles Unsinn war, würden sie eben zusammen sterben, auch da konnte das persönliche Du für die letzten Stunden des Lebens nicht schaden.

Der Lichtstrahl schwenkte über die Landschaft. Links und rechts von ihnen gab es dichtes Gestrüpp, an ein Durchkommen war kaum zu denken. Vor ihnen lag das Wasser, schwarz und still. Am gegenüberliegenden Ufer stachen zwei hohe, uralte Bäume aus dem Waldrand hervor. Zwischen ihnen war eine Lücke, es hätte eine Art Tor sein können, wenn man nach einer natürlichen Form suchte. Fritz spürte immerhin, dass sie ihrem Ziel, zumindest dem Ziel, das sie in dieser Welt noch hatten, sehr nahe gekommen waren.

Robert knipste die Lampe aus und sie setzten sich ans Ufer. Die Uhr des Soldaten verriet ihnen, dass es nahezu Mitternacht war. Sollten sie schwimmen oder warten? Worauf warten? Auf eine Fähre oder eine Gondel aus Venedig, eine kleine Gestalt mit einem roten Kapuzenmantel? Auf das Tageslicht, das ihnen ein klareres Bild vermitteln würde? Auf Menschen, die, wo auch immer, in der Gegend auftauchen oder bereits lauern mochten? Auf das Ende der Welt?

»Ich schlage vor, wir essen den Rest unserer Vorräte. Dann sehen wir weiter.« Fritz teilte die verbliebene Nahrung auf und sie aßen schweigend.

Wasser gab es genug, sie hatten unterwegs an einem Bach die Schläuche aufgefüllt. Gelegentlich klangen die Stimmen von Tieren durch die Nacht, von Menschen war nichts zu bemerken.

»Seid ihr da, Wächter des Waldes?«, fragte Robert versuchsweise. Er erhielt keine Antwort.

Fritz fragte Robert: »Du kannst doch schwimmen, als Soldat kann man schwimmen, oder?«

»Selbstverständlich. Sicher nicht sehr weit mit diesem Kampfanzug am Leib, aber ich habe das Gefühl, als brauchte ich den sowieso bald nicht mehr.«

»Was meinst du, wann es passiert?«

Es war ihr Begriff für das Unvorstellbare, das Unaussprechliche, an dem sie beide nicht zweifelten. Entweder, auf diese Schlussfolgerung hatten sie sich geeinigt, waren sie beide verrückt, hatten sich die Begegnung mit den Zylindern? Säulen? eingebildet, dann war es auch nur logisch, dass sie alles glaubten, was die Wächter gesagt hatten. Oder sie waren nicht verrückt, sondern folgten dem Rat von wirklichen Wesen?. Dann war es ebenso folgerichtig, an das kommende Unheil zu glauben.

»Heute, es passiert heute, der Tag ist etwa eine Stunde alt, und ich glaube nicht, dass er 24 Stunden dauern wird wie andere Tage. Nicht für die Menschheit.«

»Habt ihr euch, deine Kameraden und du, über den Tod unterhalten? Als Soldat muss man doch eigentlich damit rechnen?«

»Das musste man, wollte aber nicht. Die Welt, zumindest Europa, schien doch wirklich zur Vernunft gekommen zu sein. Unsere Einsätze in Afghanistan waren gefährlich, es starben Kameraden, aber der Mensch meint immer, dass es nur andere treffen kann. Vermutlich ein psychologischer Schutzmechanismus.«

Fritz nickte. »Da hast du recht. Ich habe viel über den Tod nachgedacht. Allein in der Wildnis, ohne Möglichkeit, bei schwerer Krankheit oder Verletzung Hilfe holen zu können - ich habe immer damit gerechnet, irgendwann hier in den Wäldern zu sterben. Eigentlich war das ja auch mein Wunsch, denn zurück in die Zivilisation hätten mich keine zehn Pferde gebracht. Aber es war immer ein sehr theoretischer Gedanke.«

»Hattest du Angst vor dem Sterben?«

»Ja und nein. Wenn ich mir vorstellte, verletzt ohne Hilfe irgendwo vielleicht tagelang zu liegen, Schmerzen zu haben, zu verhungern oder zu verdursten - dann ja. Aber nicht vor dem Tod an sich. Sondern in einem solchen Fall vor dem, was mich davor an Qualen erwarten mochte.«

»Ihr solltet aufbrechen, Freund des Waldes und Freund des Freundes«, sagte eine Stimme. »Die Jagd beginnt.«

Sie waren zu Tode erschrocken, da sie nicht mehr damit gerechnet hatten, dass die Wächter in der Nähe waren und gar wieder in Erscheinung traten. Die Stimme kam von überall, sie hörten sie die Worte im Kopf und auch mit ihren physischen Ohren.

Nach einer Schrecksekunde fragte Robert: »Die Jagd?«

»Sie werden euch jagen. Beeilt euch. Lasst alles zurück, was Ihr habt. Ihr braucht es nicht.«

Das tiefe Dröhnen von Hubschraubern wurde hörbar. Es war noch vollständig finster, aber offenbar flogen sie jetzt auch bei Nacht.

»Wohin?«, rief Fritz.

»Du weißt es, Freund des Waldes.«

Die Hubschrauber kamen näher. Die beiden Männer zögerten nicht mehr, sondern zogen eilig ihre Kleidung aus. Sie ließen alles am Ufer liegen und wateten ins Wasser. Es war sehr kalt, doch der Tod würde eine andere und länger andauernde Kälte bringen.

Die vier russischen Hubschrauber waren mit Infrarot-Nachtsichtgeräten ausgerüstet. Ihr Auftrag war das Aufspüren von feindlichen Truppen auf polnischem Gebiet. Dazu gehörten natürlich auch polnische Soldaten.

Die beiden Menschen, die auf den Bildschirmen erschienen, konnten Zivilisten oder feindliche Späher sein, zu den russischen Truppen gehörten sie eindeutig nicht. Dass sie ins Wasser rannten und dann eilig zu schwimmen begannen, machte sie erst recht verdächtig.

Die Scheinwerfer des ersten Hubschraubers tauchten die Nacht in grelles weißes Licht.

Weder Robert noch Fritz verstanden auch nur ein Wort von dem russischen Befehl, der aus dem Himmel über ihnen dröhnte. Der Satz wurde wiederholt, sie schwammen hastig weiter. Das Ufer schien nicht näherzukommen.

»Return to the beach!«, befahl die Stimme jetzt auf Englisch. Das verstanden sie, aber sie beachteten es nicht. Die Zuflucht lag auf der anderen Seite.

»Return to the beach! We will shoot you!«

Sie schwammen mit aller Kraft vorwärts. Es gab keine Deckung mitten auf dem See, der Weg zurück war mittlerweile genauso weit wie der, den sie eingeschlagen hatten. Wenn jetzt geschossen wurde, dann waren sie am Ende ihres Lebens angekommen. Doch noch gab es ja einen Funken Hoffnung.

Die Meldung über die beiden Fliehenden war in der russischen Einsatzzentrale eingegangen. Der Befehlshabende zögerte nicht lange. Die Verdächtigen waren nicht weit von einem Sammelpunkt der Armee entfernt. Er befahl die Exekution ohne weitere Warnungen.

Der Pilot zögerte und überlegte einen Augenblick, ob er den Befehl missachten sollte. Er konnte vorgeben, den Funkspruch nicht verstanden zu haben, aber hinter ihm standen drei weitere Helikopter in der Luft, und die Besatzungen hatten die Worte mit Sicherheit genauso klar und deutlich empfangen wie er. Er wollte nicht auf zwei nackte, offensichtlich wehrlose Menschen schießen, von denen nicht einmal klar war, ob sie überhaupt Soldaten waren. Aber beim Militär und vor allem in diesem Krieg, wenn es denn schon einer war, zählte für ihn nur der Befehl der Vorgesetzten.

Er nickte seinem Schützen zu, und als der das Maschinengewehr bereit hatte, drückte der Pilot den Steuerknüppel leicht nach links.

Die Schüsse waren trotz der dröhnenden Motoren über ihnen deutlich zu hören. Links von Fritz und Robert spritzte das Wasser hoch, als die Kugeln ihr eigentliches Ziel verfehlten. Nicht weit, nur etwa 2 Meter. Für Warnschüsse eindeutig zu dicht. Noch 20 Meter, dann würden sie das Ufer erreichen. Durch das Licht der Suchscheinwerfer konnten sie genau auf die Lücke zwischen den beiden Bäumen zusteuern.

Erneut spritzte das Wasser auf, diesmal an ihrer rechten Seite. Entweder das war ein unglaublich schlechter Schütze da oben, oder man wollte sie nicht wirklich treffen, warum auch immer.

Ein zweiter Helikopter tauchte am Himmel vor ihnen auf, schwebte über dem Tor?, sein Scheinwerfer blendete die beiden Schwimmenden. Fritz bezweifelte, dass darin ebenfalls ein schlechter Schütze sitzen würde.

Er hatte so unrecht nicht.

Der Pilot des ersten Hubschraubers hörte sein eigenes Todesurteil in seinen Kopfhörern. Die anderen drei Maschinen hatten den Befehl erhalten, ihn abzuschießen, seine die Schüsse ablenkenden Steuerbewegungen waren registriert, richtig gedeutet und an die Zentrale gemeldet worden. Wenn er schon sterben sollte, dann konnte er den beiden Menschen vielleicht doch noch etwas Gutes tun. Er wusste nicht, dass sein Leben sowieso nur noch eine unwesentliche Dauer gehabt hätte. Jemand hatte auf den berühmten roten Knopf gedrückt, es gab kein Zurück mehr für die Menschen in Europa. Die präzise Maschinerie der Vernichtung lief gerade reibungslos an. Computer lösten den Start der speziellen Flugkörper aus, andere Computer registrierten ihn und lösten den Gegenschlag aus. Wer auf wen reagierte war unerheblich, da es niemanden mehr geben würde, der sich mit dieser Frage beschäftigen konnte.

Der Pilot hoffte, dass die Männer im Wasser bleiben würden, wenn sie begriffen, was vor sich ging und beschleunigte. Er steuerte seinen Hubschrauber auf den vor ihm über dem Ufer aufgetauchten Kameraden, der sein Henker hatte werden sollen, zu. Der begriff einen Augenblick zu spät, was geschah, und wenige Sekunden nach dem Funkspruch prallten die beiden Maschinen aufeinander. In einer Feuerwolke explodierten sie, die Trümmer stürzten in den Wald.

Die Suchscheinwerfer waren schon hell gewesen, aber das Feuerwerk der explodierenden Maschinen machte die Nacht zum Tage.

Am Rande ihrer Kräfte angelangt hatten die Schwimmenden zugesehen, wie es geschah. Sie waren noch im Wasser, Gott sei Dank, denn die Hitzewelle war erbarmungslos. Beide tauchten unter und kamen erst an die Oberfläche zurück, als sie wirklich Luft brauchten.

Der Wald hinter ihrer Zuflucht? stand in Flammen. Aber die beiden uralten Baumriesen standen noch. Wenn das nicht das gesuchte Tor? war, würden sie ins Feuer laufen. Das spielte eigentlich auch keine Rolle mehr, denn hinter ihnen waren weitere Helikopter zu hören. Tod im Wasser oder in den Flammen, das Ergebnis war vergleichbar.

Into the fire...Sie spürten Boden unter den Füßen und eilten aus dem See auf den brennenden Wald zu. Sie hörten durch das Prasseln der Flammen und die gelegentlichen Explosionen von Munition oder Treibstoff, dass aus anderen Richtungen noch mehr Maschinen auf dem Weg zu ihnen waren. Wer würde da darauf warten, dass die in einer guten Schussposition sein würden?

Es war unglaublich heiß, obwohl die erste Hitzewelle der Explosion vorüber war, aber sie rannten dessen ungeachtet vorwärts. Fünf Meter Uferstreifen waren zu überwinden, bevor sie die Bäume erreichen konnten.

Ein Maschinengewehr bellte vom Himmel. Sand spritzte hinter ihren Füßen empor.

Die zweite Salve war besser gezielt, aber zwischen den beiden Bäumen waren keine fliehenden nackten Männer mehr. Dort war nichts als der Waldboden und ein paar harmlose Pflanzen, die bereits von der Hitze versengt waren. Die Kugeln pflügten die Erde, Staub flog empor, und dann wurde der Horizont hell. Viel zu hell. Viel zu plötzlich. Das Morgengrauen war noch Stunden entfernt.

Die Menschheit hatte ihr letztes großes Feuer angezündet.

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Fortsetzung folgt.

Mittwoch, 8. September 2010

Leap! / Spring!

Bild von Wikimedia Commons I always start my fiction-writing classes by telling my students this: “show don’t tell.” It is the classic rule of writing, to use details, to engage all the senses of the reader by ‘showing.’
In this way, fiction is like faith. To believe in something is often to be unable to talk about satisfactorily but you can show the manifestations of that belief in your life.
This, I think, is also a good way of looking at our lives, in general.
Show don’t tell. To write fiction and to have faith is to take an imaginative leap. And because life is always full of doubts and fears, to act is to take that leap.
So leap!
- Chimamanda Ngozi Adichie is the author of Half of a Yellow Sun.

Am Beginn meiner Schreibkurse in Belletristik sage ich meinen Schülern immer: »Zeige, anstatt zu berichten«. Zu den klassischen Regeln beim Schreiben gehört es, kleine Einzelheiten zu benutzen, um alle Sinne des Lesers zu beschäftigen, indem man etwas »zeigt«.
Romanliteratur ähnelt so gesehen dem Glauben. Wenn man an etwas glaubt, heißt das oft, dass man nicht in der Lage ist, auf eine zufriedenstellende Weise darüber zu reden, dass jedoch die Auswirkungen des Geglaubten im eigenen Leben sichtbar sind.
Ich meine, dass dies auch eine gute Art und Weise ist, unser Leben als Ganzes zu betrachten.
Zeigen, nicht berichten. Literatur zu verfassen und Glauben zu besitzen - in beiden Fällen heißt das, einen phantasievollen Sprung zu wagen. Und weil das Leben immer voller Zweifel und Ängste ist, bedeutet das Handeln, dass man springt.
Also spring!
- Chimamanda Ngozi Adichie ist die Autorin von Half of a Yellow Sun. Die Übersetzung stammt von mir.

Montag, 6. September 2010

Neuland – Teil 3

Hier kommt der Rest vom zweiten Kapitel als dritter Teil. Der dritte Teil vom ersten Kapitel als zweiter Beitrag wäre ja Unfug gewesen. Na? Verwirrt? Fein. Verwirrt ist ja auch unser Freund Fritz Wegemann.
Wir erinnern uns: Es entstand ein leises Scharren, das in der Stille der Nacht nicht zu überhören war.
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Ein Soldat rief: »Stehenbleiben! Keine Bewegung! Es wird scharf geschossen!«
Fritz Wegmann rannte mit schnellen Schritten in den Wald und blieb dort bewegungslos stehen. Die Säulen? schimmerten im fahlen Licht. Er beobachtete, wie vier Soldaten, zwei mit Handscheinwerfern und zwei mit Maschinengewehren, um die Rundung gerannt kamen. Sie blieben stehen und ließen ihre Lichtkegel kreisen.
moon lightDie Zylinder? bewegten sich. Es sah aus, als würden sie sich an einem Punkt versammeln, an dem sie dann zu einem einzigen Objekt verschmolzen. Die Geräusche waren ähnlich denen, die Fritz Wegemann in der vergangenen Nacht gehört hatte. Die Säule?, die aus den einzelnen Exemplaren entstanden war, versank im Boden. Es wurde still, abgesehen vom Keuchen der Soldaten. Gras, Gebüsch und der kleine Felsbrocken, der gespalten gewesen war, sahen völlig unberührt aus. Die Hütte war nun für die Soldaten, die ihren Augen nicht trauten wollten, sichtbar. Dort, wo sie am Tage nur eine massive Felsformation gesehen hatten, stand eine menschliche Behausung. Alle acht Soldaten standen unweit von Fritz Wegemanns Versteck auf der Lichtung und starrten auf die Hütte.
»Wir müssen sofort Meldung machen«, rief der eine.
»Unsinn! Wenn wir das melden wollen, dann erkläre mir bitte auch, wie! Die halten uns für übergeschnappt oder betrunken«, widersprach ein anderer.
»Eins von beidem muss ja wohl zutreffen. Oder glaubst du, was du siehst?«
Langsam und mit schussbereiten Waffen bewegten sie sich auf die Hütte zu. Zwei blieben davor stehen, misstrauisch um sich blickend, während die anderen den Raum betraten.
Fritz Wegmann ahnte, was kommen würde, als er die Wächter wieder sah. Sie erschienen aus dem Wald, rings um die gesamte Lichtung, es mussten jetzt Hunderte sein. Das grässliche Knarzen und Krachen wurde wieder laut, als sich der Kreis immer enger zog.
Die Soldaten schrien und feuerten aus allen Waffen auf die Zylinder?, die davon unbeeindruckt vorrückten. Das Zelt, die Fahrzeuge, der Sendemast, alles, was sie auf ihrem Weg trafen, wurde von den Säulen? In den enger werdenden Kreis geschoben. Hinter dem vorrückenden Rund entstand im gleichen Moment eine unberührte Landschaft. Auch der Acker, der Fritz Wegemann jahrelang Nahrung gespendet hatte, wurde zu normalem Waldboden, auf dem einige Büsche wuchsen. Die Soldaten sahen, dass sie keine Chance haben würden, aber sie feuerten weiter, so lange die Munition reichte. Der Kreis zog sich immer enger um sie zusammen.
Fritz Wegmann schrie: »Halt, kann man sie denn nicht retten? Es sind Menschen!«
Die Stimme, die noch immer nicht zu lokalisieren war, antwortete: »Sie würden in zwei Tagen sowieso sterben. Keiner von ihnen ist ein Freund des Waldes.«
»Woher wollt ihr das wissen?«
Die Säulen? blieben stehen, der Lärm verstummte. Der Kreis hatte noch einen Durchmesser von etwa vier Metern, in dessen Mittelpunkt die entsetzten Soldaten standen, die nutzlosen Waffen in den Händen. Ihre aufgerissenen Augen spiegelten das grenzenlose Grauen.
»Lasst mich mit ihnen reden«, bat Fritz Wegmann und trat aus der Deckung.
»Rede mit ihnen.«
Er ging zum Kreis, der sich nun nicht für ihn öffnete, und blickte durch eine Lücke in die entsetzten Gesichter.
»Sie werden sterben, es gibt nur einen Ausweg«, sprach er die Soldaten an. »Ich kann jetzt nicht alles erklären, aber es sieht so aus, also ob diese Wesen, die Sie eingekreist haben, von einem endgültigen, einem letzten Krieg wissen, der in den nächsten Tagen beginnen wird. Ich bin auf dem Weg zu einer Zuflucht. Wollen Sie mir folgen?«
Keiner sagte ein Wort. Stumm starrten die acht Männer auf die Zylinder? Er trat näher heran und streckte eine Hand hinein in den Kreis.
»Ich lebe hier seit sieben Jahren in der Einsamkeit; ich will Sie retten. Vertrauen Sie mir.«
Einer der Soldaten wagte den Schritt nach vorne und griff nach der Hand. Er presste sie, als wolle er feststellen, ob sie real sei. »Wer sind Sie?«, flüsterte er. »Was geht hier vor?«
»Ich kann nichts erklären. Was hier vorgeht, verstehe ich so wenig wie Sie. Ich habe hier in der Einsamkeit gelebt, und nun mache ich mich auf den Weg – wohin weiß ich nicht. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie jetzt sterben oder den Versuch unternehmen wollen, die Flucht mit mir anzutreten. Diese Wesen, Säulen?, Zylinder?, ich weiß nicht was sie sind, haben mich gewarnt und den Tag über verborgen. Sie wachen über die Wälder.«
»Ich glaube Ihnen. Ich komme mit«, sagte der Soldat, noch immer umklammerte er die Hand. Er trat einen Schritt vor und es entstand eine schmale Lücke für ihn.
»Halt, zurück! Das ist ein Befehl!«, rief jetzt einer von den sieben Männern, die immer noch fassungslos zusammengedrängt in der Mitte standen.
»Entscheide jetzt«, mischte sich die Stimme ein, die zu den Säulen? gehörte. »Sofort.«
Der Soldat ließ Fritz Wegemanns Hand nicht los und trat zwischen die Zylinder?, es war gerade genug Platz für ihn entstanden. Die anderen wollten ihn zurückhalten, aber Fritz Wegmann zog ihn mit einer schnellen Bewegung zwischen den Säulen? hindurch, die sofort wieder ihren Platz einnahmen.
»Flieht jetzt, es kommen weitere Soldaten«, befahl die Stimme, die nun offenbar auch der fluchtbereite Soldat hören konnte. Er zuckte zusammen und blickte sich suchend um.
Fritz Wegemann zog ihn ins Unterholz. »Schnell jetzt.«
Hand in Hand rannten sie immer tiefer in den Wald, während hinter ihnen die Schreie der Soldaten und das Knarzen verhallten. Nach zwei Minuten war die Lichtung leer und unberührt. Funksprüche an diesen Posten verhallten ungehört im Äther.
Als sie etwa 15 Minuten gerannt waren, blieben sie stehen, um Atem zu schöpfen.
»Fritz Wegmann.«
»Robert Stock, Feldwebel.«
Die Stimme des Mannes zitterte. »Was um Himmels willen war da eigentlich los?«, fragte er.
So gut es ging, erklärte Fritz Wegmann die Vorgänge, die er selbst ja nicht einmal begreifen konnte. Während sie langsam bergauf gingen, erzählte er ihm von den Fabeln, von dem alten Mann, von seinem Nachbarn und von den Ereignissen des Tages. Was er zu erzählen hatte, kam ihm, als er es jetzt aussprach, völlig sinnlos und verrückt vor. Er erzählte trotzdem. Eine bessere Geschichte hatte er nicht zur Verfügung.
Robert Stock berichtete seinerseits, was er von der internationalen Krise wusste. Seine Begleiter und er waren nur die Vorhut für die Truppen, die zu Tausenden in die Gegend verlegt wurden. Sie rechneten nicht mit einem größeren Krieg, sie nahmen vielmehr an, dass es bei gegenseitigen Drohgebärden bleiben würde, bis die Politik eine Lösung fand und die russischen Truppen sich wieder aus Polen zurückziehen würden.
»Und wohin gehen wir?«, wollte der Soldat wissen, als alles Wichtige erzählt war.
»Das ist so verrückt wie alles andere. Man könnte meinen, in einem Fantasie- oder Zukunftsroman – ach was, nein, in einem Märchen zu stecken. Ich suche nämlich eine Tür, ein Tor, einen Übergang, der zu einer anderen Dimension führen soll. Ich weiß selbst nicht wo, und vor allem nicht, was das bedeutet, aber ich will es versuchen. Die Wächter des Waldes meinten, der Wald würde den Weg weisen. Mehr weiß ich wirklich nicht.«
»Okay, ich begreife zwar gar nichts, es klingt völlig sinnlos, aber ich komme mit.«
 
Sie hielten sich in der eingeschlagenen Richtung und gingen fast die ganze Nacht weiter. Kurz vor der Morgendämmerung kamen sie an eine Höhle, die Fritz Wegmann von einer seiner Wanderungen in den letzten Jahren kannte. Sie war nicht sehr tief, der Eingang lag verborgen hinter dichten Ranken, so dass man sie leicht übersehen konnte, wenn man nicht gezielt nach dem Eingang suchte.
Der Soldat trug seine Taschenlampe bei sich, die Waffe hatte er zurückgelassen, sie wäre ohne Munition nur unnötiger Ballast gewesen. Er leuchtete die Wände der Höhle ab, die etwa die Größe eines geräumigen Wohnzimmers hatte. Der Boden war sandig, von dem Licht aufgeschreckt versuchten unzählige Insekten, ein Versteck zu finden und verschwanden in kleinen Felsritzen.
Die beiden Männer setzten sich an die dem Eingang gegenüberliegende Wand und Fritz Wegmann teilte sich mit seinem Begleiter aus seinen Vorräten ein bescheidenes Frühstück. Zu zweit würde es nur bei größter Sparsamkeit für zwei Tage reichen, aber darüber machte er sich keine Sorgen. Er wusste, wie man in der Wildnis überlebt. Sie aßen schweigend und legten sich dann zum Schlafen nieder. Eine Wache hielten beide nicht für notwendig, bei der Annäherung von Fahrzeugen würden sie sicher erwachen, und den Eingang konnte nur jemand finden, der die Gegend und die Höhle kannte.
 
Um 9 Uhr mitteleuropäischer Zeit erklärte die polnische Regierung ihren sofortigen Beitritt zur westlichen Allianz und bat die NATO, das polnische Gebiet zu verteidigen. Obwohl der Vorgang nicht verfassungskonform war und überhaupt ein solcher sofortiger Beitritt undenkbar war, wurde das polnische Militär durch die Regierung des Landes ohne Vorbehalte dem NATO-Kommando unterstellt.
Die Bevölkerung bejubelte den Entschluss. Die Verantwortlichen der NATO waren ratlos, da ein solcher Fall nicht vorgesehen war, erklärten aber zögernd, dass man die Möglichkeiten prüfen werde, die das internationales Recht zuließ.
Der Russische Präsident drohte mit der sofortigen Okkupation von ganz Polen, wenn dort auch nur ein einziger Soldat des westlichen Bündnisses auftauchen sollte.
Obwohl keiner auftauchte, begann bereits um 13 Uhr der Vormarsch der Russen durch Polen auf die deutsche Grenze zu.
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Fortsetzung? Folgt. Und bevor jemand mich aufklärt: Ich weiß, dass Polen inzwischen NATO-Mitglied ist, damals, als ich diese Geschichte schrieb, konnte noch nicht die Rede davon sein. Das muss ich im Text noch ändern. Wird auf jeden Fall erledigt.

Samstag, 4. September 2010

Friedliche Islamisierung

islam

Das nimmt keiner in Europa sonderlich ernst, kommt es doch von jemandem, der vielen als nicht ganz richtig im Oberstübchen gilt. Allerdings übersieht man beim schulterzuckenden Abwenden, dass der hier Zitierte erstens Staatschef ist, mit welchen Mitteln auch immer er die Position eingenommen und bisher verteidigt hat, und dass er zweitens nur das ausspricht, was der Koran als Endlösung von den Gläubigen fordert. Der Islam ist eine friedliche Religion – sobald alle anders- oder nicht gläubigen Menschen ausgerottet sind. Wer das noch nicht wusste, möge diesen acht Minuten langen Beitrag anschauen oder selbst im Koran nachlesen (gibt es als Taschenbuch preiswert).

Manch einer meint, das alles wäre egal, weil er davon ausgeht, dass der Islam nach und nach so weitgehend irrelevant und wirklichkeitsfremd werden wird wie es das Christentum in der westlichen Welt so gut wie überall geworden ist. Schmückendes Beiwerk für ein gelungenes Weihnachtsfest, ein festlicher Rahmen für Eheschließungen und salbungsvolle Zutat bei der Bestattung eines Menschen. Aber ansonsten lebt die westliche Welt unberührt von christlichen Werten, Ansprüchen und Konsequenzen.

Der Islam zeigt jedoch keinerlei Tendenzen, die darauf hindeuten würden, dass er wie das Christentum zu einer Randerscheinung der modernen Gesellschaft würde. Im Gegenteil. Aber das, wir wissen es, darf man ja nicht laut sagen. Oder in ein Buch schreiben. Dann ist die ach so verpönte Steinigung nicht weit:

Buchvorstellung Sarrazin

Falls jemand meint, hier sei von verschiedenen Dingen (Islamisierung Europas / Korantext / Thilo Sarrazins warnendes Buch) die Rede… – nun ja. Jeder darf meinen und denken, was er will. Steht zumindest in unserem Grundgesetz.