Mittwoch, 21. Mai 2008

Frank Schätzing: Lautlos

Er ist schon ein ganz und gar hinterlistiger Autor, dieser Frank Schätzing. Da hat er mich über mehr als 600 Seiten so richtig an der Nase herumgeführt, bevor er in den letzten Kapiteln mit der Wahrheit herausrückt. Oder mit dem, was er mir als Wahrheit unterzujubeln versucht: Hinter dem missglückten Anschlag auf den amerikanischen Präsidenten in Köln steckte gar nicht jener Drahtzieher, den er mir so glaubhaft vorgegaukelt hat...

Das Obige sei bitte als uneingeschränktes Lob verstanden. Von dem vielgepriesenen Roman »Der Schwarm« war ich zwar angetan, aber lange nicht so gefesselt wie von diesem Buch mit dem Titel »Lautlos«.

Es gelingt Schätzing, seine Protagonisten so glaubhaft und lebendig zu schildern, dass man meint, sie wirklich kennen zu lernen. Und, das ist das Tückische an diesem Roman, die Handlung ist in reale Ereignisse so geschickt eingebettet, dass man als Leser nicht nur geneigt ist, dem Autor zu glauben, sondern man tut es tatsächlich. Immer wieder. Und wieder. Und noch einmal. Bis zum Ende.
Den letzten Seiten des Romans folgen noch etliche Abschnitte mit dokumentarischem Inhalt, die habe ich dann allerdings nur überflogen, nicht gelesen. Für mich bedurfte es keiner Untermauerung mit Fakten mehr, dass ich einem ganz und gar ungewöhnlichen, zügig vertuschten Ereignissen beiwohnen durfte.
Natürlich: Es ist nur ein Roman. Niemand hat in Köln versucht, Bill Clinton mit einer technisch ausgefeilten Laserwaffe umzubringen. Alles erfunden. Oder doch nicht?
Lex lächelte und schüttelte den Kopf.
»Gar kein Attentat.«
»Wie bitte?«
»Es hat kein Attentat gegeben. Ich sagte vorhin, der Bundeskanzler und der Präsident wurden ins Bild gesetzt, wenn auch nicht detailliert. Sie haben übereinstimmend -«
»Augenblick!« Lavallier hob die Hände. »Nur, dass ich das richtig verstehe: Sie wollen jetzt schon behaupten, die Serben -«
»Lavallier, es ist scheißegal, ob es die Serben waren«, sagte der PPK-Mann kategorisch. »Und ob sie mit einem Laser oder einer Wasserpistole geschossen haben, ist genauso schnuppe. ... Irgendwann wird sogar O'Connor zu dem Schluss gelangen, dass er Gespenster gesehen hat.«
Mein Fazit: Eine spannende Lektüre, die sowohl inhaltlich als auch sprachlich überzeugt, ein rundum empfehlenswerter Thriller. Nebenbei habe ich eine Menge über den Kosovo-Konflikt, Irischen Whisky, die Abgründe der amerikanischen Politik und die Zusammenarbeit von Russen-Mafia, PLO sowie anderen Terroristengruppen gelernt. Natürlich: Es ist nur ein Roman. Niemand hat sich jemals in Köln zu einer Kosovo-Konferenz getroffen...

Und wie ließ doch Stephen King in »Langoliers« einen Autor so richtig ausrufen? »Glaubt niemals einem Schriftsteller! Hört ihnen unbedingt zu, aber um Himmels Willen glaubt ihnen nicht! Was wäre, wenn ich mich geirrt hätte?«

Frank Schätzing: Lautlos
Euro 9,95
Taschenbuch: 694 Seiten
Verlag: Goldmann (März 2006)
ISBN-13: 978-3442459223
Überall erhältlich, zum Beispiel hier bei Amazon: Lautlos

Die Alternative...

...zu den überhöhten Benzinpreisen:Gefunden bei Don Ralfo

Dienstag, 20. Mai 2008

Montag, 19. Mai 2008

Nur noch 3...

...Stück sind verfügbar. Ergo: Jetzt oder nie. 236 Seiten für 5 Euro, wo gibt es denn so was? Na hier: Wenn weg, dann weg.

Nachtrag 22. Mai: Ich habe den Text nun durchgestrichen. Der intelligente Leser weiß, was das bedeutet. Für den anderen Leser: Aus die Maus. Ente Malente. Rien ne va plus. Sorry, the book is now sold out.

Doch wie so oft im Leben: Trost ist gar nicht so fern. Natürlich kann man den Roman (und anderes aus meiner Feder) auch weiterhin käuflich erwerben, bloß eben nicht mehr für 5 Euro, sondern zum normalen Preis. Bittesehr, hier entlang: Die Bücher

Mord im Umspannwerk-Ost

Am Freitag waren wir Zeugen eines Mordes und seiner recht zügigen Aufklärung innerhalb von knapp zwei Stunden. Und zwar in einer Gegend Berlins, die wir, im grünen Lichterfelde beheimatet, eher selten aufsuchen: Berlin Friedrichshain. In einem stillgelegten Umspannwerk. Obwohl zahlreiche Menschen zugegen waren, wurde dort ein britischer Gentleman, von womöglich mangelhaften Umgangsformen heimgesucht, aber immerhin ein ganz normaler Mensch, kaltblütig erschossen. Es ist wohl doch besser, solche Gegenden in Berlin auch künftig zu meiden?

Um die erfolgreiche Klärung der Täterfrage gleich vor Ort machte sich eine freundliche ältere Dame sehr verdient, eine gewisse Miss Marple. Und damit habe ich ja schon verraten, dass es kein echter Mord war.

Das Kriminaltheater Berlin spielt, nomen est omen, ausschließlich Kriminalstücke. Henning Mankell, Edgar Wallace... - und Agatha Christie.

Ich hatte es mir verkniffen, ins Bücherregal zu greifen, und den vor über 30 Jahren gelesenen Mord im Pfarrhaus noch einmal aufzuschlagen, ich fand es so viel spannender. Allerding: Schon während der Vorstellung kehrte die Erinnerung an die Lektüre bereits zurück.

Der Theaterbesuch war ein Geschenk der besten aller Ehefrauen zum Hochzeitstag gewesen - und ich wurde samt Eva und Teresa sowie den bereits erwähnten zahlreichen anderen Zeugen gar köstlich unterhalten.

Wirklich gute Schauspieler, ein sehr ungewöhnliches Ambiente im ehemaligen Umspannwerk - daher eine aufrichtige Empfehlung: Wer (mal) in Berlin ist und Lust auf ein etwas anderes Theatererlebnis hat, sollte sich das Programm anschauen. Es lohnt sich: Das Kriminaltheater Berlin macht Spaß. Die Gastronomie ist ebenfalls nicht ohne.

Samstag, 17. Mai 2008

Sind die 81 einzuholen?

Gelegentlich löst ein Blogeintrag eher Schweigen aus, manchmal aber auch hitzige - oder zumindest rege - Diskussionen.

Mein eigentlich eher kurzer Bezug auf Todd Bentley und Lakeland hat (es ist jetzt Samstag oder Sonnabend, 22:15 Uhr) bisher 24 Kommentare (einschließlich meiner Antworten) ausgelöst.

Ob aber die (bisher) 81 Kommentare zu überbieten sind, die meine Gedanken über einen deutschen Kinofilm nach sich zogen, bleibt abzuwarten. Vielleicht hat ja Herr Schweiger doch deshalb neulich...? Nee. Kann nicht sein. Ich war ja nicht in Sicht.

Ich wünsche allen frommen und unfrommen Lesern einen wunderschönen Sonntag. Ich werde kaum zum Bloggen / auf Kommentare antworten kommen. Der Sonnabend oder der Samstag -welcher war es doch noch? - war recht vollgestopft (mit sehr viel Arbeit, runde 10 Stunden), morgen steht mehr Familie als sonst was (einschließlich Blog) auf dem Programm.

Jute Nacht, wa?

P.S.: Was das Bild hier soll weiß ich auch nicht. Sind das nicht Ostereier?

Juristen

Demnächst treffe ich mich mit einem Arbeitskreis von Juristen, um auszuloten, ob ich ihnen bei ihren künftigen Publikationen behilflich sein kann und möchte.

Ich werde mich, da die Herren mir bis auf einen fremd sind, wohl kurz vorstellen müssen. Dabei empfiehlt es sich ja, die Atomsphäre durch eine Anekdote zunächst etwas aufzulockern. Allerdings schwanke ich noch zwischen diesen beiden:
Frage: Was hat man vor sich, wenn ein Anwalt bis zum Hals im Sand steckt?
Antwort: Nicht genug Sand.
Oder lieber:
Ein Mann ruft seinen Anwalt an: »Wieviel würden Sie mir in Rechnung stellen, wenn ich drei Fragen habe?«
Anwalt: »400 Euro.«
Anrufer: »Ist das nicht ziemlich teuer?«
Anwalt: »Ja, vermutlich schon. Und Ihre dritte Frage?«
Was raten mir die Blogbesucher? Mit welcher Anekdote mache ich mich so richtig beliebt im Kreis der Juristen?

Freitag, 16. Mai 2008

Die sind ja besoffen...

...kommentierten die Touristen das, was sie miterlebten: Eine Gruppe von Menschen, die alle Anzeichen eines Rausches zeigten. Es hatte ziemlichen Radau gegeben, daher war man zusammengeströmt. Man betrachtete das Spektakel und gab distanzierte und abwertende Beurteilungen zum Besten.
Sehr viele Leute aus der Stadt kriegten das irgendwie mit, von überall kamen sie angerannt. Was keiner von den Ausländern auf die Reihe kriegen konnte, war, wie die Apostel in ihrer eigenen Sprache reden konnten! „Das geht ja gar nicht!“, riefen die total fertig. „Das sind doch alles Leute aus Galiläa, das kann doch gar nicht angehen, dass die unsere Muttersprache auf einmal draufhaben? Egal ob wir aus Persien stammen, Meder sind oder Elamiter. ... Völlig verdattert konnten sie überhaupt nicht kapieren, was da gerade los war: „Was hat das zu bedeuten?“ Ein paar Leute verarschten sie aber auch und meinten: „Die sind doch alle völlig bekifft!“ (Apostelgeschichte 2, 6-13 aus der Volxbibel)
Auch heute geschieht gelegentlich etwas, was aussieht wie »völlig bekifft«, etwas, was der Verstand erst mal nicht so recht begreifen kann.
Zur Zeit in Lakeland, einer Stadt in Florida. Man kann sich die Übertragungen anschauen, mit dem Kopf schütteln und seine abfälligen Urteile fällen. Man kann aber auch fragen: »Was hat das zu bedeuten?«
Könnte es sein, dass Gott seinen Geist nicht nur vor rund 2000 Jahren ausgegossen hat, sondern dass er es auch heute tut? Sein Werkzeug wäre dann in diesem Fall kein distinguierter Herr in dunklem Anzug, sondern ein über und über mit Tätowierungen verzierter Rabauke, ein Harley-Davidson-Fan, Starbucks-Stammgast und CSI-Bewunderer, den ich vor ein paar Jahren selbst einmal getroffen habe: Todd Bentley.
Wir haben damals einen Nachmittag zusammen verbracht. Er wirkte natürlich, aufgeschlossen, voller Liebe zu den Menschen und frei von Allüren wie sonst kaum jemand, den ich kenne. Nicky Cruz hatte ich seinerzeit ähnlich erlebt...
Gott hat nicht immer jemanden ausgesucht, der in das Bild passt, das wir Menschen uns gerne von einem »Diener Gottes« machen. Ob nun Johannes der Täufer, den man für völlig durchgedreht hielt, oder Mose den Stotterer, ob nun einen ruppigen Fischer wie Simon Petrus oder einen betrügerischen Steuereintreiber wie Matthäus.

Gott schaut sich das Herz an, und wenn er eins findet, das für ihn brennt, genauso für die Verlorenen brennt, dann ist alles möglich, ob es nun unserem gesitteten Geschmack entspricht oder nicht. So wie jetzt vielleicht in Lakeland. Es bleibt abzuwarten, ob dies ein Strohfeuer ist oder nicht...

Ist Gott ein Mafia-Boss?

Im Hausbibelkreis sprachen wir am Mittwoch unter anderem über die Geschäftemacherei, die flugs rings um die Ausgießung des Heiligen Geistes in einer Kleinstadt in Florida entstanden ist. Darüber kamen wir auch ins Gespräch über das Geldsammeln an und für sich. Den Auftritt eines nicht ganz unbekannten Evangelisten vor ein paar Monaten in unserer Stadt charakterisierte eine Teilnehmerin des Hausbibelkreises, die dabei gewesen war, mit den Worten »das war, als würden Ablassbriefe verkauft«.

Dabei fiel mir ein Zitat ein, das ich kürzlich bei Kerstin fand:
Manche Pastoren lehren den Zehnten so, als ob Gott ein Mafia-Boss wäre, dem man Schutzgelder zahlen muss, damit einem im Leben nichts Schlimmes passiert. Und wenn man im Leben ein Unglück erlebt, wird gleich gefragt, ob man den Zehnten gezahlt hat. Und der Pastor fährt Porsche.
Auch wenn der Pastor nicht Porsche fährt, sondern VW oder gar kein Auto... - Der Apostel Paulus zog es vor, zu arbeiten, statt den Menschen auf der Tasche zu liegen, denen er das Wort Gottes brachte. Andererseits nahm er von den Mazedoniern gerne Unterstützung entgegen, um eben diesen Dienst für andere kostenlos tun zu können (siehe 2. Korintherbrief).

Häufig wird im Rahmen der »Opfer«sammlung in einer Reihe von Gemeinden aus diesem Schreiben zitiert:
Jeder gebe, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruß oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott. (2. Korinther 9, 7)
Natürlich zitiert man ihn ohne seinen Zusammenhang. Da müsste man ja dann auch jene Passagen vorlesen, in denen der Apostel auf wunderbar satirische Weise über das Geldeinnehmen schreibt.

Ist es nicht merkwürdig, dass die Gemeinde Jesu Christi häufig dort besonders stark wächst und sich ausbreitet, wo man wegen der Umstände weder Gemeindezentren, noch Kirchengebäude errichten kann, wo der Prediger auch kein Gehalt als Pastor bezieht. In China beispielsweise. Dort, wo man Gefängnis und Verfolgung zu fürchten hat, wenn man Christus nachfolgt.

Zweifellos: Auch ein Pastor, Evangelist, Apostel, Prophet oder sonst für die Gemeinde tätiger Mensch muss leben. Darf Geld haben. Muss nicht hungern müssen. Jeder Komfort, den er womöglich genießt, sei ihm gegönnt.
Zweifellos auch: Gott gibt gerne, wenn wir geben, das ist eine auch von mir erlebte Tatsache. Wer knausert, beraubt sich selbst. Ich bin zu 100 Prozent für das Geben. Ob 5 Prozent, 10 Prozent, 40 Prozent oder - mangels ausreichendem Einkommen - 0 Prozent und statt dessen Liebe, Zuneigung, Hausaufgabenhilfe für das türkische Nachbarskind... - was auch immer.

Aber Gott ist nicht der Mafiaboss, dessen Gewogenheit man mit Schutzgeldern erlangen kann. Er ist auch kein Automat, in den man oben den Zehnten oder mehr hineinsteckt und unten reiche Ernte herauszieht. Wer dir einen solchen Gott verkündigt, ist vornehmlich hinter deinem Geld her.

Donnerstag, 15. Mai 2008

Über das Schreiben 7: Ohne Fleiß kein Preis

In einem literarischen Zirkel plauderten wir kürzlich über die Entstehungs- und Überarbeitungszeiten, die manches Stück Literatur verlangt. Einige Stimmen zeigten sich außerordentlich überrascht, dass ich allein in die letzte Bearbeitung meines Romanes »Sabrinas Geheimnis«, der elf Jahre reifen durfte, bisher runde 80 Stunden inverstiert habe und noch nicht fertig bin.

Nun ja. Das liegt eben an den Details. Zwar hat die beste aller Ehefrauen schon mit geschultem Auge Zeile für Zeile inspiziert und eine ganze Menge Fehler gefunden, guten Rat gegeben und Mangelhaftes bemängelt, aber dennoch fallen mir ein paar Verbesserungen erst jetzt ein. Zum Beispiel:
Ich wollte nicht wieder in ungebremsten Alkoholkonsum und bodenlose Depressionen hinein rutschen wie nach Esthers Tod. Man kann den Kummer verdrängen, indem man sich in die Arbeit stürzt, dachte ich, doch ich stellte bald fest, dass man ihm auch so nicht entrinnt. Er kam immer wieder an die Oberfläche wie der Zigarettenstummel im Toilettenbecken.
Daraus wurde jetzt:
Ich wollte nicht wieder in ungebremsten Alkoholkonsum und bodenlose Depressionen hinein rutschen wie nach Esthers Tod. Man kann den Kummer, statt ihn vergeblich ertränken zu wollen, vielleicht verdrängen, indem man sich in die Arbeit stürzt, dachte ich. Doch ich stellte bald fest, dass man ihm auch so nicht entrinnt. Er kommt immer wieder an die Oberfläche wie der Zigarettenstummel im Toilettenbecken.
Details nur, aber mir als Autor sind sie wichtig. Denn der Text muss sich für mich »richtig anfühlen«.

Außerdem habe ich, das verzögert die Fertigstellung auch, ein ganzes Kapitel aus dem Roman entfernt, denn es war ein Fremdkörper, der da nichts zu suchen hatte. Das wusste ich schon vorher, aber ich wollte doch sehen, ob ich es an Eva »vorbeimogeln« kann. Sie hat es natürlich sofort bemängelt. Mit Recht. Daher musste ich die Operationsstelle vernähen, damit kein Loch in der Handlung bleibt und ergänze nun hier und dort ein paar Zeilen, um wieder auf eine Länge zu kommen, die den Titel »Roman« rechtfertigt. Zum Beispiel so:
In der Boutique brachte mich Sabrina in Verlegenheit, indem sie mich fragte, welche der drei Seidenblusen, die in die engere Auswahl gekommen waren, ihr am besten stehen würde. Ich muss zugeben, dass mein Geschmack, was Kleidung betrifft, nicht gerade treffsicher ist. Ich bringe es fertig, zu einem blauen Hemd eine Krawatte mit Grüntönen und eine braune Hose zu tragen, ohne dass ich selbst mich daran stören würde. Wenn ich jemanden sehe, der gut gekleidet ist, nehme ich dies zwar zur Kenntnis, es gelingt mir jedoch selten, mir selbst bei der Kombination von Kleidungsstücken das zueinander Passende auszusuchen.
Auch kann ich nie mit Bestimmtheit sagen, warum ich jemanden als gut gekleidet bezeichnen würde, welche Details dazu beitragen. Ich könnte auch nie sagen, welcher Farbton nun besser mit jemandes Haaren, Teint, Augenfarbe oder Make-up harmoniert. Entweder ich finde mein Gegenüber gut aussehend oder eher durchschnittlich, mit allen erdenklichen Abstufungen.
Sabrina sah entzückend aus, und zwar in jeder der drei Blusen. Ich hätte sie in allen anderen, die schon bei der Vorauswahl beiseite gelegt worden waren, genauso bezaubernd gefunden. Aber offensichtlich erwartete sie von mir eine Antwort, also sagte ich kurz entschlossen: »Diese hier, das leichte Orange steht Ihnen sehr gut.«
Sie lachte und erklärte: »Lachs, nicht Orange. Ich hätte sogar passende Ohrringe dazu.«
»Gut, dann nehmen wir den Lachs«, grinste ich, nahm die Bluse und strebte der Kasse zu. Sabrina blieb zurück und stöberte noch durch eine für mich erdrückende Vielfalt von Pullovern.
Daraus wurde:
In der Boutique brachte mich Sabrina in Verlegenheit, indem sie mich fragte, welche der drei Seidenblusen, die in die engere Auswahl gekommen waren, ihr am besten stehen würde. Ich muss zugeben, dass mein Geschmack, was Kleidung betrifft, nicht gerade treffsicher ist. Nie treffsicher war. Ich bringe es fertig, zu einem blauen Hemd eine Krawatte mit Grüntönen und eine braune Hose zu tragen, ohne dass ich selbst mich daran stören würde.
Auch kann ich nie mit Bestimmtheit sagen, warum ich jemanden als gut gekleidet bezeichnen würde, welche Details dazu beitragen. Ich könnte auch kein Urteil fällen, welcher Farbton nun besser mit jemandes Haaren, Teint, Augenfarbe oder Make-up harmoniert. Entweder ich finde mein Gegenüber gut aussehend oder eher durchschnittlich, mit allen erdenklichen Abstufungen.
Wenn ich jemanden sehe, der gut gekleidet ist, nehme ich dies zwar zur Kenntnis, es gelingt mir jedoch selten, jedenfalls meinten das sowohl Esther als auch Sabrina mit gewisser Regelmäßigkeit, mir selbst bei der Kombination von Kleidungsstücken das zueinander Passende auszusuchen.
»Mon Chéri, so gehst du nie!«, hielt mich Esther dann und wann auf, wenn ich die Wohnung verlassen wollte.
»Was ist verkehrt?«
»Du kannst doch nicht diese Krawatte zu diesem Jackett tragen. Du siehst ja aus wie ein Clown.«
»Ein Clown hat eine rote runde Nase und ist weiß geschminkt.«
»Oder er sieht aus wie mon amour, wenn mon amour sich aus dem Kleiderschrank bedient.«
Diese Gespräche endeten regelmäßig damit, dass sie mich erstens liebevoll küsste und zweitens entweder eine alternative Krawatte oder ein anderes Jackett, bei Bedarf auch ein passenderes Hemd, mit erstaunlicher Treffsicherheit aus dem Schrank fischte.
Und nun sollte ich Sabrina sagen, welche der drei Blusen ihr am besten stand. Sie sah entzückend aus, und zwar in jeder der drei Blusen. Ich hätte sie in allen anderen, die schon bei der Vorauswahl beiseite gelegt worden waren, genauso bezaubernd gefunden. Aber offensichtlich erwartete sie von mir eine Antwort, also sagte ich kurz entschlossen: »Diese hier, das leichte Orange steht Ihnen sehr gut.«
Sie lachte und erklärte: »Lachs, nicht Orange. Ich hätte sogar passende Ohrringe dazu...«
»Gut, dann nehmen wir den Lachs«, grinste ich, nahm die Bluse und strebte der Kasse entgegen. Sabrina blieb zurück und stöberte noch durch eine für mich erdrückende Vielfalt von Pullovern.
Nebenbei bemerkt: Die beste aller Ehefrauen nennt mich zwar nicht französisch »mon amour«, aber die Situation, die mit dem kurzen Dialog oben geschildert wird, ist uns nicht fremd. Eva meint dann: »You aren't going like this, are you?«

Ich halte es, was das Schreiben betrifft, mit Ror Wolf: »Das allerhübscheste Talent nützt nichts, wenn der Autor nicht in der Lage ist, sich an den Tisch zu setzen und sehr entschlossen dort sitzenzubleiben.«

Mein Schreibtipp Nummer 7: So lange am Schreibtisch sitzen bleiben und die Details in Augenschein nehmen, bis »das Gefühl« für den Text «stimmt«. Ohne Fleiß kein Preis. Oder nur ab und zu, aber der wäre dann nicht wirklich verdient...