Montag, 1. November 2010

Bob Dylan: Stimmung ohne Stimme

Es ist schon ein einzigartiges Völkchen, das die Fangemeinschaft des Herrn Bob Dylan bildet. Nichts, aber auch gar nichts kann diese Menschen davon abhalten, zu den Konzerten zu pilgern und/oder sich wenige Stunden nach dem jeweiligen Konzert die Aufnahme desselben herunterzuladen.

Ich bin offensichtlich kein »Hardcore-Fan«, denn ich lade nicht das beinahe tägliche Konzert auf meinen Computer und ich weiß auch nicht so recht, ob ich – falls Bob Dylan wie vorgesehen 2011 nach Europa kommt – mir einen Konzertbesuch vornehmen möchte. Die letzten Konzerte, die ich besucht habe, waren gut, ich habe angenehme Erinnerungen, aber beim letzten Auftritt in Berlin war es schon so, dass kaum noch ein verständliches Wort aus dem Munde des Herrn Dylan kam, sicher ist das auch der Akustik in der Max-Schmeling-Halle geschuldet, für Konzerte taugt diese Halle nun wirklich nicht. Aber hauptsächlich liegt es daran, dass da ein Sänger ohne Stimme singt.

Warum er mit knapp 70 Jahren überhaupt noch dermaßen fleißig die Welt bereist, ist jedem Konzertbesucher klar: Er hat Spaß an dem, was er da tut. Er lebt sichtlich auf, wenn er auf einer Bühne steht. Und das ist auch völlig richtig, gut so und soll so bleiben. Bleiben werden auch die Fans, die mitreisen von Auftritt zu Auftritt und die schon zwei Stunden nach Ende eines Konzertes Entzugserscheinungen bekommen, weil der Download noch nicht bereit steht.

Aber will ich Bob Dylan nicht vielleicht lieber von CD oder Schallplatte hören? Ich höre mir so etwa alle drei bis vier Monate eines seiner Konzerte an, zuletzt Talahassee aus dem Oktober 2010. Hier ist ein Ausschnitt daraus, der Song, der seit Jahren am Schluss der Konzerte steht, LARS, a.k.a. Like a Rolling Stone:

Und? Will ich das, was von seiner Stimme noch übrig ist, wirklich zwei Stunden genießen, wenn es doch zu Hause so viele LPs und CDs gibt, die mir mit jedem Hören gleich lieb und teuer sind? Hmmm…

P.S.: Falls jemand auf den Geschmack gekommen ist: Sämtliche Auftritte sind bei Expecting Rain – oft schon wenige Stunden nach dem Konzert – zum Download vorhanden, kostenlos selbstverständlich. Man gehe zu expectingrain.com, werde Mitglied / registriere sich, beim nächsten Besuch und Login sieht man dann bei Discussions auch die Bereich Requests for Rare Dylan Recordings (dort kann man sich ältere Aufnahmen wünschen) und Rare Dylan Recordings (dort sind alle Konzerte der letzten Jahre und die älteren Aufnahmen, die von jemandem gewünscht wurden, zu finden). Dann muss man nur noch herunterladen und anhören.

Sonntag, 31. Oktober 2010

Vierzehn mal Hundertvierzig – Eine Liebe und ihr Ende

image Regelmäßige Blogbesucher wissen, dass ich mich vor einer Weile ins Twitterland verirrt habe, in ein Paralleluniversum, dessen Sinn sich mir noch immer nicht erschließen will. Doch muss ja nicht alles im Leben, in diesem oder in anderen Universen, sinnvoll sein.

In jenem Twitterland habe ich zwischen all den anderen komischen Vögeln in den letzten zwei Wochen eine Ballade in 14 Versen zu je 140 Zeichen vorgesungen. Die 140 Zeichen sind eherne Grenze im Twitterland, die 14 Verse habe ich mir selbst als Rahmen verordnet.

Hat das irgendjemand als fortgesetzte Geschichte wahrgenommen? Wohl kaum.

Jeder Vers ist, das geht im Twitterland nicht anders, da zwischen den einzelnen Episoden nicht nur Hinz und Kunz, sondern auch ich selbst anderes zwitscherten, eine abgeschlossene Geschichte in sich. Dass daraus diese Ballade werden würde, hatte ich am Anfang nicht gewusst. Das erkannte ich erst nach dem fünften Vers.

So. Genug geplaudert. Wer Augen hat zu lesen, der lese, was der Autor im Twitterland gezwitschert hat.

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Wir sehen Olaf, Detlef, Bernd und Samuel. Auch Sandra, Iris, Ute und Gabi. Doch Timo hat nur Augen für Nadine. Sie schenkte ihm ein Lächeln.

Er duscht, derweil sie schon die Zähne putzt. Ein Schimmern durch den Vorhang, nur schemenhaft. Er senkt den Blick, sein Penis strebt empor.

Das Bett, zwei ebene Flächen, belegt von bauschigen Kissen und Decken in strahlendem Weiß. Sie werden keine Decke brauchen, die Liebe wärmt.

Sie legt die Hand auf seinen Bauch. Er atmet tief. Ob sie erspürt, wie sehnlich er die Zentimeter überwunden wünscht? Sanft. Zart. Ausatmen.

Verschmolzen ist die Zeit nun mit der Ewigkeit. Keine Minuten zählt das Herz wenn zwei vereint verschmelzen. Fühlen. Schenken. Schrankenlos.

Sie schläft noch als das Tagwerk ihn ins Leben ruft. Er duscht und träumt dabei, sie wäre nah. Dann könnten seine Hände sie berühren, kosen.

Die Stunden seines Tages rinnen zäh. Gedanken eilen vor, zu ihr. Sein Herz will ohne sie sich nicht zufrieden geben. So zäh der Tag. Zu ihr!

Wie schön sie ist. Verzaubert muss er staunen, und ihre Augen sprechen, was der Mund nicht sagt. Wird ewig ihre Liebe sein wie frischer Tau?

Gewöhnung setzt wohl ein, doch niemals Überdruss. Er hat sie in seinem Herzen eingeschweißt die Liebe, nur zu ihr, versiegelt für ein Leben.

Die Bilder, die er sieht, wenn er die Augen schließt. Die Bilder. Sie werden niemals alt, sind immer wieder neu. Sie ist ihm unerschöpflich.

Wann fragte je das Schicksal nach der Liebe? Nach jedem schönen Tag lauert gefräßig eine Nacht. Er kann und will nicht glauben, was er weiß.

Noch glüht ein Funke Hoffnung, doch die Wahrheit löscht ihn aus. Werden da wenigstens noch Bilder sein, in seinem Kopf, von ihr? Was bleibt?

Sie durfte nicht bleiben. Der Tod riss sie in seinen Schlund. Erlöst vom Schmerz – doch welche Qual zuvor! Frieden wünscht und gönnt er ihr.

Wie leer sein Blick, als alles ihm genommen wurde. Erinnerung ist flüchtig. Was bleibt, ist Wissen um Verlust, sein Schmerz – womöglich Wut?

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Samstag, 30. Oktober 2010

Nichts.

Heute gibt es hier so viel Neues wie gestern. Nichts.

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Projekt der Hoffnung: »Haus der guten Taten«

In Deutschland stellen in weit über 900 Werkstätten Menschen mit Behinderungen hochwertige Produkte her. Die Artikel werden häufig in kleinen Läden, bei Aktionen oder Märkten angeboten. Nicht selten landen sie im Lager.

Ein neues Konzept für den Aufbau und Betrieb eines Filialnetzes zur Vermarktung dieser Erzeugnisse in bester Marktlage entsteht bei der gemeinnützigen GmbH »Shop der guten Taten«. Zu den Gesellschaftern gehört auch Gemeinsam für Berlin. Die erste Filiale wird am 18. November im Forum Steglitz unter dem Namen COEO Haus der guten Taten eröffnet. Es sollen vor allem Produkte von behinderten Menschen, internationalen Hilfsprojekten und Fair Trade Organisationen angeboten werden. 50% der Gewinne fließen in soziale Projekte. Behinderte Menschen bilden einen Teil der Belegschaft.

Hier entsteht also auf Basis christlicher Überzeugungen ein neues Geschäftsmodell, das nachhaltig, sozial und ökologisch ist – und zusätzlich die Gewinne wieder in soziale, auch christliche, Projekte investieren kann.

Mehr zum Haus der guten Taten und Bildquelle: COEO

(Textquelle: Gebet für Berlin – November 2010)

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Aus einem bis heute unveröffentlichten Roman

You may call my love Sophia
I call my love Philosophy
Van Morrison

Feuchtes Laub raschelte unter den Füßen der beiden Spaziergänger im Berliner Tiergarten. Beide waren 13 Jahre alt, das Mädchen wirkte jedoch älter. Ihr Gesicht ließ ahnen, dass sie ihre Kindheit nicht ohne Wunden und Schmerzen hinter sich gebracht hatte. Dunkle Locken fielen bis auf die Schultern, sie trug weiße Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit dem HARD ROCK CAFÉ Logo auf der Brust.
Ihr Begleiter war hochgewachsen, schlank, dunkelblond, ein vergnügtes Lächeln spielte auf seinem Gesicht.
Sie schlenderten schweigend den Weg am Kanal entlang. In der Ferne hörte man, wenn man die Ohren spitze, Verkehrsgeräusche.
Die beiden nahmen auf einer Bank Platz und sahen auf das träge fließende Wasser des Landwehrkanals.

Der Junge brach nach etwa zehn Minuten das Schweigen.
»Sophia, weißt du, was mir an dir besonders gefällt?«
»Nein. Aber du wirst es mir gleich sagen.«
Sie lächelte erwartungsvoll.
»Dass man mit dir auch schweigen kann. Stundenlang, wenn es passt. So was ist selten.«
»Danke, Patrick.«
Sie saßen auf der Bank, sahen den Enten zu, die ohne Eile über das Wasser glitten, beobachteten müßige Spaziergänger.
Sophia genoss den Nachmittag. Sie hatten gemeinsam die Arbeiten für die Schule erledigt und waren anschließend mit der U-Bahn zum Bahnhof Zoo gefahren. Von dort aus durchwanderten sie den Tiergarten und sammelten Blätter für den Biologieunterricht. Der Park glänzte nach dem Gewitter, das am Mittag gewütet hatte, frisch gewaschen in der wärmenden Sonne.
Schließlich standen sie auf und schlenderten weiter.
»Du kannst andererseits auch reden wie ein Wasserfall, wenn es passt. Je nach Bedarf dummes Zeug oder kluge Einsichten.«
Patrick blickte auf die herbstlich verfärbten Baumkronen. Dann fuhr er fort: »Du bist wie ein Baum, der einem geben kann, was man braucht. Schatten in der Hitze, Schutz beim Regen, Früchte gegen den Hunger.«
Sophia grinste: »Und wenn es dann kalt wird, holzt du mich ab und verheizt mich in deinem Kamin, ja?«
Der Junge lachte und meinte: »Okay, Ende der Philosophiestunde. Lass uns ein Eis essen gehen, am Ku'damm. Okay?«
»Okay. Eis kann aber auch philosophisch sein. Ich esse Eis, also bin ich.«
»Nee. Ich bin, also esse ich Eis.«
Sophia schüttelte den Kopf.
»Nein, Patrick. Ich weiß nicht, welches Eis ich essen werde, also weiß ich nicht, wer ich bin. Ob ich bin.«

Sie beschleunigten ihre Schritte und verließen den Tiergarten. Quer über den Hardenbergplatz strebten sie dem Europacenter zu.

Dienstag, 26. Oktober 2010

Damals. – Der Schluss

Die vorausgegangenen Teile: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4]

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Während Johannes im Gefängnis ausharren musste, wurde Jesus immer bekannter im Land. Seine Wunder waren Gesprächsstoff überall. Wenn es hieß, dass er an einem bestimmten Ort sei, strömten die Menschen dorthin und brachten ihre Kranken mit, damit diese geheilt würden, und je mehr Wunder man berichtete, desto stärker wurde der Zulauf.

Johannes rechnete damit, dass der Messias, über den er selbst dem Volk gesagte hatte, dass »in seiner Hand die Worfschaufel sei, dass er die Spreu mit unauslöschlichem Feuer verbrennen würde«, in absehbarer Zeit mit seinem eigentlichen Wirken beginnen würde. Feuer vom Himmel sollte auf die Unterdrücker und die renitenten Sünder fallen, das Volk würde wieder zu einem freien Königreich werden. Auch das Ereignis bei der Taufe des Messias bestärkte Johannes in dieser Annahme.

Als Johannes eines Tages am Jordan gepredigt und getauft hatte, war Jesus gekommen, um sich taufen zu lassen. Johannes hatte ihn zuerst nicht erkannt, es war ziemlich lange her, dass sie sich gesehen hatten und beide hatten sich verändert. Selbstverständlich wusste Johannes über die sonderbaren Umstände der Schwangerschaft von Maria bescheid, immerhin waren seine Mutter und die Mutter Jesu Verwandte und die Ereignisse, die weit ringsum bekannt geworden waren, kannte man in der Familie natürlich am besten. Aber Johannes hatte sich, wir haben das bereits betrachtet, als Jugendlicher in die Wüste zurückgezogen und daher auch keinen Kontakt zur Verwandtschaft mehr gehabt.

Eines Tages war dann Jesus zu Johannes gekommen, um sich wie all die anderen taufen zu lassen. Als er getauft war und anschließend betete, wurde der Himmel geöffnet und der Heilige Geist stieg in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf ihn herab. Manche Zeugen des Vorfalls hatten andere Erinnerungen, meinten einen Donner zu hören oder etwas wie eine Feuerflamme zu sehen, aber Johannes sah die Taube und hörte eine Stimme aus dem Himmel: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.«

Doch nun saß Johannes im Gefängnis, seine Jünger berichteten ihm über alles, was sie von Jesus hörten, und wir können uns vorstellen, welche Fragen und Zweifel den Täufer umtrieben. Er hatte der Volksmenge diesen Jesus angekündigt: »Er wird seine Tenne fegen …« - aber statt irgendwen mit Feuer zu verbrennen, statt die Spreu nun vom Weizen zu trennen und Gericht zu halten, tat der Messias dem Vernehmen nach allen nur Gutes, ohne Unterschiede. Statt Sünder zu bestrafen, vergab er ihnen ihre Schuld. Er ließ sogar eherne Gesetze außer Acht, zum Beispiel wenn es darum ging, am heiligen Ruhetag einen Kranken zu heilen. Johannes als Sohn eines frommen und untadeligen Priesters hatte damit erhebliche Probleme, denn wie sollte jemand den Thron Davids wieder aufrichten, der die ewigen Gesetze des Bundes seines Volkes mit Gott missachtete?

Johannes grübelte und zweifelte und rätselte, schließlich rief er zwei seiner Jünger herbei und sandte sie zu Jesus. Sie sollten ihm eine simple Frage stellen: »Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?«

Es war nicht schwer, Jesus zu finden, und die beiden Männer sprachen ihn an: »Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und lässt dir sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?«

Eine klare Antwort, ein Ja oder ein Nein, erhielten sie nicht. Jesus heilte an diesem Tag des Zusammentreffens viele Menschen von Krankheiten und Plagen und bösen Geistern, und vielen Blinden schenkte er das Augenlicht. Nun hatten die beiden Boten des Johannes das mit eigenen Augen gesehen und wussten jetzt mit Sicherheit, dass keine Übertreibung in dem zu finden war, was man sich landauf, landab erzählte.

Jesus antwortete ihnen: »Geht hin und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden gereinigt, Taube hören, Tote werden auferweckt, Armen wird gute Botschaft verkündigt! Und glückselig ist, wer sich nicht von mir abwendet, weil er Anstoß daran nimmt.«

Was mag Johannes gedacht haben, als er den Bericht seiner beiden Jünger im Gefängnis hörte? Davon ist uns nichts überliefert, leider.

Er hatte ja seine beiden Boten geschickt, weil er mit dem, was er über Jesus hörte und dem, was er selbst über den Messias gesagt hatte, nicht zurecht kam. Das passte nicht zusammen. Deshalb hatte er eine klare Frage gestellt – und keine klare Antwort bekommen. Natürlich deutete das »glückselig ist, wer sich nicht von mir abwendet« an, dass man nicht auf einen anderen Messias warten musste, und vielleicht reichte das ja auch, um Johannes von seinen Fragen und Zweifeln zu befreien?

Johannes wird geköpft. Wir wissen nicht, wie und ob Johannes mit der Botschaft zurecht kam. Jedenfalls gab es keine Befreiung für ihn aus dem Gefängnis. Herodes ließ den Täufer hinrichten.

Jesus wirkte weiter und wurde immer bekannter. Die Menschenmassen, die zu ihm strömten, waren größer als die, die zur Taufe im Jordan gepilgert waren.

Das erregte auch die Aufmerksamkeit der Obrigkeiten. Herodes hörte alles, was rings um Jesus vor sich ging. Er geriet in Verlegenheit, weil von einigen gesagt wurde, dass Johannes aus den Toten auferweckt worden sei; von einigen aber, dass Elia erschienen, von anderen aber, dass einer der alten Propheten auferstanden sei. Auf jeden Fall war klar, dass dieser Jesus kein Mensch wie alle anderen war.

Herodes überlegte: Johannes habe ich enthauptet. Wer aber ist dieser, von dem ich solches höre? Und er wünschte sich, ihn zu sehen – zu ihm hinaus pilgern wollte er jedoch lieber nicht.

Es sollte noch eine Weile dauern, bis die Begegnung stattfinden würde.

Vor vielen Jahren hatte ein Engel zu einem alten Priester im Tempel gesagt: »Dein Sohn wird wie damals Elia mit bemerkenswerter Kraft und im Geist Gottes wirken. Die Kinder und die Eltern wird er miteinander versöhnen, den Ungläubigen wird er aufschließen können, wie klug die Gerechtigkeit Gottes ist. Er wird das ganze Volk vorbereiten.«

Hatte sich diese Voraussage erfüllt? Einige meinten, da sei etwas schief gegangen, andere sprachen davon, dass Johannes genau das getan hatte. Dass das Volk von dem Messias zunächst begeistert war, weil er so viel Gutes tat und weil er Sünden vergab, ohne zuerst teure und langwierige Opfer zu fordern – bedurfte das einer Vorbereitung durch einen Täufer, der Buße und Gericht verkündete? Dass das Volk schließlich seinen Messias verwerfen und vom römischen Statthalter »kreuzige ihn!« fordern würde, war das ein Beweis misslungener Vorbereitung?

Es gäbe vielleicht noch so manches zu erzählen, aber was Johannes betrifft, sind dies die Dinge, die von einem der Menschen, die damals, in jener anderen Zeit und in jenem anderen Land, gelebt haben, aufgeschrieben wurden. Dieser Chronist hieß Lukas, er hat seinerzeit für seinen Freund Theophilus einen langen Bericht verfasst. Er hat dann nur noch angemerkt, dass viele Jahre später ein gewisser Paulus, der Jesus nachfolgte, in der Stadt Ephesus, also recht weit weg vom Ort des Geschehens, das wir uns hier angeschaut haben, auf eine Gruppe von Jüngern des Johannes traf. Paulus fragte sie: »Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden seid?«

Sie antworteten etwas ratlos: »Wir haben nicht einmal gehört, ob der Heilige Geist überhaupt da ist.«

Paulus fragte zurück: »Worauf seid ihr denn getauft worden?«

Die Antwort war: »Auf die Taufe des Johannes.«

Wir sehen an diesem kurzen Dialog, dass nach der Hinrichtung des Täufers offenbar einige seiner Jünger seinen Dienst fortgeführt hatten, vermutlich mit der gleichen Botschaft verbunden, dass die Ankunft eines Messias kurz bevor stand, der sollte dann ja bekanntlich mit Geist und Feuer taufen und mit der Worfschaufel für Ordnung sorgen.

Paulus erklärte diesen Menschen in Ephesus: »Johannes hat mit der Taufe der Buße getauft, indem er dem Volk sagte, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm komme, das ist an Jesus.«

Die Gläubigen ließen sich dann auf den Namen des Herrn Jesus taufen; und als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam der Heilige Geist auf sie, es waren insgesamt etwa zwölf Männer.

Mehr ist uns von jenem Lukas nicht überliefert, was den Johannes betrifft. Damals, da hat man über Gefühle, Gedanken und Empfindungen der beteiligten Personen noch ziemlich wenig aufgeschrieben. Schade.

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Fortsetzung? Nein. Oder doch: wer mag, kann diese und weitere Geschichten, die Lukas damals aufgeschrieben hat, in einer Bibel nachlesen und sich seine eigenen Gedanken machen.

Samstag, 23. Oktober 2010

Damals. – Teil 4

Die Verweise auf die vorherigen Teile: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3]

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Anstatt seine Mission zu beginnen, öffentlich zu predigen, womöglich gar Widerstand gegen die römische Besatzung anzuschüren, zog er sich völlig zurück. Er ging in die Wüste und blieb in der Wüste. Seine Zeit war, obwohl er zum jungen Mann geworden war, noch nicht gekommen.

War er allein in der Wüste? Ja, er war allein, aber er redete mit seinem Gott. Was er redete, ob er Antworten bekam, wie viel er von den kommenden Ereignissen ahnte oder wusste, ist uns nicht überliefert. Wir wissen nur, dass im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene, als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, endlich ein Wort Gottes zu Johannes geschah. Wie wir uns das vorzustellen haben, bleibt uns überlassen. Hörte er eine Stimme mit seinen Ohren? Bekam er Besuch von Gabriel, wie sein Vater damals? Wir wissen es nicht.

Aber jetzt verließ er seine Einöde und kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden. Natürlich kannte er – sein Vater war immerhin Priester gewesen – die Reden des Propheten Jesaja. Dort hieß es: »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden. Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.«

Nun konnte man das nicht wörtlich nehmen, denn wenn die Täler erhöht werden und die Erhebungen erniedrigt, dann bleibt ja nur eine flache Ebene übrig, und niemand in Judäa hatte ernsthaft die Absicht, die Landschaft einzuebnen. Auch die krummen Wege hatten ihren Zweck, denn wenn das Ziel um die Ecke liegt, führt ein gerader Weg daran vorbei. Das ganze war als geistliche Metapher zu begreifen.

Mit drastischen Worten sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: »Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.«

Für das Volk war das eine ziemlich herausfordernde Rede. Immerhin hatte Abraham einen Bund mit Gott geschlossen, und zwar einen ewigen Bund. Darauf konnte man sich verlassen, meinten die Zuhörer, denn schließlich waren sie Abrahams Kinder. Sie waren doch das auserwählte Volk? Nichts anderes hatten sie und ihre Vorfahren seit Jahrhunderten gehört und geglaubt. Und nun tauchte ein ziemlich verwilderter Prediger auf, der nicht einmal Priester war, um ihnen diese Gewissheit, dass Gott sie auf jeden Fall in seine Arme schließen würde, zu erschüttern und zu rauben. Das hätte eigentlich zu erheblichem Widerspruch und Widerstand führen müssen. Seine Bußpredigten sollten auch nicht ohne bittere Folgen für Johannes bleiben, aber in jenen Wochen und Monaten reagierten seine Zuhörer nicht feindselig, sondern betroffen und Rat suchend.

Die Menge fragte ihn: »Was sollen wir denn tun?«

Armut gab es reichlich...Johannes antwortete, indem er sie daran erinnerte, dass Gott an ihrer Einstellung dem Mitmenschen gegenüber mehr interessiert war als an ihrer Abstammung von Abraham: »Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso.«

Das Gebot der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit war nichts neues, sondern es stand schon seit Jahrhunderten in den heiligen Schriftrollen. Aber Armut gab es reichlich, offensichtlich wurde weithin ignoriert, dass Gott seinem Volk Regeln gegeben hatte, damit niemand in extremer Armut leben musste.

Die Römer hatten als Besatzer des Landes unter anderem Zöllner, heute und hier würden wir von Zollbeamten sprechen, eingesetzt. Diese Handlanger waren beim Volk nicht beliebt, mit gutem Grund, denn so gut wie alle wirtschafteten kräftig in die eigene Tasche. Und nun kamen auch die Zöllner zu Johannes, um sich taufen zu lassen. Auch sie wollten wissen, was er ihnen raten konnte: »Meister, was sollen denn wir tun?«

Die Antwort war eigentlich vorhersehbar: »Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!«

Vielleicht hatten manche in den Volksmengen gehofft, dass Johannes den Zöllnern auftragen würde, ihren Dienst zu verlassen, aber er dachte gar nicht daran, einen Aufstand gegen Rom anzuzetteln.

Auch Soldaten kamen, um sich taufen zu lassen. »Was sollen denn wir tun?«

Ähnlich wie die Zöllner waren die Soldaten nicht sonderlich angesehen im Volk. Sie dienten erstens einer fremden Macht, denn sie standen unter dem Befehl der Römer, und zweitens erpressten sie gerne Schutzgelder, bereicherten sich wo es nur ging, denn sie hielten sich – und waren es ja auch – für ziemlich unangreifbar.

Johannes antwortete: »Tut niemandem Gewalt oder Unrecht an und begnügt euch mit eurem Sold!«

Wir erinnern uns: Es hatte sich nach seiner Beschneidung weit herumgesprochen, dass Johannes kein Mensch wie alle anderen war, dass ihm etwas Besonderes, etwas Gottgegebenes anhaftete. Inzwischen waren viele Jahre ins Land gezogen, aber vergessen waren die Umstände seiner Geburt und die Worte seines Vaters über Johannes nicht.

Das Volk wartete auf einen Erlöser, einen Messias, der die Besatzung durch die Römer beenden und das jüdische Könighaus des David wieder aufrichten würde. Nun trat Johannes, um dessen Geburt und Beschneidung solch ungewöhnliche Geschehnisse erzählt wurden, auf. Er kam mit einer ziemlich unerhörten und aufsehenerregenden Botschaft. Die Menschen waren voll Erwartung und alle dachten in ihren Herzen von ihm, ob er vielleicht der Christus, der versprochene Erlöser, wäre, zumal er den Propheten Jesaja, der einiges über den Christus gesagt hatte, häufig zitierte.

Aber Johannes wies das von sich. Er erklärte öffentlich: »Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird seine Tenne fegen und wird den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.«

Die Worfschaufel muss man heutzutage erklären, wenn man diese Geschichte erzählt. Dieses Gerät kennt keiner mehr, außer vielleicht aus einem landwirtschaftlichen Museum. Mit einer Worfschaufel, einer Art Schippe mit flachem Blatt aus Holz oder Metall, wurde das ausgedroschene Getreide gegen den Wind in die Höhe geworfen und dadurch von der Spreu gereinigt. Die Spreu flog im Wind davon, das Getreide fiel zu Boden. Mit seiner Metapher sagte also Johannes, dass jemand nach ihm kommen würde, der das Wertvolle im Volk vom Wertlosen im Volk trennen würde, die einen würde er bei sich behalten, die anderen vernichten. Und dann, das erwarteten das Volk und der Täufer, würde die Königsherrschaft wieder installiert, die Feinde aus dem Land vertrieben und endlich alles so sein, wie Gott es versprochen hatte in den uralten Prophetenrollen.

Johannes predigte dauernd Buße und Umkehr, er ermahnte das Volk und verkündigte ihm das Heil durch Umkehr und Änderung des Lebenswandels. Gott sei nicht an der Abstammung von Abraham interessiert, sondern daran, ob jeder einzelne Mensch Recht oder Unrecht tut, das war der Kern seiner Lehre. »Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. … Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! … Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!« Er nannte Unrecht beim Namen und scheute auch nicht davor zurück, öffentlich den Landesfürst Herodes zu kritisieren.

Dieser Mann regierte nicht souverän; natürlich hatten die Römer das Sagen. Er genoss aber seinen Status und seine begrenzte Macht und fand auch nichts dabei, mit der Frau seines Bruders ein erotisches Verhältnis zu pflegen. Deswegen und wegen alles Bösen, das er sonst noch getan hatte, wurde er von Johannes gescholten. Herodes zögerte nicht lange, er warf Johannes ins Gefängnis.

Dort sollten ihn bald Zweifel beschleichen an der Person des Messias, ganz erhebliche Zweifel sogar.

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Fortsetzung folgt

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Ruhe in Frieden, Loki.

Helmut und Loki Schmidt In der TV-Dokumentation »Wir Schmidts« sprach das Ehepaar auch über das Alter und den Tod. Sie legte ihm die Hand sachte auf das Knie und sagte: »Ich möchte lieber, dass wir beide gemeinsam davongehen.«

»Das hast Du nicht zu entscheiden. Und ich auch nicht«, antwortete Helmut Schmidt.

Loki nach kurzer Denkpause: »Und das ist auch gut so.«

Nun ist sie vor ihm in die Ewigkeit gegangen. Sie war eine aufrechte Frau, die ich sehr geschätzt und hoch geachtet habe. Mein Mitgefühl gilt Helmut Schmidt – eine so haltbare Ehe ist leider eine Seltenheit geworden. Ich würde mich nicht wundern, wenn er ihr bald folgen dürfte in die Ewigkeit zu seinem und ihrem Gott.
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Von dem Mann, der im Sommer nach der Arbeit seine Frau am Strand traf

Mancher mag ja keine langen Geschichten, noch dazu in Fortsetzungen. Deshalb unterbreche ich die Serie und biete heute eine kurze Erzählung an, die an den inzwischen vergangenen ziemlich heißen Sommer erinnern soll:

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ò Der Mann spaziert zum Strand.

ø Er freut sich schon, er denkt an seine hübsche Frau.

ð Er sieht sie schon von weitem aus dem Wasser kommen.

ö Seine Herzensdame ist ihm nun ganz nah und kaum bekleidet.

ñ Ein Kuss zur Begrüßung. Und eine Umarmung.

ö Er ist recht ratlos. Sie empfiehlt: Ins kalte Wasser.

ø Er schwimmt, der See ist wirklich kühl.

ò Nun ruht er aus, im Abendsonnenschein.

Bild wie meist von sxc.hu

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ach ja. Der Sommer…